Früher oder später wird das Allerschlimmste passieren. Wer das vergessen hatte, wurde kürzlich daran erinnert. Das Böse siegt. Gerechtigkeit? Gerechtigkeit gibt es für keinen. Was die Leute haben, ist entweder Glück oder Pech. Okay, die letzte Erkenntnis ist nicht von mir, sondern von Orson Welles, der natürlich in unserem Film-Noir-Marathon vertreten ist. Jetzt ist der Moment für einen Cocktail aus Pessimismus und Niedergeschlagenheit, garniert mit einem guten Schuss Zynismus. Wir präsentieren passend zur allgemeinen Stimmung die finstersten Werke der Schwarzen Serie.
10: Im Schatten des Zweifels
Im Gegensatz zu den anderen Filmen dieser Liste endet der hier auf einer verhältnismäßig lichten Note, wenn auch der titelgebende Schatten für immer über der jungen Heldin hängen bleibt. Hitchcocks Favorit aus seinem Oeuvre steht trotzdem hier, weil er ein wunderbares Schlusszitat hergibt: „Do you know the world is a foul sty? Do you know, if you rip off the fronts of houses, you'd find swine? The world's a hell!"
9: Ein einsamer Ort
Der Glanz des klassischen Hollywoods ist in Nicholas Rays nuancierter Charakterstudie nur dünne Patina auf gepeinigten Gemütern. Der Mordfall, um den sich die Handlung rankt, wird zum psychologschen Prisma. Was es über den vom unnachahmlichen Humphrey Bogart verkörperten Protagonisten enthüllt, ist gleichermaßen beunruhigend und niederschmetternd.
8: Der Scharlatan
Ein schillerndes Kuriosum, das sich nicht nur durch den ungewöhnlichen Schauplatz von zeitgenössischen Werken abhebt. Derauf den ersten Blick einnehmende Held ist tatsächlich der hinterhältigste unter den zwielichtigen Gestalten, die durch das grelle Spektakel paradieren. Die finale Pointe ist ein Geniestreich grausamer Ironie. Im Verhältnis zur Buchvorlage ist das Leinwandgeschehen dabei noch eine spaßige Karussellfahrt.
7: Die Lady von Shanghai
Orson Welles' dunkle Geschichte von verhängnisvoller Liebe holpert bisweilen über Unebenheiten im Drehbuch. Doch dann folgt wieder eine Szene von dramatischer Wucht, die alle Mankos vergessen macht. Das beste Beispiel ist der ungemütliche Plausch über Haie auf einer Jacht, wo der Protagonist unter falschen Freunden gastiert: „The beasts took to eating each other. In their frenzy, they ate at themselves."
6: Opfer der Unterwelt
Auf lange Sicht sind wir alle tot. Aber die wenigsten von uns werden diesen Umstand persönlich der Nachwelt mitteilen müssen, wie der todgeweihte Held des innovativen Krimis. Der Mann im grauen Anzug ist vergiftet und alles bloß durch eine dumme Verwechslung. Da die Polizei nichts auf die Reihe kriegt, macht er sich allein auf die Suche nach den Tätern. Alles muss man selber machen!
5: Straße der Versuchung
Wenn einer wie der tragische Hobbymaler in Fritz Langs bitterer Parabel Chris Cross heißt, ist das kein gutes Zeichen. Eine mörderische Spirale aus Lust und Betrug macht den Hauptcharakter zum wahnsinnigen Vagabunden, verfolgt von den spöttischen Stimmen zweier Toter. Dazu muss er mitansehen, wie seine einst verlachten Werke unter falschem Namen als Meisterstücke verkauft werden. Skurril: Die Zensurbehörde sträubte sich gegen das Ende, weil der Protagonist für sein Verbrechen nicht bestraft würde. Ähm, okay ...
4: Die Teuflischen
Henri Georges-Clouzot war nicht gerade der Typ, der die Welt als sonnige Blumenwiese abbildete. Sein nervenzehrender Psychothriller über eine Ehefrau und eine Geliebte, die gemeinsam ihren abstoßenden Partner aus dem Weg räumen, landet einen Schlag aus dem Hinterhalt nach dem anderen. Die scheinbar irrelevante Endszene merzt den letzten Rest vom Glauben an das Gute im Menschen aus.
3: The Seventh Victim
John Donne hatte es dem genialen Filmemacher Val Lewton, der seinen eigenen kleinen Kanon im Niemandsland zwischen Horror und Psychokrimi ansiedelte, angetan. Der Dichter hat ein paar Zeilen geschrieben, nach denen man sich am Liebsten aufhängen würde. In der von infernalischen Mächten in teuren Kostümen beherrschten Welt seines Okkultthrillers keine schlechte Option.
2: Fahrstuhl zum Schafott
Louise Malle inszeniert die ausweglose Lage seiner Figuren als physisch statischen Zustand. Der quälende Stillstand kommt einer besonderen Art der psychischen Folter gleich. Nie schien die Verkettung fataler Umstände willkürlicher und bösartiger als in dem eiskalten Krimiklassiker aus Frankreich. Selten ist Depression schöner als zu Miles Davies' melancholischem Soundtrack.
1: Umleitung
Du bist ein Loser, der es in Hollywood zu etwas bringen will. Du steigst unterwegs in das falsche Auto. Du triffst den falschen Typen. Du fährst in die falsche Richtung, triffst die falsche Frau im falschen Auto von dem falschen Typen, dessen Identität du jetzt annehmen musst. Edgar G. Ulmer nimmt dich mit auf eine Umleitung in den Abgrund ...