Bereits vor einigen Wochen hatte Moviebreak.de die Möglichkeit, sich mit „Captain Phillips“ - Regisseur Paul Greengrass zu treffen und einige Fragen zum kommenden Thriller mit Tom Hanks zu stellen. Am runden Tisch im Berliner Soho House zeigt sich Regissseur Greengrass, der unter anderem auch für „Das Bourne Ultimatum“ oder „Flug 93“ bekannt ist, als offener Gesprächs- und noch viel besserer Streitpartner. Nachdem Greengrass erfolgreich einige Ungereimtheiten zwischen der Leinwandversion und dem Wikipedia-Eintrag (knallharte Recherche der alten Schule) des Films ausgeräumt hat, entspann sich ein munteres Gespräch um die Darstellung der verschiedenen Fronten im Film.
In "Captain Phillips" mimt Tom Hanks den gleichnamigen Kapitän eines von somalischen Piraten überfallenen Frachtschiffs. Auf offener See beginnt ein nervenaufreibender Kampf um Lösegeld und das nackte Überleben. Die Geschichte basiert auf wahren Ereignissen und dem von Phillips geschrieben Buch zum Thema.
MB: Mr. Greengrass, hat Richard Phillips den Film über sich bereits gesehen? Hatte er etwas zu bemängeln?
Greengrass: Er fand den Film äußerst realistisch und seine Frau ist sogar in Tränen ausgebrochen. Sie war sehr überwältigt. Die beiden haben uns auch sehr bei unserer Arbeit an dem Film unterstützt.
MB: Mit welchem Konzept sind Sie an die Darstellung der verschiedenen Fronten, erste Welt gegen dritte Welt, herangegangen?
Greengrass: An eine solche Regiearbeit muss man so wahrhaftig wie möglich herangehen. Die Welt und die Konflikte darin transportieren, ohne sie jedoch zu sentimentalisieren oder gar zu romantisieren. Man muss verstehen wie die globalisierte Welt funktioniert. Als ich bei dem Projekt an Bord ging, lernte ich, dass es sich vielmehr um die Geschichte zwischen Phillips und seiner Frau handelt. Das Buch schildert oftmals auch ihre Sicht auf die Dinge. Dennoch wollten wir primär eine Geschichte um den Anti-Piraten-Einsatz, direkt auf dem Meer, kreieren. Wir haben allerdings noch viel über diese Typen (Anm. d. Red.: „die Piraten“) recherchieren müssen. Woher kommen sie? Wer sind die Auftraggeber auf dem Festland? Am Ende handelt es sich um organisiert Kriminalität, die bereits fernab von Somalia beginnt.
MB: Wenn die Piraten in ihrem Film aber behaupten, dass die Amerikaner und Europäer bereits vor Jahren ihre Fischbestände weggefangen haben und unzählige Fischer nun keine Arbeitsgrundlage mehr hätten – dann würden ihnen sehr viele Leute zustimmen. Was halten Sie von der These?
Greengrass: Meine Meinung ist da nicht wichtig. Wichtig ist nur die Wahrheit.
MB: Es ist ja eine Tatsache. Wir haben die Fische gefangen...
Greengrass: Wenn man die Wahrheit betrachtet, dann begann die Piraterie vielleicht einmal als eine Antwort der Fischer auf die Großkonzerne. Doch recht schnell wurde daraus ein profitables Geschäft. Die hohen Versicherungssummen der Schiffe sorgten dafür, dass es nicht mehr um Fisch, sondern um reine Verbrechen ging. Wenn man in der Geschichte zurückblickt, dann passiert so etwas immer wieder. Neue Wege des Wohlstands lassen Verlierer auf der Strecke und schon entsteht Kriminalität. Das war bei den Eisenbahnen im Wilden Westen auch schon so. Jetzt sagen alle Piraten „wir sind doch nur Fischer“. Heißt nicht, dass es nicht irgendwann gestimmt hat, aber heute ist es nur noch eine Romantisierung von Verbrechen und somit der Feind der Wahrheit.
MB: Es scheint also in Ordnung für Sie zu sein, wenn ein Zuschauer die Somalier in ihrem Film als pure Kriminelle wahrnimmt?
Greengrass: Hast du sie so gesehen?
MB: Ich nicht, aber die Frage ist dennoch angebracht.
Greengrass: Denkst du der Film zeigt sie auf diese Art?
MB: Ich denke der Film zeigt trotz ausreichender Laufzeit nicht, in welchen Umständen sie oder ihre Familien leben müssen.
Greengrass: Du willst mir also sagen, dass du diesen Film gesehen hast und nicht kapiert hast, dass die arm sind? Verdammt nochmal! Einer von denen hatte nicht einmal Schuhe an! Aber das ist mir jetzt wichtig. Was hat dir da gefehlt?
MB: Schon klar, der Film kann am Ende nicht vier Stunden gehen. Aber lassen Sie es mich einmal so sagen: die einzigen von Ihnen gezeigten Somalier sind allesamt kriminell.
Greengrass: (verschränkt die Arme)
MB: Wie im Film beiläufig erwähnt wird, sind die Piraten am Ende aber nicht die Strippenzieher. Natürlich sind wir in dieser Geschichte alle für Captain Phillips, allerdings werden die Reaktionen und Taten der NAVY sehr genau eingefangen, während die Macht hinter den vier Piraten im Dunkeln bleibt.
Greengrass: Am Ende kommt es doch darauf an, was auf dem Wasser passiert. Zwei Kapitäne, jeweils aus unterschiedlichen Welten, jedoch getrieben von den gleichen Mächten. Es sind die gleichen Kräfte, die in dieser globalisierten Welt jedes einzelne Unternehmen antreiben und die nun dafür sorgen, dass diese beiden Charaktere auf offener See kollidieren. Die Schönheit dieser Geschichte liegt darin, dass alle finanziellen und wirtschaftlichen Kräfte am Ende auf zwei Personen heruntergebrochen werden.
MB: Wir danken für das Interview und wünschen Ihnen viel Erfolg mit dem Film.
(Das Gespräch führte Daniel Krüger)