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Der Farmer Dan Evans soll für 200 Dollar den gefangenen Banditen Ben Wade zum Zug geleiten, damit er ins Gefängnis nach Yuma gebracht werden kann.
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Quelle: themoviedb.org

Kritik

Das Schaffen des US-amerikanischen Schriftstellers Elmore Leonard (1925 – 2013) beeinflusste bereits seit den 50er Jahren auch die Filmlandschaft. Später dort prägnant auftretend durch die Adaption seiner zunächst Hard-Boiled-lastigen (52 Pick-Up), meist jedoch ironisch angehauchten Kriminalgeschichten (Schnappt Shorty, Jackie Brown, Out of Sight), war sein erstes Zuhause das des Westerns. Bereits die zweite Kinoauswertung einer seiner Geschichten  avancierte zu einem der größten Klassiker des damals populärsten Genres, auch weil es seiner Zeit massiv voraus war. Obwohl oberflächlich alles bedient wird, was dem damaligen Zeitgeist und Gepflogenheiten entsprach, es jedoch aus einer anderen Perspektive und weitaus hinterfragender für sich interpretierte. Oder anders gesagt: Den seinerzeit schon spießig bis langweilig gewordenen US-Western aus seiner Komfortzone hervorlockte und durch querdenkende Facetten bereicherte, ohne damit Puristen zu aufdringlich auf die Füße zu treten. Eine subtile Revolution und Weichenstellung in die moderne, progressive Richtung, die über die Jahre nur schleppend aufgegriffen wurde (u.a. bei Der Mann, der Liberty Valance erschoss) und eigentlich erst mit dem Aussterben dieser Gattung im allgemeinen Tenor entsprechend gewürdigt wurde.

Es beginnt mit dem zufälligen und schicksalhaften Aufeinandertreffen zweier Männer, die im ersten Moment unterschiedlicher nicht sein könnten. Da seine Rinderherde sich verlaufen hat, platzt der anständige und aufgrund einer anhaltenden Dürreperiode dem Armenhaus nahe Viehzüchter & Familienvater Dan Evans (Van Heflin, Mein großer Freund Shane) mitten in den Überfall eines Geldtransports. Durchgeführt durch den berüchtigten Outlaw Ben Wade (Glenn Ford, Gilda) und seiner ein Dutzend Jünger umfassenden Bande. Zwei Männer sterben und Dan wird nicht nur zum Augenzeugen wider Willen, sondern durch die existenzbedrohende Situation später gar zum Anführer eines Himmelfahrtskommandos. Als Wade ohne sein bereits über die Grenze nach Mexiko geflüchteten Gefolges verhaftet wird, ist der verzweifelte Rancher neben dem versoffenen Nichtsnutz Potter (Henry Jones, Vertigo – Aus dem Reich der Toten) der einzige, der bereit ist für 200 $ den gerissenen Banditen bis zum dem 3:10 Zug nach Yuma zu eskortieren. In dem Bewusstsein, dass eine Gang blutrünstiger und untergebener Meuchelmörder alles dafür tun wird, dieses zu verhindern.

Mag Zähl bis drei und bete augenscheinlich eine ganz archetypische Geschichte vom wackeren, tugendhaften, hart arbeitenden Helden und einem skrupellosen, sadistischen Schurken erzählen, beleuchtet der Film von Regisseur Delmer Daves (Die schwarze Natter) auf schier brillante Art und Weise die verschiedenen Grautöne zwischen plakativer Schwarz-Weiß-Malerei. Lässt sie sich annähern und wieder abstoßen, gibt ihnen nicht nur zwei Gesichter, sondern darüber hinaus Hintergründe, erschafft Profile und sorgt für glaubhafte Entwicklungen, die selbst in der Kürze der Zeit niemals überstürzt erscheinen. Deutlich in seiner Figurenkonstellation, narrativer Ausrichtung, moralischem Spielraum und nicht zu Letzt den exzellent-stimmungsvollen Bildarrangements am Film Noir orientiert – quasi ein verstecktes Genre-Crossover – lassen sich die Vergleiche zum damaligen Klassenprimus 12 Uhr Mittags – High Noon kaum von der Hand weisen. Ohne das sich von Kopie oder Plagiat sprechen lassen kann, denn Zähl bis drei und bete verwendet lediglich den unabwendbaren Kampf gegen die Zeit ebenfalls für sich. Ähnlich in seiner impulsiven, erdrückenden Spannungskurve, verpackt es jedoch (noch mehr) als zermürbendes Psychoduell, das schon Kammerspiel-artige Züge annimmt und mindestens auf Augenhöhe mit einem der größten Western seiner Zeit agiert.

Hätte Hitchcock jemals einen Western gemacht, es wäre im Idealfall dieser geworden. Der Suspense, er ist eine unabdingbare Zutat dieses hinterlistig wie hintergründigen, subversiven Genre-Meilenstein, der geschickt die etablierten Rollenmuster bestätigt, sich zu Nutze macht, allerdings schon frühzeitig diesen seinerzeit wie in Stein gemeißelten Reliquien sichtbare Risse hinzufügt. Bandit Wade ist zwar bereit selbst einen eigenen Gefolgsmann eiskalt zu erschießen, nur damit der Beutezug nicht fehlschlägt, ist dabei aber einfach nur ein prinzipientreuer, sehr konsequenter Mensch. Der strickt dem folgt, was er für angemessen hält. Im Guten wie im Schlechten. Denn schon früh deutet sich an, dass er nicht unbedingt ein Monster ist, durchaus aus sehr lobenswerte Attribute besitzt. Insgeheim nach einer bürgerlichen, sitzhaften Existenz strebt, sich dabei aber selbst durch seinen bisher eingeschlagen Lebensweg dabei am meisten im Wege steht. Und einfach nicht mehr den Rückwärtsgang einlegen kann. Es aber wohl gerne würde. Ihm gegenüber steht der stets artige und selbst für ein Darlehen zu stolze Evans, der lieber sein Leben riskiert als bei anderen in der Schuld zu stehen. Die beiden Söhne blicken zu Vati heroisch auf, er an sich erniedrigt herunter.

Gekränkter Stolz, verbissene Linientreue und die blanke Existenz-Not: All das erkennt der einerseits gnadenlose, andererseits erstaunlich eloquent auftretende Wade bei seinem Kontrahenten innerhalb von wenigen Minuten und weiß sie als Schwachpunkte zu antizipieren, bevor dieser den Ernst der Lage wirklich erfasst hat. Zähl bis drei und bete entwickelt sich in kürzester Zeit zu einem enorm fesselnd arrangierten Mix aus manipulativem Psychothriller, paranoiden Belagerungs-Western und erstaunlich schlüssigem Charakterdrama. Denn selbst die auf dem Papier hurtig anmutenden Ereignisse im Showdown sind nur das logische Resultat einer detaillierten, nahezu perfekten Vorbereitung von gut 90 Minuten. Meilenweit entfernt von der oft eindimensionalen Pauschalisierung des damaligen Hollywood-Geschaukels. Ambivalent, sensibel und gerade wegen seiner radikalen, aber intelligenten Umsetzung unverzichtbar, kritisch und so hintersinnig, das es zu seiner Zeit (bis auf High Noon) praktisch kein Vergleichsmaterial gibt.

„Glauben Sie, dass die Zeit stehen bleibt, wenn Sie keine Uhr mehr haben?“

Fazit

Gut und Böse wird gerne als eindeutiges Kontrastprogramm präsentiert, so einfach macht es sich das Meisterwerk „Zähl bis drei und bete“ natürlich nicht. Lotet lieber aus, was denn in den Zwischenräumen vor sich geht. Wo das eine anfängt, das andere aufhört; was sie voneinander trennt, wo sie sich überschneiden und wo noch Hoffnung besteht – oder für immer verloren ist. Ein herausragender Film seiner Dekade und auch heute noch wegweisend. Unverzichtbar, das Ticket für den 3:10 nach Yuma.

Kritik: Jacko Kunze

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