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Quelle: themoviedb.org

Inhalt

Kuba in den frühen 80er Jahren: Der kleine Carlos, genannt Yuli (Edilson Olbera Nuñez), lebt mit seiner Familie in einem Vorort Havannas und liebt es, sich mit seinen Spielgefährten auf der Straße in kühnen Breakdance-Darbietungen zu messen. Dabei wird er eines Tages von seinem Vater Pedro (Santiago Alfonso) erwischt, einem hart arbeitenden LKW-Fahrer, der seinen Sohn nicht inmitten der Breakdance-Cliquen sehen will. Doch statt Yuli das Tanzen zu verbieten, meldet Pedro den Jungen auf der staatlichen Ballettschule an. Auch die Lehrerinnen erkennen Yulis Talent rasch, der aber will eigentlich überhaupt nicht tanzen – bei der Stange hält ihn zunächst nur die oft brutale Autorität seines Vaters. Der glaubt nicht nur unerschütterlich an Yulis Berufung zum Balletttänzer, sondern vor allem daran, dass sein Sohn der Ausbruch aus dem entbehrungsreichen Leben der kubanischen Unterschicht gelingen kann. 

Kritik

»Das ist nicht die übliche Geschichte von einem, der unaufhaltsam seiner Berufung folgt«, sagt Regisseurin Iciar Bollaín (Und dann der Regen) über ihren neuesten Film. »Es ist die Geschichte von jemand, der gegen seinen Willen zum Tänzer wurde.«Damit ist das erste starke Element des Films bereits benannt: die Umkehrung des klassischen Motivs von einem, der für seine Leidenschaft alle Widerstände überwindet. Denn der kubanische Ballettänzer Carlos Acosta (Yuli) wollte eigentlich nie tanzen.

Auch wenn Yuli lose auf Acostas 2007 erschienener Autobiographie »No Way Home« beruht, geht es dem Film von der ersten Minute an längst nicht nur darum, die Inhalte eines konventionellen Biopics zu liefern – oder die eines typischen Ballettfilms.Die Rahmenhandlung zur in Rückblenden erzählten Lebensgeschichte liefert einen erzählerischen Kniff, die Fakten mit Fiktion anzureichern: Die Handlung beginnt in Havanna, wo Carlos Acosta (New York, I Love You) – der sich in dieser Zeitebene selbst spielt – mittlerweile sein eigenes Ensemble Acosta Danza gegründet hat und mit diesem eine besondere Choreographie einzuüben beginnt: die Geschichte seines eigenen Lebens. Immer wieder verwickeln die Ensemblemitglieder Carlos dazu in Gespräche – und so geschieht es mitunter, dass er nach einer besonders intensiven Flashbackszene freimütig lächelnd zugibt, die habe sich nie so zugetragen, hätte aber so passieren können. Wisse man denn immer, was Wirklichkeit sei und was Fiktion?

Häufiger als mit solchen Reflexionen werden die Rückblicke jedoch in der Gegenwart mit Tanzszenen verwoben, denen der Film genug Zeit einräumt, dass ihre wortlose Kraft auch dann spürbar wird, wenn man mit Ballett an sich wenig Berührungspunkte hat. Carlos Acosta tanzt dabei die Rolle seines eigenen Vaters, und Choreographie wie Film kreist immer wieder um dieses Kernelement: die schwierige, oft schmerzhafte und ambivalente Beziehung zwischen Carlos und seinem Vater. »Lässt sich die Ambivalenz des Erfolgs tanzen?«, fragt Drehbuchautor Paul Laverty (Ich, Daniel Blake) dazu. Ja, das ist möglich!

Wie Pedro den Sohn gleichsam zu seinem Glück zwingt und dabei auch vor Einschüchterung und Gewalt nicht zurückschreckt, wird immer wieder thematisiert und auch von Carlos selbst in Frage gestellt. In den ersten Jahren als Ballettschüler hasst er das Ballett, das ihn unter seinen Freunden zu einem verspotteten Außenseiter macht. Erst nach einem Schlüsselmoment im abgelegenen staatlichen Internet erlangt das Tanzen für Carlos eine neue Bedeutung, wird zu etwas Eigenem statt etwas Erzwungenem.

Doch der Konflikt zwischen Carlos und seinem Vater zieht sich als roter Faden durch die gesamte Filmhandlung. Pedros Darsteller Santiago Alfonso gelingt es eindrücklich, alle Facetten des raubeinigen camionero (LKW-Fahrer) einzufangen, der seinen Sohn zwar liebt und letztendlich das Beste für ihn will, in seiner kompromisslosen Strenge aber übersieht, was Carlos sich wirklich wünscht: einen liebe- und verständnisvollen Vater.

Es ist vor allem das Kreisen um diese schwierige Vater-Sohn-Beziehung, aus der Yuli Kraft weit jenseits der Ballett-Thematik schöpft. Und es ist, daraus erwachsen, der Zwiespalt, der auch den erwachsenen Carlos Acosta (Keyvin Martínez) immer weiter begleitet: Fernab von Kuba feiert er rauschende Erfolge, gewinnt beim Prix de Lausanne die Goldmedaille, wird Principal Dancer am Londoner English National Ballet und bald darauf vom Houston Ballet in den USA engagiert – was ihn als Kubaner vor besondere bürokratische Herausforderungen stellt. Bei alledem aber nagt doch immer das Heimweh an Acosta – etwas, das ihm allerdings weder sein Vater noch seine energische Lehrerin Chery (Laura de la Uz, 7 Tage in Havanna) zugestehen wollen.

Trägt man die Verantwortung, ein besonderes Talent zu nutzen, selbst wenn das nicht den eigenen Träumen entspricht? Trägt man Verantwortung gegenüber dem eigenen Land, der eigenen Gesellschaftsschicht, für die man zum Hoffnungsträger wird? Können Erfolg und Wohlstand das Gefühl von Heimat und Zugehörigkeit aufwiegen?

All diese Fragen verleihen Yuli eine schmerzhafte Intensität, die sich auch außerhalb der Tanzszenen in der kraftvollen Bildsprache des Kameramanns Alex Catalán zeigt. Es ist aber vor allem die einfallsreiche Kopplung von Rückblende und Choreographien, die dem Film seine besonders starken Momente verleiht und ihn befähigt, seine Handlung zum Teil auf eine zusätzliche Ebene zu verlagern und Elemente wie Acostas Einsamkeit im Internat auf eine Art in Szene zu setzen, die bei einer konventionellen Erzählweise nicht möglich wäre.

Die jüngere politische Geschichte Kubas bleibt gegenüber Acostas innerer Zerrissenheit zwar tendenziell im Hintergrund, wird aber dennoch eng mit der Filmhandlung verwoben. Schließlich beeinflusst sie Acostas Leben auf nachdrückliche Weise: Dass etwa die Ausbildung an der staatlichen Ballettschule im sozialistischen Kuba kostenlos war, erlaubte ihm überhaupt erst den Zugang dazu. Später kontrastiert der Film Acostas Heimweh mit dem dringenden Wunsch seiner Landsleute, eben diese Heimat zu verlassen. »Ich bin vermutlich der einzige Kubaner, der in Kuba bleiben will«, seufzt Acosta irgendwann im Lauf des Films.

Fazit

"Yuli" ist kein Biopic der üblichen Art, sondern ein phantasievoll und intensiv erzählter Film über Leidenschaften und Leidenswege, über Zwang und Freiheit und eine zutiefst ambivalente Vater-Sohn-Beziehung und nicht zuletzt über einen beeindruckenden Balletttänzer, der es aus den Straßen Havannas auf die ganz großen Bühnen der Welt schafft und der kubanischen Heimat doch immer verbunden bleibt – eindrucksvoll und absolut sehenswert.

Kritik: Sabrina Železný

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