Mit "Ip Man" gelang Donnie Yen ein Meilenstein in seiner ohnehin schon sehr ansehnlichen Karriere. Das geschichtliche Martial-Arts-Biopic wurde weltweit positiv aufgenommen und auch erfolgreich vermarktet. Grund dafür war sicherlich, dass es sich bei "Ip Man" nicht einfach um plumpe Klopperei handelt, sondern der Film darüber hinaus auch mit seiner gut ausgearbeiteten Geschichte und den interessanten Charakteren punkten kann und somit auch als Biopic und irgendwo auch als Drama funktioniert. Auch der zweite Teil setzte 2010 auf bewährte Zutaten und darf durchaus als gelungen bezeichnet werden. Donnie Yen und Regisseur Wilson Yip zogen sich danach erst einmal aus dem Themenkomplex um Ip Man zurück, doch die Figur tauchte weiterhin in vielen weiteren Filmen auf, da die Bewunderung und Nachfrage nach ihr nach wie vor groß waren. So sah man Ip Man unter anderem in "Ip Man Zero" und "Ip Man: The Final Fight" (die beide nichts mit der Donnie Yen-Reihe zu tun haben), oder auch in Wong Kar-Wais oscarnominierten "The Grandmaster". Alles schön und gut, aber insgeheim wünschte sich wohl jeder die Rückkehr Yens und Wips für einen echten dritten Teil der Erfolgsreihe, den es nun, 6 Jahre nach dem zweiten Teil, endlich zu sehen gibt – sogar im Kino mitsamt (unnötiger) 3D-Effekte.
Der dritte Teil spielt etwa drei Jahre nach seinem Vorgänger. Dieser endete damals mit einem kleinen Cliffhanger um Bruce Lee und startet mit eben diesem Charakter auch sogleich. Bruce Lee bittet Ip Man, ihn als Schüler aufzunehmen und wird auf seine Schnelligkeit getestet. Eine Neuerung die hierbei sogleich auffällt und sicherlich damit zusammenhängt, dass der Film weltweit kinotauglich gemacht werden sollte: Der Einsatz von CGI und Slow-Motion. Doch wer nun in Panik gerät dass "Ip Man 3" völlig amerikanisiert wurde in die selbe Richtung abdriftet wie zuletzt "Crouching Tiger, Hidden Dragon: Sword of Destiny" darf beruhigt aufatmen, der restliche Film ist weitestgehend frei von solch Spielereien und setzt auf altbewährte Handwerkskunst.
Gelungen sind die Kampfszenen erneut, Donnie Yen darf wieder mit seinen blitzschnellen Wing Chung-Schlagtechniken haufenweise Gegner verdreschen. Auch sein Gegenpart, gespielt von Jin Zhang ("The Grandmaster", "Lethal Warrior"), weiß kampftechnisch zu gefallen. Einer der Gegner Ip Mans ist übrigens eine von Mike Tyson verkörperte Figur, was im Vorfeld bei vielen Fans für weniger Begeisterung sorgte. Zum einen gab es im zweiten Teil bereits einen Boxer als Kontrahenten zu sehen, zum anderen fühlt sich Tyson auch wie ein Fremdkörper inmitten der "Ip Man"-Reihe an und deutet erneut auf eine Amerikanisierung an. Tatsächlich muss man auch feststellen, dass Tyson wirklich schlecht schauspielert. Die gute Nachricht aber: Tyson ist lediglich in zwei Szenen zu sehen, einer kurzen Einführung und in einem Kampf gegen Ip Man, bei dem es sich übrigens auch nicht um den Endkampf handelt. Somit lässt sich sein Auftauchen sicherlich noch irgendwo verschmerzen. Dass Tyson nur ein Zwischengegner ist ist auch deswegen gut, da er kampftechnisch auch recht langweilig vorgeht. Klar, Tyson ist oder war ein hervorragender Boxer. Aber bis auf ein paar kräftige Punches kann Tyson zur ansonsten schönen Kampfchoreo der Anderen nicht viel beitragen. Donnie Yen ist es, der den Kampf durch seine Abwehr- und Angriffstechniken doch noch interessant gestaltet.
Doch wie eingangs erwähnt dreht sich bei "Ip Man" eben nicht alles um die Kämpfe, sondern auch um die Erzählung. In "Ip Man 3" gibt es gleich mehrere Handlungsstränge: In seiner ersten Hälfte geht es vorrangig um das Verteidigen einer Schule, die von den Schergen eines skrupellosen Bauunternehmers (Tyson) ausgesandt werden. Dieser Part kann mit der Invasion der Japaner aus Teil 1 oder auch dem Machtkampf der Großmeister untereinander sowie ihren Kampf gegen die Briten aus dem zweiten Teil spannungstechnisch leider nicht ganz mithalten, dazu ist er zu oberflächlich und banal ausgefallen. Donnie Yens leidenschaftliche Portraitierung Ip Mans sowie einige gelungene Fights dazwischen sind es, die darüber hinwegsehen lassen.
Darüber hinaus wird Ip Mans Ehe thematisiert, das Auseinanderleben beider Partner sowie die Krankheit seiner Frau. Dieser Strang rückt vor allem in der zweiten Hälfte mehr in den Vordergrund und zeigt sich auf dramaturgischer Ebene als gelungen. Doch stößt man damit womöglich auch einigen Zuschauern, die einfach nur geballte Action sehen wollen, an den Kopf, da der Film hierbei auf die Bremse drückt. Der Story tun diese Einschübe aber gut.
Auch Bruce Lee findet im dritten Teil nun endlich seinen Weg in den Film, doch ganz überraschend spielt er kaum eine Rolle. Nach seiner Einführungsszene sieht man ihn nur noch ein einziges Mal im Film, und zwar als Tanzlehrer. Wer also darauf hoffte, Lees Ausbildung zu sehen zu bekommen oder ihn gar kämpfen zu sehen, wird sicherlich enttäuscht. Könnte aber auch damit zusammenhängen, dass es während der Dreharbeiten zu einer Klage der Bruce Lee Enterprises, LLC (BLE) kam, dem Besitzer der Rechte an Bruce Lees Vermächtnis inklusive seines Aussehens. Ursprünglich war sogar geplant, Bruce Lee per CGI in den Film einzubauen, um den Look noch authentischer zu gestalten, was aber durch die Klage gestoppt wurde. Kwok-Kwan Chan ("The Legend of Bruce Lee") verkörpert ihn nun im fertigen Film.
Zu guter Letzt thematisiert "Ip Man 3" noch das Aufsteigen eines talentierten Underdogs (Jin Zhang), eines Mannes, der wahren Wing Chung zu beherrschen meint. Ip Man hat in seinen Augen Wing Chung verfälscht und damit quasi in den Dreck gezogen, so dass hieraus zwei Rivalen entstehen und ein kleiner Machtkampf, der wiederum an Teil 2 erinnert. Interessant ist Ip Mans Gegner allemal, auch die Entwicklung ihrer Geschichte weiß Neugier zu wecken.
Insgesamt ist "Ip Man 3" nach wie vor erzählerisch interessant und weit über dem, was Donnie Yen in den letzten Jahren reihenweise abgeliefert hat, doch inmitten der "Ip Man"-Reihe eben doch ein kleiner Rückschritt. Aber auch einer, mit dem man leben kann, da die positiven Aspekte überwiegen.