Violet Evergarden aus dem Studio Kyōto Animation (A Silent Voice) wurde als eine der ersten Anime simultan auf Netflix in Deutschland ausgestrahlt, die Veröffentlichung des dazugehörigen Anime Films Violet Evergarden und das Band der Freundschaft übernahm LEONINE und brachte Anfang des Jahres auch diese Geschichte auf die große Leinwand in ausgewählten Kinos.
Der Film knüpft lose an die Geschichte des Anime an und verfolgt weiterhin den Weg der Akora Violet Evergarden, die als ehemalige menschliche Maschine, zum Kampf erzogen, langsam in die affektiven Gefilde der Menschen eindringt und immer noch versucht Gesten, expressives Verhalten und Konzepte wie Freundschaft, Liebe und Gemeinschaft zu begreifen und zu adaptieren. Die Aufgabe, der Violet pflichtbewusst Folge leistet, ist die Unterstützung von Isabella von York, der sie als Zofe und Lehrerin bei der Debütierung in die Gesellschaft als angesehenes und heiratsfähiges Fräulein aus gutem Hause helfen soll.
Während der dreimonatigen Zeit knüpft Violet eine Freundschaft zu Isabella, die als Waisenkind Amy Bartlett von ihrem biologischen Vater gefunden und der Armut entrissen wurde, was allerdings fehlt, ist ein wahrer Antrieb für beide Frauen: Was bringt sie dazu, sich anzufreunden? Das Teilen eines Bettes oder Bads wird hier als legitimer Grund aufgeführt, aber am Ende ist das Band, das auch im Titel verankert ist, eher eine schwache emotionale Verbindung und die darauß erblühende, enge Freundschaft, kauft man weder Violet noch Isabella ab.
Interessant war der Rückblick auf Isabellas Vergangenheit als Amy, die in einem vom Krieg zerstörten und zerrütteten Slum lebt. Hier offenbart sich eine eher dunklere Seite der sonst so glitzernden und perfekten Darstellung, die allerdings eine genauere Studie nicht zulässt und lediglich als kleiner Einblick in eine vielschichtigere Welt dient. Doch genau diese zwei Seiten, mit denen Violet nicht nur in ihrer Vergangenheit, sondern auch in der Gegenwart konfrontiert werden sollte, erhalten nicht genug ausgeglichene Aufmerksamkeit und so endet der erschreckende Rückblick in Amys damalige Welt so schnell, wie er angefangen hat und führt lediglich einen neuen Charakter, nämlich ihre Zieh-Schwester Taylor Bartlett ein.
Die dramatisch inszenierte Geschichte, die sich in einer auszeichnungswürdigen Animation vor den Augen der Zuschauer entfaltet, wird von einer außergewöhnlich punktuierten Orchestermusik begleitet, die nicht nur den Handlungsverlauf unterstützt, sondern auch das Setting wunderbar in eine zeitliche Epoche rückt. Als Komponist fungiert hier, wie bereits bei der dazugehörigen Anime Serie Evan Call. Die deutsche Synchronisation ist solide, obwohl die Stimmfarben in Anbetracht der japanischen Originalstimmen nicht ganz passend wirken. Auch scheint es hier einige Fehler zu geben, sodass der deutsche Text endet, sich der Mund der Charaktere aber noch weiter bewegt. Für Liebhaber von Synchronisationen ist diese allerdings durchaus solide und kann bedenkenlos angeschaltet werden.
In dem Film dreht sich wieder alles um zwischenmenschliche Beziehungen, dass dabei die Spannungskurve eher flach ist und lediglich in hochemotionale Momente gipfeln, sollte der Rezipient der dazugehörigen Serie bereits gewohnt sein und so mag man Violet Evergarden und das Band der Freundschaft auch dieselben Thematiken und Abläufe wie in den kleineren Story Arcs der Serie verzeihen – fragwürdig ist nur die lange Laufzeit, die zeitweise gestreckt wirkt, während wichtigen Entwicklungen der Charaktere nicht genug Zeit gegeben wird – eine schöne Animation erzeugt leider nicht zugleich den benötigten Tiefgang.