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Quelle: themoviedb.org

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Im Untergrund von Berlin

Kritik

Die relativ neue Erlebnissportart Urban Exploration umfasst die private (meist gesetzwidrige) Erkundung von stillgelegten, schwer zugänglichen Gebäuden, Katakomben, Parks oder Versorgungsanlagen, mit dem Ziel längst vergessene, städtische Areale (wieder) zu entdecken. Eben dieses moderne Phänomen bietet den Ausgangspunkt für den deutsch/amerikanischen Genrestreifen „Urban Explorer“, der am diesjährigen FantasyFilmFest seine Deutschlandpremiere feierte und ab Oktober 2011 aufgeschlossene Horrorfans in einen Part Berlins entführen wird, den sie der Landeshauptstadt sicherlich nicht zugetraut hätten. Regisseur Andy Fetscher („Bukarest Fleisch“) und sein Team schufen den atmosphärischen Slasher, mit Mikrobudget und im Guerillastil, im ausgedehnten, real existierenden Tunnelsystem unter Berlin, welches sich angeblich bis in 50 Meter Tiefe erstreckt und so manches Relikt aus vergangenen Zeiten beherbergt.

Zwei unterschiedliche Touristenpaare – der US-Amerikaner Denis (Nick Eversman aus „Hellraiser: Revelations“) mit seiner südamerikanische Freundin Lucia (Nathalie Kelly aus „The Fast And The Furious: Tokyo Drift“) und die Französin Marie (Catherine de Léan) mit ihrer asiatischen Freundin Juna (Brenda Koo) – dringen gemeinsam mit ihrem deutschen Führer Kris (Max Riemelt aus „Napola“) in das weit verzweigte Tunnelsystem unter den Straßen Berlins vor, um den vor kurzem entdeckten Fahrerbunker von Hitlers Chauffeuren zu erreichen. Dieser neuentdeckte und, auf Grund der Angst vor Glorifizierung durch Neonazis, umgehend wieder zugemauerte Bereich des Tunnelsystems beherbergt nie gesehene Wandbemalungen und Reliquien aus der Zeit der rechten Herrschaft in Deutschland. Der beschwerliche Weg dorthin führt durch ein Labyrinth aus alten Gängen, überschwemmten Tunnelabschnitten und eingestürzten Schächten, vorbei an untergetauchten Verbrechern und ehemaligen Grenzen zwischen Ost- und Westdeutschland, bis hin zu unterirdischen Räumen voll alter Schutzanzüge und anderer Absonderlichkeiten. Der abenteuerliche Trip findet jedoch ein jähes Ende, als Kris, durch eine unbedachte Aktion von Marie, schwer verletzt wird und die Gruppe dadurch gezwungen ist sich aufzuteilen, um einerseits Hilfe zu holen und andererseits den Verletzten zu stabilisieren. Bald schon treffen die beiden Zurückgebliebenen auf Armin (ein entfesselter Klaus Stiglmeier, bekannt aus unzähligen Auftritten in deutschen TV-Produktionen), einen offensichtlich verwirrten ehemaligen Grenzposten aus der Zeit des kalten Krieges, der ihnen seine Hilfe anbietet. Die beiden Teenager folgen dem anfangs hilfreichen Einsiedler, mit dem bewusstlosen Kris im Schlepptau, in dessen unterirdisches Zuhause, was sich jedoch sehr schnell als schwerwiegender Fehler herausstellt, da der Grenzposten im Laufe der Zeit eine eigene Vorstellung von Gastfreundschaft entwickelt hat.

Was Andy Fetscher (Regisseur, Cutter und Kameramann in Personalunion) mit geringsten Mitteln aus dem unterirdischen Berlin hervorkitzelt ist einfach atemberaubend. Noch nie gesehene Aufnahmen, einer verwilderten und verwahrlosten Halbwelt aus Tunneln und Gängen, entwickeln, dank einer tollen Kameraführung, die immer mitten im Geschehen und trotzdem distanziert erscheint, eine ganz eigene klaustrophobische Atmosphäre. Die Aufnahmen der tatsächlich existierenden, unglaublich detaillierten Nazimalereien sind, für sich allein genommen, bereits mehr als einen Blick wert. Hinzu kommt, dass die gesamte Optik des Streifens eine Professionalität und Originalität verströmt, die vielen B-Movies aus Hollywood gut zu Gesicht stehen würde. An keiner Stelle wirken die gezeigten Bilder wie das Ergebnis billiger Handkameraaufnahmen, die derartige Produktionen ansonsten dominieren.

Doch Fetscher beschränkt sich nicht nur auf jene Vorteile, die ihm sein interessanter und neuartiger Drehort bietet. Auch die Wahl der Akteure wertet den Film auf. Durch ein weltweites Casting gelang es dem Filmteam gute und – noch wichtiger – authentische Darsteller zu finden, die jeweils der Nationalität angehören, die sie im Film porträtieren. Vor allem die beiden deutschen Akteure, Max Riemelt als Chef-Explorer und ganz besonders Klaus Stiglmeier, als irrer Killer ohne Erbarmen, stechen dabei hervor und sind eine wahre Entdeckung.

Zusätzlich zu den fesselnden Bildern, der düsteren Atmosphäre und den passenden Darstellern, ist „Urban Explorer“ auch spannungstechnisch durchaus gelungen. Die Inszenierung überzeugt durch die knackige, 90 minütige Laufzeit und die, dem Slasher-Genre ureigene, schnörkellose Stringenz der Handlung. Gemächlicher Spannungsaufbau, akzeptable Figureneinführung, (pseudo-)überraschende Wendung und der Auftritt eines brutalen, nahezu unsterblichen Killers.

Slashertypisch bietet Fetschers Streifen auch einige wirklich harte Szenen, die zu einem Vertreter dieses Subgenres einfach dazugehören und durchaus solide umgesetzt von der Leinwand triefen. An einigen Stellen schießen diese Sequenzen jedoch etwas übers Ziel hinaus, was sicherlich hauptsächlich daran liegt, dass man unnötigerweise die Torture-Porn-Gelüste der neuen Generation von Horrorfans befriedigen wollte. Deshalb unnötigerweise, weil „Urban Explorer“ diese übertriebenen (beinahe unfreiwillig komischen) Splatterszenen eigentlich nicht nötig gehabt hätte. Darsteller, Score (unter anderem mit Beiträgen der Band Knorkator), Setting, Atmosphäre, Kameraführung und Spannungsaufbau tragen den Film, wodurch Szenen, wie jene einer brutalen Häutung (Das Hemd ausziehen) einfach fehl am Platz wirken. Selbstzweck ist das Wort das dazu wohl am besten passt.

Etwas störend ist weiter auch, dass einige zuvor eingeführte Charaktere einfach sang- und klanglos aus dem Film verschwinden und dadurch recht offensichtlich die kilometergroßen Plotlöcher in Martin Thaus Drehbuch offenbaren. Das lässt sich zwar mit dem niedrigen Budget erklären, das zur Verfügung stand, fällt aber trotzdem unangenehm negativ auf. Natürlich ist das wiederum jammern auf hohem Niveau, da „Urban Explorer“ selbst im Vergleich mit höher budgetierten Hollywood-Reißern durchaus als gelungen bezeichnet werden kann. Im Bereich von Ultra-Low-Budget-Produktionen ist er somit mit Sicherheit einer der innovativsten und unterhaltsamsten Horrorbeiträge der letzten Jahre.

Regisseur Andy Fetscher erzählte am FantasyFilmFest 2011 von seinen Erlebnissen im Zuge der schwierigen Dreharbeiten zu „Urban Explorer“. Vom Dreh ohne Genehmigung und Sicherheitsteam. Von angeschossenen Beleuchtern und der Störung illegaler Untergrund-Raves. Von Verhaftungen, auf Grund gesetzwidriger Aufnahmen der Berliner U-Bahn und Attacken durch, in den Katakomben hausende Obdachlose. Eben diese Authentizität, diese spürbare Gefahr und den damit einhergehenden Mut zum Risiko, sieht man „Urban Explorer“ in jeder Minute Laufzeit überdeutlich an. Dadurch atmet der Film ein Berlin, wie es sich Horror- und Thrillerfans in ihren kühnsten Vorstellungen nur erträumen können und entschädigt für so manche Drehbuchschwäche und so manches Handlungsloch.

Fazit

„Urban Explorer“ ist ein, ohne Budget, Drehgenehmigungen und Annehmlichkeiten für Produktionsteam und Darsteller, im Untergrund Berlins gedrehter Slasherstreifen, der Craven und Carpenter vor Neid erblassen ließe. Nie gesehene Bilder der deutschen Hauptstadt, motivierte Darsteller, spannungsgeladene Atmosphäre und blutige Todesszenen in einem deutsch/amerikanisch produzierten englischsprachigen Genrefilm. Ein Slasher-Must-See mit einigen durchaus verzeihlichen Schwächen in den Bereichen Logik, Charakterentwicklung und (durchgängig nachvollziehbare) Handlungsfortschritte.

Kritik: Christoph Uitz

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