»Wofür ist Kunst gut, wenn man sie nicht wahrnimmt?«
Manchmal möchte man seinen Augen nicht trauen, welch unbegreifliche Bahnen die Karrieren mancher Regisseure eingeschlagen haben, nachdem diese ihr Talent zuvor mehr als deutlich unter Beweis gestellt haben. Dan Gilroy zum Beispiel: Legte der Kalifornier mit Nightcrawler – Jede Nacht hat ihren Preis noch eine gallige Medien-Satire vor, die sich zuvorderst über ihre entlarvende Erbarmungslosigkeit formulierte und tatsächlich das Vermögen mit sich brachten, den Zuschauer bis zu einem gewissen Grad zu verstören, folgte drei Jahre später mit Roman J. Israel, Esq. - Die Wahrheit und nichts als die Wahrheit nur noch eine relativ harmlose Themenabkupferung des beachtlichen Debütwerkes. Einen neuen Tiefpunkt erreicht das Schaffen Gilroys nun mit Die Kunst des toten Mannes, der passenderweise unter der Flagge des Streamingdienstes Netflix veräußert wird.
Passenderweise deshalb, weil Gilroy seine Geschichte in diesem Fall geradewegs in das Herz der Kunstszene von Los Angeles verlagert, in der sich Galeristen, Kuratoren, Journalisten und die Finanzelite gar nicht so sehr um die Wahrnehmung selbst scheren, sondern in erster Linie um den Handel damit. Diesen Sachverhalt könnte man nun natürlich auch mühelos auf Netflix übertragen, was allerdings in eine etwas zu bissig-bohrende Richtung führen würde. Die Kunst des toten Mannes würde sich auch gerne als Satire beschreiben, verpulvert sein satirisches Potenzial aber von vornherein in den naheliegendsten Plattitüden, die man mit der gockeligen Szene in Verbindung bringen kann: Canapés, Champagner, bisexuelle Kunstkritiker mit Hornbrillen und Kunstschaffende, die sich ehrfürchtig vor einem Haufen Müllsäcken verneigen, weil ihnen der Unterschied zwischen Abfall und Kreation nicht mehr bewusst ist. Wahnsinnig clever.
Nachdem sich Dan Gilroy, der auch das Drehbuch zu Die Kunst des toten Mannes verfasst hat, an dem von Profilneurosen geschwängerten Kosmos aus Vernissagen und ihren grell-bornierten Besuchern wie Betreibern ein Stück weit sattgesehen hat, mischt sich ein übernatürliches Motiv in die Narration des Filmes ein. Dieses versteht sich quasi als Gerechtigkeit-stiftende Stimme aus dem Jenseits und zieht jene zur Rechenschaft, die Ausstellungsstücke nur noch als Wertanlagen und weniger als musische, den eigenen Horizont erweiternde Schöpfung begreifen. In seinen besten Momenten schmiegt sich Dan Gilroy dabei an die Ästhetik des expressiven Giallo-Kinos, wenn Farben und Formen an Eigendynamik gewinnen, zur lebensbedrohlichen Macht verschwimmen und deutlich aufzeigen, dass es keine Kunst geben kann, wenn es nicht auch Tote gibt. Bereichernder wäre es aber, sich direkt The Stendhal Syndrome von Dario Argento zu Gemüte zu führen.
Die Kunst des toten Mannes sitzt fortwährend zwischen den Stühlen seiner eigenen Ambitionen. Vor allem aus dem Grund, weil Gilroys Regie die herausfordernde Schärfe vollständig abgeht. Die Frage, was den Filmemacher gerade daran gereizt hat, sich mit der Kunstszene von Los Angeles zu beschäftigen, kann er ebenso wenig belegen, wie seine Wut dahingehend, dass die Kunst selbst immer mehr den Mühlen des dekadenten Kapitalismus zum Opfer fällt. Die demaskierende Strahlkraft nimmt sich dementsprechend schnell selbst den Wind aus den Flügeln, geht es Gilroy eben nicht darum, Hintergründe zu erläutern und die ökonomischen Strukturen des Milieus, welches längst einem sich selbst zerfleischenden Basar der Affektiertheiten gleichkommt, herauszuarbeiten. Dan Gilroy belässt es beim allzu Erwartbaren, beim Handzahmen, kann sich dabei aber immerhin auf einen blendend aufgelegten Jake Gyllenhaal (Southpaw) verlassen.