Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs unternimmt die Musikjournalistin Ruth gemeinsam mit ihrem Vater Edek, einem Holocaust-Überlebenden, eine Rundreise durch dessen Heimatland Polen. Ihr Weg führt sie nach Warschau, Łódź, Krakau und ins Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau. Ruth will die eigenen Wurzeln kennenlernen und die Vergangenheit ihrer Familie erkunden. Edek, der damals die Entscheidung traf, Polen für immer zu verlassen und mit der Vergangenheit abzuschließen, begleitet seine Tochter vor allem, um ein Auge auf sie zu haben.
Eines muss man Julia von Heinz‘ (Und morgen die ganze Welt) semi-biografischem Berlinale-Beitrag lassen: Die beiden Hauptfiguren sind kongenial besetzt mit Stephen Fry und Lena Dunham (Sharp Stick), die während der langen, langen Laufzeit des redseligen Road Movies tun, was sie am besten können. In Frys Fall ist das einmal mehr den unverdrossenen Lebemann geben. Sein Edek Rothwax ist unter dem Pullover mit eingetrockneten Eigelb-Flecken und einem Akzent so dick aufgetragen, dass er nach der Parodie eines solchen klingt, der schlagfertige Dandy.
Sein Leinwandcharakter kann noch so oft betonen, er sei New Yorker. Den nimmt man ihn noch weniger ab als den polnischen Holocaust-Überlebenden, der sein Trauma hinter Gleichgültigkeit versteckt. Damit hadert Tochter Ruthie, die krankhaftes Übergewicht und jede Menge Kindheitskonflikte mit sich herumschleppt. Auf einer Reise nach Łódź kommt die Journalistin ihrer Familiengeschichte näher - und ihrem Vater. Dass der emotionale Endpunkt von der ersten Szene an fest steht, ist noch nichtmal das entscheidende Manko der Romanadaption.
Die ist Abschluss derAftermath-Trilogie, in der die Regisseurin sich mit deutscher Geschichte auseinandersetzt. Doch der im Handlungsjahr 1991 noch präsentere Schmerz und Schrecken dient lediglich dazu, den humorig angehauchten Zwistigkeiten zwischen Vater und Tochter geschichtliche Gravitas zu geben. Der Fokus auf Ruthies Befindlichkeiten marginalisiert Edeks Leiden, während Dunham sich mit charakteristischer Egozentrik in den Vordergrund drängt. Ironischerweise spiegelt das die Selbstfixierung ihrer Leinwandfigur, die wiederum der Selbstdarstellung von Vorlagen-Autorin Lily Brett dient.
Fazit
Als distanziertes Protagonisten-Duo Julia von Heinz‘ Leinwandversion des BestsellersToo Many Menspielen Dunham und Fry ihre Routine-Rollen, jeweils für sich statt miteinander. Fry tut das recht unterhaltsam, Dunham aufdringlich. Herausfordernde Themen wie generationsübergreifende Traumata, anhaltender Antisemitismus und verweigerte Rückerstattung ignoriert die sentimentale Story, deren Darstellung des postsowjetischen Polens in Klischees versackt. Ähnlich abgegriffen sind die Gags und die aufgesetzt wirkenden Dialoge. Glaubwürdig ist einzig das Setting, dessen kalte Tristesse die markanten Kamerabilder unterstreichen.
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