Mein gestohlenes Land folgt im Wesentlichen zwei Handlungssträngen: Einerseits begleitet die Kamera den Aktivisten Paúl Jarrín, der in Molleturo im Südwesten Ecuadors die Proteste gegen das Minenprojekt Río Blanco mitführt. Andererseits zeichnet die Dokumentation den Weg des Journalisten Fernando Villavicencio nach, der die dubiosen Deals der Regierung öffentlich machen will – und dafür zeitweise nicht nur um seine Karriere, sondern auch sein Leben fürchten muss.
Der hauptsächliche Fokus der Dokumentation liegt darauf, Akteure wie Jarrín und Villavicencio selbst zu Wort kommen zu lassen. Einen Erzähler mit eigener Tonspur gibt es nicht, zusätzlicher erklärender Kontext wird lediglich als Text eingeblendet.Das erzeugt über weite Strecken ein Gefühl von ungefilterter Nähe, die an vielen Stellen noch durch Kameraführung und verwendetes Material unterstützt wird: So finden sich in Mein gestohlenes Land wackelige Aufnahmen von Handkamera und Handy, die teils halb aus dem Verborgenen gefilmt worden sind, oder das fahrige, schlecht ausgeleuchtete Video eines Polizeieinsatzes.
Gerade die nächtlichen Aufnahmen eines besetzten Minencamps sorgen beim Sehen für Beklemmung – denn im Hintergrund fallen Schüsse, die Bedrohung in diesen Sequenzen ist schmerzhaft real.Das roh anmutende Material kontrastiert mit ruhig durchkomponierten Landschaftsaufnahmen und harmonischen Kamerafahrten, für die der Film sich immer wieder erfreulich viel Zeit nimmt. Auch bei diesen Einstellungen setzt Mein gestohlenes Land auf kühle, entsättigte Farbtöne, die ebenfalls zum Eindruck authentischer Unmittelbarkeit beitragen. Zugleich wirken sie wie ein bewusster Kontrapunkt zu den teils hektischen Bildern der Proteste: Der Blick über endlose Berggipfel und ein reinweißes Wolkenmeer führt demonstrativ die Schönheit der bedrohten Natur vor Augen und unterstreicht damit die Dringlichkeit der Aktivitäten.
Handwerklich versteht sich Mein gestohlenes Land also schon einmal darauf, schon durch filmische Mittel emotionale Nähe zu Thema und Akteuren aufzubauen.Etwas zu kurz kommt demgegenüber aber eine systematische Einordnung der Zusammenhänge. So werden nicht alle Schauplätze und Akteure räumlich und zeitlich verortet, und der schmerzhaft nahe, aber eben schlaglichtartige Blick auf die Proteste verzichtet auf ein nuancierteres Gesamtbild.
Die Minengesellschaft bleibt größtenteils ein diffuser, gesichtsloser Gegner (eine wohl bewusst gewählte und emotional durchaus wirksame Darstellung), teils analog zu China als antagonistischer Kraft, deren Anwesenheit als problematisch etabliert wird, ohne dass dies näherer Ausführung bedarf. Dieser Fokus lässt allerdings konkrete Auswirkungen, Konflikte und Spaltungen in der Bevölkerung vor Ort weitgehend unsichtbar und deutet sie bestenfalls vage an.
Dass großflächige Konzessionen an internationale Konzerne, Ressourcenraubbau und damit verbundene Umweltverschmutzung ein Problem in zahlreichen Ländern Lateinamerikas sind, thematisiert der Film beispielsweise nur ganz am Rande, wenn ein Aktivist es in seiner Rede erwähnt. Natürlich hat Mein gestohlenes Land mit den zweifelhaften Abkommen zwischen Ecuador und China ein klares Thema und damit einen roten Faden, dem es auch zu folgen gilt. Doch durch das konsequente Ausblenden von komplexeren strukturellen Zusammenhängen entsteht teilweise der Eindruck, alles an der porträtierten Situation sei spezifisch ein Problem Ecuadors, der ehemaligen Correa-Regierung und der Abkommen mit China.
Auch in anderen Zusammenhängen bleibt die Dokumentation leider vage bis stark vereinfachend. Innenpolitische Konflikte Ecuadors unter Correa oder die Rolle des vom brasilianischen Odebrecht-Konzern ausgehenden Korruptionsskandals etwa werden vollkommen ausgeblendet und damit auch ihr Anteil an geschilderten Entwicklungen.Auch die indigene Gemeinschaft Sarayaku, wo der Journalist Villavicencio zeitweise Unterschlupf findet, erfährt ebenfalls leider kaum weiterführende Einordnung (hier wird seit vielen Jahren Widerstand gegen Erdölkonzerne geleistet), die ihre Rolle und Agency besser erfassbar macht.