Nein, das Kino, für das David Ayer (Street Kings) seit jeher einsteht, ist fraglos keines, welches die Zeiten überdauern wird. Seine größte Leistung ist nach wie vor immer noch sein Drehbuch zum Oscar-prämierten Training Day – und das letztlich auch nur, weil er den Film nicht selber inszeniert hat, sondern den Regieposten an Antoine Fuqua (The Equalizer) abtreten musste. Inzwischen aber hat sich Ayer nicht nur grimmigen Genre-Reißern wie Harsh Times, End of Watch oder Sabotage einen (zweifelhaften) Namen gemacht. Auch im hochbudgetierten Blockbusterkino konnte er mit Herz aus Stahl, Bright und Suicide Squad mitwirken. Bedeutsam ist davon kein Werk, aber sie werden dort interessant, wo verklärte Männlichkeitsbilder (vermutlich ungewollt) Risse zeigen. Oftmals geht es um maskuline Traurigkeit, gleichermaßen selbstbemitleidend wie entlarvend. Toxische Romantik.
Sein neuster Streich, The Tax Collector, ist nach Bright und Suicide Squad nun quasi eine Rückkehr zu den Wurzeln. Zurück in das ausweglos-abgründige Crime-Gefilde von Los Angeles, zurück auf die Straßen, wo sich Gangster bis aufs Blut bekriegen, letztlich aus dem Grund, um ihrer Familie ein Leben ohne Sorgen zu ermöglichen. Man sollte annehmen, dass es einem Regisseur wie David Ayer eigentlich gut tun würde, sich ein Stück weit vom engmaschigen, bevormundenden Studiosystem Hollywoods distanzieren zu können, um seine ganz eigene, freidrehende Vision umzusetzen. The Tax Collector allerdings ist der Tiefpunkt im Schaffen Ayers. Nicht einmal mehr als Unfall zu feiern, der in seinem Scheitern eine gewisse Faszination entfesselt. Und darüber darf man sich durchaus bestürzt zeigen, hatte David Ayer doch eigentlich das Zeug, zum ungekrönten Prollkönig der heutigen Action-Kinos aufzuzeigen.
Stattdessen aber begräbt er sich selbst. Schon wieder, wenn man so möchte. In diesem Fall allerdings wird auch für David Ayer-Verhältnisse ein neues Level des schöpferischen Dilettantismus erreicht, der weit darüber hinaus geht, dass die klischeeversuchte Geschichte, die Ayer hier zu Papier gebracht hat, eine Lektion in Sachen generischem Genre-Einheitsbrei ist. The Tax Collector erweckt auch das Gefühl, dass Ayer es vollkommen verlernt hat, halbwegs greifbare Charaktere zu formen, die der Handlung durch ihre verrohte Lebendigkeit Dynamik schenken. Natürlich war Ayer nie der Filmemacher, der wirklich Gespür dafür besaß, die Persönlichkeitsstrukturen seiner Protagonisten feingliedrig herauszuarbeiten. Aber er hat es geschafft, widersprüchliche, brachiale Figuren zu kreieren, die durch ihre Wut, ihren Nihilismus, ihre Todessehnsucht (Paradebeispiel: Sabotage) imstande waren, den Zuschauer zu einer emotionalen Reaktion zu zwingen. Und sei es nur die reine Abneigung.
The Tax Collector hingegen zieht in seiner allumgreifenden Unbeholfenheit vollkommen am Zuschauer vorbei. Nicht nur die Actionsequenzen verbleiben ohne jeden Ansatz von Wucht und Dringlichkeit, der Film selbst sieht ähnlich schmucklos aus wie die heruntergedrehten Ostblock-Heuler, für die Steven Seagal (Zum Töten freigegeben) seit Jahren sein aufgeschwemmtes Gesicht hergibt. The Tax Collector ist ein hässlicher, ein räudiger Film. Nur eben nicht auf der inhaltlichen Ebene, wo David Ayer sonst gerne seine menschenverachtenden Bestien auferstehen ließ. The Tax Collector ist ein Film ohne Stil. Ohne visuelles Konzept. Unanschaubar billig. Gleiches gilt auch für die Darsteller, deren Laientheater perfekt zur Story passt, die den geringsten Aufwand für etwas aufbringt, was letztlich ohnehin nur Allgemeinplätze und die Verschlagwortung von Emotionen umfasst. Ein 12-Jähriger hätte das vielleicht besser hinbekommen.
Die größte Frechheit jedoch ist Shia LaBeouf (Nymphomaniac). Nicht falsch verstehen, der Mann ist sicherlich einer der interessantesten Schauspieler seiner Generation und wird gefühlt von Film zu Film ausdrucksstärker. In The Tax Collector steht er in Sachen Charisma aber nicht nur allein auf weiter Flur. Sein Creeper, der Mann fürs Grobe, den David Ayer in den ersten 30 Minuten gerne mythologisch überhöht („The Devil“), wird vom Film vollkommen fallen gelassen. Es gibt nicht eine Szene, in der The Tax Collector auch nur den Funken Engagement aufbringt, um einen Blick hinter die Kulisse dieses grausamen Menschen zu wagen. Passend dazu erweist sich der Umstand, dass LaBeouf seinen Oberkörper extra für den Film hat tätowieren lassen – die komplette Laufzeit über aber im bis zum Hals zugeknöpften Anzug herumläuft. Das ist schon beinahe subversiv, wenn es nicht so unerträglich lächerlich wäre.