Obwohl er als einer der wichtigsten US-amerikanischen Filmregisseure bezeichnet werden kann, ist die Karriere von Michael Cimino (Der Sizilianer) auf beispiellos unverdiente Weise mehr oder weniger sogar als gescheitert zu betrachten. Nach seinem großartigen Debüt Die Letzten beißen die Hunde (1974) folgte sein gefeiertes wie gleichzeitig kontrovers aufgenommenes Überwerk Die durch die Hölle gehen, 5facher Oscargewinner des Jahres 1979. Die Welt lag ihm zu Füßen und das wurde sein Verhängnis, als er sich bei seinem Folgefilm zu viel traute. Die desaströse Geschichte von Heaven’s Gate – Das Tor zum Himmel ist wahrscheinlich vielen bekannt und auch wenn der Film heutzutage längst rehabilitiert ist und ein Opfer der damaligen Fehlwahrnehmung, Cimino konnte sich davon nie wieder erholen. Selbst der brillante Comeback-Versuch Im Jahr des Drachen konnte daran nichts ändern. Der Ruf war ruiniert, der angerichtete Schaden zu groß. Danach drehte er nur noch drei Filme. Dieser, Sunchaser, sollte mit gerade mal 57 Jahren und 20 Jahre vor seinem Tod seine letzte Arbeit bleiben. Und bezeichnend für den harten Absturz: Es ist mit Abstand sein schwächster Film.
Woody Harrelson (Three Billboards Outside Ebbing, Missouri) beweist schon in dieser noch recht frühen Phase seiner immer besser werdenden Karriere seine enorme Wandlungsfähigkeit. Als selbstherrlicher, Porsche-fahrender und um 2-Millionen-Dollar-Villen mitbietender Arzt Dr. Reynolds bewegt er sich weg von seinem damals eher verwendeten Raubein- und Cooler-Typ-Image. Er bekommt die undankbare Pflichtaufgabe zugeschanzt, ein 16jähriges, wegen mehrfachen Mordes verurteiltes Gang-Mitglied indianischer Abstammung zu behandeln, das im Endstadium an Krebs erkrankt ist. Brandon bzw. „Blue“ (Jon Seda, Bad Boys II) ist für ihn der personifizierte Albtraum. Eine Gestalt, wie er sie nur aus den Abendnachrichten kennt. Skrupellos, perspektivlos, dem alles scheißegal ist, weil er immer jedem scheißegal war. Ein eiskalter Killer, der ohnehin nie etwas zu verlieren hatte und mit dieser Diagnose erst recht nicht. Statt sich seinem Schicksal zu fügen entledigt sich Blue bei einer Überführung seines Bewachers und entführt Reynolds, um mit ihm als Geisel einen Roadtrip der besonderen Art zu starten. Das Ziel: Ein heiliger Berg in Shiprock, Arizona, wo er sich von einem mächtigen Medizinmann die wissenschaftlich als völlig ausgeschlossen geltende Rettung erwartet.
Es gibt zwei Dinge in diesem Film, von denen Michael Cimino nachweislich viel versteht, die hier eindeutig zu den Stärken zählen und die eine Weile die Hoffnung am Leben halten, dass auch sein letztes Werk zu Unrecht unter den Tisch der öffentlichen Wahrnehmung fiel. Das wären die teilweise malerischen, romantisch geprägten Aufnahmen der USA; die die wilde, rohe, wie unglaubliche schöne Ader, aber im Kern auch die melancholisch-vergängliche Seite dieses Landes aufzeigen. Und da wäre die Darstellerführung. Ein Händchen für mutige, aber exzellente Schauspielerentscheidungen, was sich mit dem eigentlich gegen den Strich besetzten Woody Harrelson hervorragend auszahlt. Noch überraschender, denn heute dürfte die Klasse von Harrelson das nicht mehr sein, ist die Leistung des nie wirklich hervorgestochenen Jon Seda…der beharrlich gegen seine physische Fehlbesetzung und die schauderhaften Figurenzeichnungen anspielt, mit denen Sunchaser am Ende beinah jeden Kredit gnadenlos verspielt.
Natürlich lässt sich schon drei Meilen gegen den Wind riechen, worauf die Angelegenheit hinlaufen soll. Zwei absolut gegensätzliche Charaktere werden gezwungenermaßen eng miteinander verbunden, lernen sich auf ihrer turbulenten Reise näher, tiefer kennen und vergessen am Ende alle ihre Vorurteile bzw. zeigen ihre so lange vergrabenen, sensible Seite. Summa summarum: Sie werden bessere Menschen und ganz nebenbei noch dicke Freunde. Ist nicht neu, auch nicht zwingend gut, aber kann man wohl gelegentlich machen, nur so wie das hier aufgetischt wird grenzt das besonders gen Ende an Selbstaufgabe. Die Darsteller können mit ihren Qualitäten eine Weile noch über diverse Klischees und eine seichte wie wahnsinnig formelhafte Plotentwicklung hinwegtrösten, wobei doch von ersten Moment ernsthaft bezweifelt werden darf, dass Jon Seda hier einen 16jährigen verkörpern soll. Zum damaligen Zeitpunkt – deutlich!- zehn Jahre älter. Ist speziell in US-Filmen kein neues Phänomen, aber DAS nickt doch wirklich niemand einfach so ab. Allerdings in der Tat nicht mehr als ein „Schönheitsfehler“, richtig bitter wird Sunchaser in seinem lächerlichen, nie richtig glaubhaften, im Hauruck-Verfahren praktizierten Vom-Saulus-zum-Paulus-Turnaround, bei dem wir uns mit absurden Holzhammer-Methoden und Dialogen herumschlagen müssen, was zu allem Überfluss in einem Esotherik-Kitsch-Finale vom aller Feinsten mündet, was die Chose ab dem Punkt nahezu unerträglich macht.