Inhalt
Die Amerikanerinnen Hanna (Julia Garner) und Liv (Jessica Henwick) sind beste Freundinnen, die mit dem Rucksack in Australien unterwegs sind. Als ihnen das Geld ausgeht, überredet Liv auf der Suche nach einem Abenteuer Hanna, einen vorübergehenden Job hinter der Bar eines Pubs namens „The Roval Hotel“ in einer abgelegenen Bergbaustadt im Outback anzunehmen. Der Barbesitzer Billy und eine Reihe von Einheimischen geben den Mädchen eine ausgelassene Einführung in die Trinkkultur von Down Under, doch schon bald finden sich Hanna und Liv in einer beunruhigenden Situation wieder, die ihnen schnell entgleitet.
Kritik
“You have to be okay with some male attention”, erklärt eine Arbeitsvermittlerin Hanna (Julia Garner, Inventing Anna) und Liv (Jessica Henwick, Cuckoo), denen beim Urlaub in Sydney das Geld ausgegangen ist. Die Szene wirkt wie ein unterschwelliges Bindeglied zwischen Kitty Greens präzisem Debüt, das die Mechanismen sexueller Ausbeutung und misogynen Machtmissbrauchs in einem Weinsteinesken Produktionsstudio untersuchte, und ihrem zweiten Spielfilm. Die kondensierte Mischung aus Milieustudie und Psychothriller beobachtet chauvinistische Aggression und sexualisierte Bedrohung in einem denkbar anderen Umfeld.
Der verkommene Titelschauplatz in einem abgelegenen Bergarbeiterkaff ist mittlerweile Kneipe und Diner für die Kumpel und Anwohner, für die wechselnde weibliche Barkeeper die einzige Attraktion sind. Mikroaggressionen, übergriffiges Verhalten und anzügliche Kommentare gelten als Teil des Jobs und Inhaber-Paar Billy (Hugo Weaving, Koala Man) und Carol (Ursula Yovich, Australia) braucht die Stammkundschaft. Während Hanna als prüde Spaßbremse gehänselt wird, weil sie Grenzen zieht, ist ihre freimütige Reisebegleiterin populär bei den Gästen. Jene sind weniger Individuen als patriarchalische Prototypen.
Der junge Matty (Toby Wallace, Bikeriders) ist der emotional manipulative Charmeur, Teeth (James Frecheville, Masters of the Air) ist der anhängliche Loser mit gewalttätigen Besitzansprüchen, Dolly (Daniel Henshall, Savage Rider) der joviale Soziopath. Umgeben von der endlosen Leere des Outbacks werden die klaustrophobischen Kulissen zum überdeutlichen Sinnbild einer archaischen Macho-Kultur, die das Arbeiterklasse-Pendant des in The Assistant analysierten Mittelschicht-Mikrokosmos darstellt. Das Ende, das die Regisseurin und ihr Co-Drehbuchautor Oscar Redding (Van Diemen's Land) dem zudenken, ist in seiner plakativen Symbolik indes ebenso konstruiert wie kalkuliert.
Fazit
Weniger geschliffen als in ihrem exzellenten Erstlingswerk, jedoch dank der dynamischen Darstellungen und stimmungsvollen Szenerie dennoch effektiv, imaginiert Kitty Green ihre patriarchalische Parabel als Psychothriller. Dessen antiklimaktischer Plot und bühnenhaftes Szenerie erschließen sich leichter als notwendige Mittel der Exposition soziologischer Muster und psychologischer Typologien. Die Spannung wächst nicht aus klassischen Krimi-Szenarien, sondern der Atmosphäre unterschwelliger Bedrohung und dem subtilen Grauen normalisierter Menschenverachtung. Welche Rolle ökonomische Zwänge und Klassenstrukturen darin spielen, übersieht das konfrontative Konstrukt indes.
Autor: Lida Bach