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Inhalt

Tasmanien 1825: Für die junge irische Gefangene Clare ist das Leben in der australischen Strafkolonie die Hölle. Als Leibeigene von Leutnant Hawkins ist sie permanentem Missbrauch ausgesetzt und muss schließlich sogar mitansehen, wie ihre Familie grausam ermordet wird. Getrieben von ihrem Wunsch nach Vergeltung, will sie ihre Peiniger zur Strecke zu bringen. Unterstützt wird Clare dabei von einem einheimischen Fährtenleser, mit dem sie das Schicksal der Entrechteten und ihren Durst nach Rache teilt ...

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Quelle: themoviedb.org

Kritik

Noch während der Abspann von The Nightingale – Schrei nach Rache bei seiner Premiere auf den letztjährigen Filmfestspielen von Venedig über die Leinwand rollte, fühlte sich ein Vertreter des männlichen Geschlechts aus dem Publikum dazu berufen, sein Wort geradewegs an Jennifer Kent (Der Babadook) zu richten: „Shame on you, whore, you're disgusting!“, hieß es dort. Sie solle sich schämen, diese widerliche Hure. Bezeichnend ist dabei nicht nur der Umstand, dass es neben Jennifer Kent keine weitere Frau in den prestigeträchtigen Wettbewerb auf dem Lido der malerischen Lagunenstadt geschafft hat. Noch schwerwiegender erscheint die Erkenntnis, dass sich die historischen Zustände, die The Nightingale – Schrei nach Rache über mehr als 130 Minuten porträtiert, in der Gegenwart offenkundig kaum verändert haben.

Jennifer Kent verlegt das Szenario von The Nightingale – Schrei nach Rache in das Tasmanien des Jahres 1825, um sich mit einem Thema zu beschäftigen, welches gerade in Europa kaum (noch) Beachtung findet: Die britische Kolonialgeschichte. Im Zentrum der Handlung steht Clare (Aisling Franciosi, Game of Thrones), eine irische Strafgefangene, die aufgrund eines Diebstahldelikts nach Australien verschleppt wurde und dort ihr Dasein als nahezu rechtloses Freiwild fristen muss. Hier wird ihr vom englischen Leutnant Hawkings (Sam Claflin, Die Tribute von Panem – Catching Fire) für die Gegenleistung von sexuellen Gefälligkeiten seit Monaten die Freiheit versprochen. Ihrem Ehemann (Michael Sheasby), mit dem sie ein Baby hat, erzählt sie von den Übergriffen nichts, weil sie weiß, dass seine Wut nur für neue Probleme sorgen wird.

Nach einer halben Stunden Laufzeit allerdings kommt es zum Desaster: Clare wird vor den Augen ihres Mannes mehrfach missbraucht, um dann mit ansehen zu müssen, wie Hawkings und seine Männer (u.a. besetzt mit Once Upon a Time in Hollywood-Star Damon Herriman) erst ihren Mann und dann ihre Tochter töten. Was sich daraufhin entwickelt, lässt sich in gewisserweiße mit dem etwas über Gebühr gefeierten Debüt Der Babadook von Jennifer Kent vergleichen: Verlust, Trauer und Angst sind immer noch die besten Triebfedern, um Menschen zu Monster verkommen zu lassen. Clare begibt sich zusammen mit dem Aborigine Billy (Baykali Ganambarr) auf die Jagd nach Hawkings und Co. und muss dafür in die Wildnis des tasmanischen Hinterlandes eindringen, wo sich die Verheerungen von Genozid, Okkupation und Unterdrückung hinter jeder Waldbiegung entladen.

Jennifer Kent beweist mit The Nightingale – Schrei nach Freiheit ein außerordentlich versiertes Gespür für das von Gewalt durchdrungene Klima einer historischen Ära, das vordergründig für die Gründung eines Landes stand, sich in Wahrheit aber in Ausbeutung und Massenmord verausgabte. Dabei bedient sie vorerst das klassische Vergeltungsnarrativ obligatorischer Rape & Revenge-Vertreter, vermeidet es aber zumeist geschickt, sich auf die exploitative Identität dieses Subgenres einzulassen. Die Gier nach Rache, mag sie auch noch so nachvollziehbar sein, unterliegt hier keiner moralischen Sinnhaftigkeit, sondern schafft nur noch größere Verletzungen innerhalb der Charaktere. Dass Clare und Billy auf ihrer entbehrungsreichen Reise von dem gleichen Zorn (zu Anfang noch gegeneinander gerichtet) getrieben werden, ist eine durchaus clevere und greifbare Herangehensweise an den britischen Kolonialismus und die soziopolitischen Verstrebungen seiner Opfer untereinander.

Die Gründungsmythen, die es nicht nur in den Vereinigten Staaten und dem eigens dafür erschaffenen Genre des Western zu entdecken gibt, sind auch in Australien nicht mehr als die schönmalerischen Illusionen weißer Unterdrücker. The Nightingale – Schrei nach Rache gibt sich stilistisch gleichermaßen kompromisslos wie kontemplativ. Die Verwahrlosung einer Epoche, in der Menschen entmündigt und zu Eigentum erklärt wurden; in der ihnen ihr Land, ihre Familie, ihre Menschlichkeit entrissen wurden, dräut hier in jeder Einstellung – und Jennifer Kent gibt diesen archaischen Emotionen den nötigen Raum, um sich zu entfalten. Gerade für die Leidensgeschichte der Ureinwohner nimmt sich der Film Zeit und unterstreicht als historischer Horrorfilm noch einmal, dass die wahren Schreckensgestalten immer in der Realität zu entdecken sind.

Dennoch gelingt es Jennifer Kent nicht, The Nightingale – Schrei nach Freiheit gänzlich vor (kolonialistischen) Klischees zu bewahren. Denn obgleich sich der nötige Raum eingestanden wird, um das Leid der indigenen Völker zu verdeutlichen, gibt sich Kent mehrfach der Darstellung „spiritueller Wilder“ hin, die den Film nicht zerstören, in Anbetracht des ausgeprägten Anspruchs auf Authentizität (gerade im Hinblick auf kulturelle Identitäten) aber ein Stück weit kitschig erscheinen. Auch die Persönlichkeitsstruktur von Leutnant Hawkings begreift sich als simplistisch und eindimensional, bleibt seine einzige Aufgabe doch, ein mörderisches Arschloch zu sein, welches man mit Biegen und Brechen noch als Produkt seiner Zeit deuten darf. Abseits jener plakativer Querschläger aber ist Jennifer Kent hier ein eindringlicher, grausamer und in dieser Art und Weise womöglich notwendiger Film gelungen.

Fazit

Einen gewissen Formalismus kann man Jennifer Kent sicherlich vorwerfen, nicht zuletzt aufgrund des 4:3-Bildformats. Auch ergießen sich gewisse Charakterprofile in eindimensionalen Persönlichkeitsstrukturen und erfahren zu selten spannende Brüche. Dennoch ist "The Nightingale – Schrei nach Rache" ein eindringlicher, grausamer, ungemein stimmungsvoller und in dieser Form wohl notwendiger Film über den britischen Kolonialismus und seine Verheerungen. Eine unangenehme Seherfahrung.

Kritik: Pascal Reis

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