Hoch gelobt und tief gefallen. So in etwa lässt sich der filmische Werdegang von Regisseur Neil Marshall bis dato zusammenfassen. Nach seinen beiden Filmen Dog Soldiers sowie The Descent galt der gebürtige Brite für nicht wenige als Hoffnungsträger im Horrorbereich. Obwohl seine beiden darauffolgenden Filme Doomsday (eine klasse Verbeugung vor dem postapokalyptischen Endzeitfilm der späten 70er- bzw. 80er-Jahre) und Centurion (der uns ins kalte, raue und brutale Britannien des Jahres 117 n. Chr. entführte) nicht schlecht waren, floppten sie am Box Office. Es folgten mehrere Abstecher in die Serienlandschaft bei denen Marshall u. a. für Formate wie Black Sails, Westworld, Hannibal als auch Game of Thrones einzelne Folgen inszenierte. Mit Hellboy - Call of Darkness kehrte er schließlich zum Film zurück, wobei die Comicverfilmung am Box Office kaum mehr als die Produktionskosten einspielen konnte. Über seinen bis dato vorletzten Film The Reckoning, einen im tiefen Mittelalter angesiedelter Hexenfilm, hüllt man am besten den Mantel des Schweigens.
In seinem neuesten Werk The Lair möchte uns Marshall nun die wahren Hintergründe dafür nennen, wieso die USA im Jahr 2017 eine MOAB (mother of all bombs) über einem Gebiet in Afghanistan abwarfen. Ein Vorfall, der tatsächlich geschehen ist und nun um phantastische Elemente ergänzt wird. Damit wandelt Marshall auf den Pfaden von Werken wie Devil's Pass, der ebenfalls wahre Begebenheiten aufgreift, um sie mit reichlich Fiktion auszuschmücken. Um uns die tatsächlichen Geschehnisse vor Augen zu führen, kehrt Marshall zu seinen monstergestützten Anfängen zurück. Als Horrorfan stimmt einen dies erst einmal hoffnungsvoll, da es dem britischen Regisseur womöglich dazu verhilft, sich auf alte Stärken zu besinnen. Zumal The Lair im Hinblick auf die Zutaten gar nicht so weit von seinen eigenen Werken Dog Soldiers sowie The Descent entfernt ist. So haben wir u. a. schwer bewaffnete SoldatInnen, Isolation, ein Teil der Schauplätze ist unter der Erde gelegen, schwach ausgeleuchtete Areale und es gibt natürlich tödliche Kreaturen. Was kann da also bitte falsch laufen? Ziemlich viel!
Insbesondere wenn man The Lair an Marshalls ersten drei, vier Regiearbeiten und nicht etwa an Produktionen aus dem Hause The Asylum* messen möchte, dürfte die Enttäuschung groß sein. Es wirkt fast so, als ob der Brite vergessen hätte, wie genau er seine stimmungsvollen (Horror)Filme dereinst überhaupt inszeniert hat. Auf das niedrige Budget lässt es sich jedenfalls nur sehr bedingt schieben, denn die Defizite liegen definitiv andernorts. Die Probleme gehen bereits damit los, dass das Potenzial des Settings komplett verschenkt wird. Denn nach einem kurzen bleihaltigen Intermezzo mit afghanischen Kämpfern in der staubigen Wüste Afghanistans verschlägt es die Hauptfigur Kate (Charlotte Kirk, The Reckoning) relativ fix in die dunklen Gewölbe eines russischen Bunkers. Da es Marshall jedoch versäumt, die militärische Anlage adäquat in Szene zu setzen, kommt es in den Gemäuern zu weit weniger stimmungsvollen Momenten, als einem lieb wäre. Die passenden Kulissen wären zwar prinzipiell vorhanden, allerdings lässt man uns kaum Zeit, die Umgebung zu erkunden, wodurch die Szenerie der Chance beraubt wird, ihre volle Wirkung zu entfalten.
Anstatt die düsteren Gänge bedächtig zu durchstreifen und uns Stück für Stück Spuren einstiger Experimente vor Augen zu führen, um dadurch gezielt Spannung sowie Interesse aufkommen zu lassen, werden wir regelrecht durch die unterirdische Kulisse gehetzt. Dadurch fällt es zudem schwer, ein Gefühl für Räumlichkeit innerhalb der Anlage zu bekommen. Für klaustrophobische Sequenzen bleibt da ebenfalls keine Zeit. Nicht minder überstürzt fällt die erste Bekanntschaft mit den Monstern aus. Frei von jeglicher erwähnenswerten Heranführung bekommen wir die Viecher gemäß dem Motto „ihr wollt sie, da habt ihr sie“ im wahrsten Sinne des Wortes vor die Füße geworfen. Kate schafft es aus dem Bunker zu entkommen und landet kurz darauf in einem kleinen, provisorischen (wenig ansehnlichen) Stützpunkt der US Army. Natürlich wird ihr Bericht als Fantasterei abgetan. Der Armeestützpunkt selbst wird mehr oder minder ausschließlich von lächerlichen Pappnasen, die obendrein zumeist bloß grenzdebilen Blödsinn von sich geben, bevölkert. Noch schlimmer ist da nur die Darstellung der afghanischen Kämpfer, die dann, wenn das Drehbuch sie eben braucht, in Erscheinung treten dürfen.
Diese werden bis auf eine Ausnahme durch die Bank weg als gesichtsloses, höchst unfähiges, säbelrasselndes Kanonenfutter mit dem tiefen Drang, ein Video davon zu drehen, wie sie einen amerikanischen Soldaten köpfen, dargestellt. Ganz, ganz fürchterlich. Zudem ist der komplette Cast des Films eine einzige große Enttäuschung. Allen voran Kirk, die wie bereits in The Reckoning einmal mehr unter Beweis stellen darf, wie wenig sie vom Schauspielhandwerk versteht. Dass sie die Hauptrolle nur deshalb bekleidet, weil sie nun mal die Lebensgefährtin von Marshall ist, dürfte außer Frage stehen. Was man The Lair noch zugutehalten könnte, ist, dass es abgesehen von einigen dialoglastigen Momenten im Mittelteil relativ viele Actionszenen gibt. Dies jedoch verbunden mit einem großen ABER. Zumeist besteht die Action nämlich lediglich aus stupider, uninspiriert in Szene gesetzter Ballerei, die mit der Zeit regelrecht anödet. Manchmal dürfen auch die Monster zulangen, was zumindest teilweise mit blutigeren Szenen einhergeht. Ausufernd brutal geht es dabei allerdings nicht zu, weshalb The Lair selbst aus dieser Warte betrachtet, kaum sehenswert ist. Ebenfalls unspektakulär wirken die mit höchst unterschiedlichen Nehmerfähigkeiten ausgestatteten Monster.
Beim Design der Biester scheint man sich an Venom sowie den aus der Videospielreihe Resident Evil bekannten Lickern und Huntern orientiert zu haben. Das einzig imposante an ihnen sind ein- und ausfahrbare "zungenartige" Organe im Mundbereich. Mit diesen sind sie in der Lage, ihre Opfer zu umschlingen, wobei wir noch eine andere Funktion angeteasert bekommen. Leider wird gerade auf dieses reizvolle Detail nicht wirklich eingegangen. Ähnliches erleben wir im Zusammenhang mit einer Art riesigem Wassertank samt Inhalt. Marshall deutet etwas Interessantes an, um es dann ungenutzt im Raum stehen bzw. verkümmern zu lassen. Letztlich ist es wahrhaft erschreckend mitzuerleben, wie wenig Marshall von dem vorhandenen Potenzial nutzbar machen kann. Dabei hat er zusammen mit seiner Lebensgefährtin Charlotte Kirk das Drehbuch sogar selbst verfasst. Man möchte nun vielleicht mutmaßen, dass evtl. gerade dies das Problem ist, doch hat der Brite bereits zuvor die Drehbücher zu seinen Filmen (größtenteils) selbst verfasst. Was am Ende bleibt, ist ein kruder Mix aus ungenutztem Potenzial, repetitiver Action, peinlichen Momenten und die Erkenntnis, dass Neil Marshall vielleicht mal ein guter Regisseur war, es aber mittlerweile einfach nicht mehr ist.
*The Asylum ist eine Filmproduktionsgesellschaft, die in erster Linie für schwachen bis mittelprächtigen Output bekannt ist, der zumeist kostengünstig produziert wurde.