Das Zocker-Remake "The Gambler" hatte mit einigen Anlaufschwierigkeiten zu kämpfen. Es lief durch mehrere kreative Prozesse und wurde zum Einen von Regisseur Martin Scorsese, als auch vom Autor des Originalfilms James Toback fallen gelassen (von Toback wurde das Remake sogar noch verteufelt). Schließlich nahmen sich Rupert Wyatt sowie Darsteller Mark Wahlberg dem Projekt an. Wahlberg verlor für seine Rolle sogar ein wenig Gewicht, was scheinbar genügte (das und die Darstellung von Brie Larson) den Film ins Augenmerk der Academy zu rücken. Verdient ist das aber leider keineswegs: "The Gambler" scheitert sowohl bei seiner Geschichte, seinen Charakteren, als auch dem Anspruch, den er sich selbst stellt.
Was sind die Erwartungen an einen Film, der sich mit dem Zocken beschäftigt? Soll es ein emotionales und eindringliches Drama über die Sucht und Vernachlässigung der Familie sein? Oder ein stylischer und düsterer Thriller über die Unterwelt des Glücksspiels? Vielleicht auch einfach eine augenzwinkernde Satire oder gar lässige, machohafte Komödie? Das wären dann zwar keine übermäßig kreativen, aber doch nachvollziehbaren Wege ein derartiges Thema zu behandeln. Was Ruper Wyatts ("Rise of the Planet of the Apes") “The Gambler” aber zu stemmen versucht, ist all diese Genres zu vereinen. Oder anders gesagt: Er scheint sich einfach nicht entscheiden zu können, was der Film am Ende sein soll. Was daraus resultiert ist ein in Sachen Atmosphäre und Thematik extrem unbeständiges Pendel: Für ein Drama wird die Sucht nach dem Glücksspiel und Jim Bennetts (Mark Wahlberg) Identitäts- und Familienkonflikt nie genügend ausgeleuchtet oder gar vertieft, für eine Komödie ist der Film eindeutig nicht witzig genug, für einen Thriller fehlt die Spannung, die plumpes Kartenaufdecken eben nicht direkt nach sich zieht. Und für eine Satire oder gar einen tiefgründigen Kommentar auf das Bild eines zerrissenen Mannes, wird nötige Substanz letztlich nur vorgetäuscht.
Es ist in diesem Zuge einfach unverständlich, warum “The Gambler” viel mehr aus sich machen will, als die Story hergibt. Ein Umstand, der allein schon am Charakter von Wahlbergs Jim Bennett zu erkennen ist: Bei Tag melancholischer Professor für Literatur und übersehenes Romangenie, bei Nacht ruchloser Zocker und unterkühlter Draufgänger. Eine widersprüchliche Komplexität, die in Wyatts Zockerfilm nie auch nur ansatzweise vernünftig vertieft wird. Durch den Beruf Bennetts will “The Gambler” zwar Substanz und Tiefgang vortäuschen, überzeugend diskutieren kann er seine philosophischen und psychologischen Ansätze aber nie. Wahlberg schwadroniert im Film öfters über Autoren wie Shakespeare oder Dostojewski, die Nennung dieser Autoren beinhaltet aber nie einen tieferen Sinn für die Geschichte und ist höchstens als recht platte Charaktersymbolik zu verstehen. Am Ende verkommen diese “philosophischen” Aspekte des Films ausschließlich zu nutzlosen Zweckmitteln. Und das macht den Film einfach arg unsympathisch und zerstört jedwede Herangehensweise den Film als tiefgründiges Charakterdrama betrachten zu können.
Dies wird innerhalb des Films vor allem in einer Szene deutlich, in der sich die Figur von Wahlberg in gerade mal vier, fünf Sätzen komplett analysiert und damit all die vorangegangene Exposition als das seichte Machwerk, das es ja letztendlich auch ist, entlarvt: Ein Mann, der zwischen den Extremen hin und her pendelt und genau genommen nicht mehr als ein prätentiöses Arschloch ist. Genau so wie der Film selbst auch. Unterdessen wird Bennett vom Film nie in seiner prätentiösen Art kritisiert (das wäre ja auch möglich), sondern durch die Darstellung als übercooles Literaturgenie sogar eher glorifiziert.
Dabei kann man dem Cast um Wahlberg, als auch Regisseur Ruper Wyatt, ein darstellerisches, als auch inszenatorisches Talent gar nicht absprechen. Der Film ist stylisch (wenn auch etwas unzusammenhängend) in Szene gesetzt, der Soundtrack unterstreicht dies makellos und vor allem John Goodman ("Inside Llewin Davis") weiß als zynischer Gangsterboss mit ein paar sau coolen Einzelszenen zu überzeugen. Aber was nützt dies, wenn all diese Szenen in einen absolut inhaltslosen Rahmen gequetscht werden, der einen weder mitreißen, noch unterhalten kann und zudem noch abstoßend pseudointellektuell daherkommt? Die wenig kreative Geschichte (“Bring uns das Geld in so und so viel Tagen”) wird zudem im Laufe des Films immer konfuser. Warum überhaupt noch jemand diesem Versager von Bennett Geld leihen will, ist schlichtweg unverständlich. Achja und ganz nebenbei erzählt der Film noch die Geschichte der genialen Studentin Amy (ebenfalls gut: Brie Larson), die mit der Zeit zu Wahlbergs Loveinterest avanciert. Diese Story ist gegen Ende aber leider so platt und unbefriedigend gelöst, dass sie der Rede kaum wert ist.
Es soll in dieser Kritik natürlich nicht so scheinen, als wäre jedwedes seichte oder oberflächliche Machwerk schlecht oder unbrauchbar. Aber ein Film muss wissen, was er ist und diese Linie konsequent fahren. Und “The Gambler” schafft das eben nicht. Er will sich als viel “größer” darstellen, als er ist, er täuscht viel mehr Substanz vor, als letztlich dahintersteckt. Und das führt leider dazu, dass die negativen und oberflächlichen Aspekte des Films nur noch brutaler ins Gewicht fallen. Wenn der Film den Anspruch stellt als tiefschürfendes Charakterdrama verstanden werden zu wollen, dann muss die Kritik ihn auch danach bewerten.
Es sind, wie angesprochen, diverse Einzelszenen in denen so etwas wie interessante Charaktere, Konflikte oder gar ein tieferes Charakterverständis durchblitzt. Eine Szene in einem Wüstencasino zum Beispiel, bei der sich Bennett endlich mal gelungen hinterfragt, ein Konflikt mit seiner Mutter (sowieso toll: Jessica Lange), der die Verzweiflung seiner Mitmenschen immerhin ansatzweise überträgt oder John Goodmans großartiger “fuck you”-Monolog. Aber diese Szenen sind viel zu rar, unzusammenhängend und ziehen auch kaum Konsequenzen nach sich. Eine existenzielle Bedrohung? Auf dem Papier: Ja. Aber spürbar innerhalb des Films? Nein! Im Endeffekt ist das aber nur ein weiterer Tropfen auf den heißen Stein. Das Projekt "The Gambler" muss, nach all dem Hin und Her, als gescheitert angsehen werden.