Neun Jahre ist eine verdammt lange Zeit und wenn der Vorgänger in so ziemlich jeden Bereich eine Enttäuschung war, darf davon ausgegangen werden, dass scharfe Blicke auf The Expendables 4 gerichtet sein werden. Im generellen hat die als Old-School-Action vermarktete Reihe mit ihrem dritten und bislang letzten Teil so ziemlich alles mit Füßen getreten, was die beiden Vorläufer ausgemacht hatte. Im Kino lief nur eine zensierte Version und selbst die Uncut-Fassung für heimische Leinwände war arg zahm und zögerlich. Dazu kam, dass die Entbehrlichen mehr schlecht als recht mit neuen Söldnern erweitert wurden. Doch egal ob Wesley Snipes oder Harrison Ford höchstselbst, keiner hinterließ einen bleibenden Eindruck – zumindest im positiven Bereich. Negativ sah es anders aus. Sei es nun Antonio Banderas als Jar Jar Binks-Epigon, die diversen jüngeren und dabei erschreckend blassen Neuzugänge oder die Frage, warum zum Teufel man eine Sitcom-Legende wie Kelsey Grammer in einen Actionfilm packt. Nein, auch neun Jahre nach dem Release gibt es nur sehr wenig Gutes an The Expendables 3 zu finden. Um ganz ehrlich zu sein, ist der Release des vierten Teils fast schon ein kleines Wunder. Ein Wunder, hinter dem dann aber doch sehr weltliche und monetäre Absichten stecken.
Eigentlich sollte der vierte Teil als Solo-Film, als Spin-Off dienen. Im Zentrum: Jason Statham alias Lee Christmas. Der war in jedem vorherigen Teil neben Sylvester Stallone der zweite personelle Fokus des Ensembles. Der Brite ist einer der wenigen weltbekannten Hollywood-Schauspieler, die sich das Emblem Actionstar ans eigene Revers heften können. Mit ihm ein Spin-off drehen, ergibt absolut Sinn. Dennoch wurde sich anders entschieden. Einige, aber nicht alle, der Ur-Expendables wurden zusammengetrommelt, um doch noch einen vierten Teil zu realisieren. Im Vorfeld war es aber schon etwas kurios, wer da als Neuzugang angekündigt wurde. Nur nochmal zum besseren Verständnis: Eine der Selling Points der Reihe war schon immer, dass das Publikum hier Altstars des Genres bekommt, die in bester R-Rated-Manier kämpfen, ballern, fluchen, fliegen, sterben, überleben. Wie viel bleibt davon übrig, wenn in der Besetzung Namen wie 50 Cent (der sich vermutlich gerne als Actionstar sehen würde) sowie Megan Fox auftauchen und diese dem Marketing anscheinend wichtiger sind, wie die alten Franchise-Veteranen Dolph Lundgren und Randy Couture? Ist The Expendables 4 überhaupt noch ein richtiger Expendables?
Nein, so richtig ist er das nicht mehr. Die Projekt-Vergangenheit als Spin-off lässt sich nicht verschweigen. The Expendables 4 wirkt wie ein Experiment. So als ob man aus den Vorgängern alles heraus destilliert hätte, was mit dem Meg- und Meg 2: Die Tiefe-Darsteller zu tun hat. Das Ergebnis wirkt erzählerisch elendig grobmotorisch und wurde noch klobiger von Hidden Strike-Regisseur Scott Waugh umgesetzt. Damit ist nicht nur gemeint, dass der Film stellenweise einen potthässlichen Digital-Look hat, mitsamt mittelklassigen CGI-Effekten, sondern mehr die Montage. Nicht nur die Action wirkt zu willkürlich sowie unfokussiert geschnitten. Auch wenn die Messer und Maschinenpistolen ruhen, vertrauen die Macher (darunter ganze 34 (!) Produzenten) auf einen viel zu hektischen, arhythmischen Schnitt. Bereits am Anfang, wenn The Raid-Star Iko Uwais als Schurke in Erscheinung tritt, und die Handlung sich ungelenk vom eigentlichen Geschehen entfernt, um uns Stallone und Statham zu präsentieren, nur um danach immer wieder zwischen dem Duo und dem immer noch nicht abgeschlossenen Erzählstrang mit Uwais zurückzukehren. Das ist ganz einfach kein guter Schnitt und nicht gut abschneiden tut noch ganz andere Dinge bei The Expendables 4 (sorry für den Wortwitz, aber der musste einfach sein).
Es sind viele Kleinigkeiten, die dafür sorgen, dass der Film immer etwas billiger wirkt, als er war (angeblich standen 100 Millionen US-Dollar zur Verfügung). Dazu zählt u. A. auch, dass Megan Fox als Söldnerin nicht funktioniert. Ihr fehlt die Ausstrahlung und dass ihre Rolle selbst bei blutigen und schweißtreibenden Feuergefechten besser geschminkt ist, als eine Diva auf dem roten Teppich, wirkt auch mehr auf eine ungute Weise amüsant. Überhaupt gibt der Film ihr gar keine Chance, sich im Action-Metier beweisen zu können. Das ist wiederum mehr schade als lustig. Gar nicht komisch ist dagegen, dass eine Figur, die selbst stolz erwähnt, dass sie seit sechs Monaten trocken ist, erst dann wieder das Team effektiv unterstützen kann, wenn der Flachmann aus der Tasche gezogen wird. Dass am Ende dann wieder Milch im Glas ist, ist ein schwacher Trost. Trost benötigen auch Fans asiatischer Kampfkunst. Zwar wird Iko Uwais nicht so verschwendet wie in Mile 22, aber die indonesische Martial Artist wird auch hier wieder mal unter Wert verkauft. Dabei hat er als Schurke genügend Ausdrucksstärke und darf das ein oder andere Mal auch zeigen, was er kann. Doch der Schnitt macht es meistens nicht möglich, seine Kunst richtig genießen zu können. Das gilt auch für (den noch unbekannten aber vielversprechenden) Darren Nop sowie Ong Bak-Legende Tony Jaa, der tatsächlich mehr Screentime hat, als zuvor vermutet wurde.
Das aber vielleicht größte Fiasko des Sequels ist sein Ende. Die Klimax einer simplen, aber durchaus effektiven Rachegeschichte. Ohne zu Spoilern sei hier nur erwähnt, dass die letzten Minuten wahrscheinlich das menschen- sowie zuschauerverachtenste, dümmste, mutloseste und peinlichste sind, was es dieses Jahr aus Hollywood auf der Leinwand zu sehen geben wird. Als wäre die große Auflösung, wer hinter dem diabolischen Masterplan steckt, schon nicht platt genug gewesen, verwechselt The Expendables 4 am Ende nicht nur einen pointierten Schlussgag mit Menschenverachtung, sondern auch eine gelungene Überraschung mit strunzdummen Fan-Service, der auch noch so kaltschnäuzig und einförmig dargeboten wird, dass es schwerfällt, am Ende nicht den Mittelfinger (oder im asiatischen Raum den kleinen Finger) gen Leinwand zu erheben. Nichts gegen Titel, die die gute alte Zeit zelebrieren und auch nichts gegen Quatsch oder Action-Nonsense, aber The Expendables wird im Verlauf zu so einem (im schlechten Sinne) irrsinnigen Humbug ohne jedwede Form der Eigenwahrnehmung, dass die Frage aufkommt, wie es so weit kommen konnte, wenn doch The Expendables 2 vor fast 12 Jahren quasi schon die perfekte Rezeptur für die Reihe gefunden hatte. Wenn Titel wie The Expendables 4 wirklich zeigen sollen, wie toll das Damals war, sollten wir uns vielleicht endlich mal damit befassen, dass Nostalgie ein wenig so ist, wie sich im Winter in die Hose zu urinieren. Das Ergebnis davon lässt sich so aufteilen. Phase eins: Es hat etwas Befreiendes und es wärmt. Phase 2: Es ist nur noch nass, unangenehm, wird immer kälter und es stinkt. Der vierte Teil der Expendables ist deutlich in der zweiten Phase anzusiedeln.