Inhalt
24 Tage rast ein Zug 4.000 Meilen durch Amerika - vom Atlantik zum Pazifik. Er hält in großen Städten und entlegenen Orten - um Künstlern, Musikern, Tänzern ganz besondere Auftritte zu gewähren, Happenings, die nicht wiederkommen und in Station to Station einmalig festgehalten sind. 62 Spots - jeweils eine Minute - ergeben ein berauschendes Kaleidoskop einer sich immer weiter entwickelnden kreativen Szene.
Kritik
„Station to Station“ von Regisseur und Künstler Doug Aitken ist sicherlich kein Film für jedermann. Dokumentationen über Kunst entziehen sich oft dem weniger interessierten Zuschauer von vornherein, und selbst als Kunstliebhaber sagt einem noch lang nicht jeder Film automatisch auch zu. Hier geht es nun um zeitgenössische Kunst und vor allem irgendwie auch das Problem der einheitlichen Masse. Wie fällt man als Künstler heutzutage noch auf, wo doch ambitionierter Nachwuchs an allen Ecken und Enden nachkommt? Aitkin selbst folgt da schon seit geraumer Zeit dem Motto „größer ist besser“ und transportiert seine Werke aus den beengten Räumen eines jeden Museums (denn am Ende ist Kunst dort immer beschränkt und begrenzt) hinaus. Auf Häuserfassaden, auf öffentliche Plätze und jetzt eben in einen Zug.
Wobei „jetzt“ auch wieder nicht ganz richtig ist, denn die Zugfahrt fand bereits 2013 statt. Einmal quer durch die USA, irgendwie ist das ja auch so ein bisschen ein Relikt der guten Zeit, als man das Land noch entdeckte und erschloss. Der Entdecker- und Pioniergeist kommt da durch, im eigenen Land dann auch noch, das kann man gut und gerne mal interpretieren. Außen am Zug wurde eine Lichtinstallation angebracht, so dass der Zug selbst schon zum Kunstwerk wird, welches unweigerlich durch das Land rollt. Immer wieder steigen Künstler dazu oder verlassen den Zug, an manchen Stationen wird angehalten um sich künstlerisch zu betätigen. Dabei sind Musiker wie Patti Smith oder Beck und Künstler wie Olafur Eliasson und Ed Ruscha, um nur einige zu nennen. Sie alle bekommen jeweils eine Minute um zunächst einmal Etwas zu tun. Etwas ist dabei nicht vorgeschrieben, nicht von außen diktiert, es kommt von innen. Da reihen sich Landschaftsaufnahmen (und machen wir uns nichts vor, die USA sind landschaftlich ungemein vielseitig) mit den hektischen Bildern riesiger Metropolen aneinander. Auftritte von Musikern folgen auf Interviews, die beinahe schon nach reinem, klassischem Dokumentarfilm aussehen.
Langweilig wird das nie, dafür sorgt die Idee jeden solchen Ausschnitt nur eine Minute dauern zu lassen. Dabei bleiben interessante Dinge unweigerlich auf der Strecke, andererseits ist genau dieser kurze Appetithappen oft Anreiz genug sich über den entsprechenden Künstler genauer zu informieren. In gewisser Weise imitiert man so die großen Kunstsammlungen, durch die die meisten Besucher mittlerweile auch nur noch durchhetzen, schnell mal ein Foto von einem Bild machen um später auch ja allen zeigen zu können das man da war, das man „es“ gesehen hat. „Station to Station“ wirkt allerdings überhaupt nicht abgehackt, sondern in sich schlüssig und abgerundet. Als Zuschauer kommt man schnell in diesen Fluss mit hinein, man darf sich zurücklehnen und die stattfindende Kunst auf sich wirken lassen. Entschleunigt, obwohl man in einem Zug durch die Landschaft rast. Umfassend, obwohl man jeweils nur eine Minute mit dem entsprechenden Künstler verbringt. Ein seltsames Filmchen, dessen Sogwirkung man sich, Interesse am Thema Kunst allgemein, aber nur schwer entziehen kann.
Fazit
"Station to Station" bringt die Kunst auf die Gleise, ist die ideale Umsetzung, die Befreiung des Museums hin zur Straße. Kunstkenner und - interessierte sollten einen Blick riskieren und sich entführen lassen. Aber auch Freunde der vorbeiziehenden amerikanischen Landschaft können hier noch einiges entdecken. Ein geglücktes Experiment, welches Lust auf mehr macht und die eine oder andere Überraschung beinhaltet.