Shuttleservice ins Ungewisse
Seit dem rasanten Aufstieg der DVD Anfang dieses Jahrtausends und der damit einhergehenden Entwicklung einer sowohl kostengünstigen und massentauglichen, als auch qualitativ hochwertigen Filmvertriebsvariante, entsteht vor allem im Horror- und Thrillersektor eine schlechte Direct-To-DVD-Produktion nach der anderen. Ob es die Fortsetzung eines erfolgreichen Kinofilms ohne wirklichen Bezug zum Vorgänger, das Ausschlachten eines kleinen Überraschungserfolges durch mindestens drei minderwertige Sequels oder lediglich eine billig heruntergekurbelte Produktion mit reißerischem Titel ist, scheint dabei nicht wirklich relevant zu sein. Fest steht nur, dass anscheinend auch der schlechteste Film auf DVD rentabel genug ist, um zumindest seine Produktionskosten zu decken, und es nach unten hin keine (Qualitäts-)Grenzen gibt. Das wiederum ist wohl hauptsächlich darauf zurückzuführen, dass heutzutage jeder Idiot mit guten Kontakten, einer Handkamera und zu viel Freizeit einen Film drehen und ihn, ohne dabei rot zu werden, als legitimen Nachfolger von „The Texas Chainsaw Massacre“ vermarkten kann (Stichwort Dr. Uwe Boll).
Unter diesem Aspekt betrachtet ist es natürlich immer wieder erfrischend, wenn man sich als Genrefan in der Videothek seines Vertrauens einen Film schnappt, von dem man sich im besten Fall rein gar nichts erwartet, und von dessen inszenatorischer Wucht überaus positiv überrascht in die Couch gedrückt wird. Eben diese Wirkung erzeugt „Shuttle“, ein reinrassiger Psycho(terror)thriller aus dem Jahr 2008, der zwar nicht wirklich viel in der Horrorecke zu suchen hat, in der er großspurig vermarktet wird, aber trotzdem oder gerade deswegen, von der ersten bis zur letzten Minute zu fesseln versteht.
Die US-amerikanische Produktion aus der Feder von Regisseur Edward Anderson (Drehbuchautor des Demi Moore Streifens „Flawless“) beginnt genauso, wie so viele andere Billigproduktionen der letzten Jahre auch. Was hier auf den ersten Blick aber wie Thrill vom Reißbrett erscheint, gewinnt bereits durch die innovative Schauplatzwahl – die Entführung der Twens erfolgt auf vermeintlich sicherem amerikanischem (Großstadt-)Boden und durch einen Airport-Shuttle-Fahrer – an Qualität. Weitere Gründe dafür, dass sich aus dieser 08/15 Ausgangssituation ein spannendes hin und her zwischen Opfern und Täter entwickeln kann, welches den geneigten Zuschauer bis zum konsequent realistischen Ende nicht mehr loslässt, sind zu großen Teilen den durchwegs intensiven schauspielerischen Leistungen aller Beteiligten und dem straffe Spannungsbogen, der sich hauptsächlich in und um das titelgebende Shuttle abspielt, geschuldet. Der dramaturgische Aufbau des Films kann somit ebenso überzeugen wie die filmische Umsetzung und die Wahl des Settings. Auch die zum Scheitern verurteilten Fluchtversuche der Opfer und das konsequent nihilistische Ende sind innovativ, nachvollziehbar und erschreckend brutal.
Insbesondere gegen Ende des Films wird die Gewaltschraube unangenehm angezogen und mit einer Emotionslosigkeit und Gefühlskälte gemordet, dass dem Betrachter ein Frösteln über den Rücken hinunter jagt. Wirklich blutige Effekte beziehungsweise brutale Szenen sind in „Shuttle“ zwar eher Mangelware, können dafür in den wenigen Augenblicken in denen sie aufblitzen umso nachhaltiger überzeugen. Auch die nur langsam durchsickernde Erkenntnis, was die wahren Beweggründe hinter der Entführung sind und das beinharte Ende tragen zum positiven Gesamteindruck des Films bei. Wenn in Minute 100 schlussendlich klar wird, wer beziehungsweise was hinter der Entführung steckt und wie die Story nach dem Abspann wohl oder übel weiterlaufen wird, trifft die Erkenntnis mit voller Wucht in die Magengrube.
Der Schotte Tony Curran („Die Liga der außergewöhnlichen Gentleman“, „Der Flug des Phönix“) dominiert den äußerst limitierten Cast und liefert als Entführer eine tadellose Leistung zwischen kalter Zielstrebigkeit und aufkeimenden Zweifeln. Doch auch die Opfer, rund um Peyton List (bekannt aus den TV-Serien „FlashForward“ und „Mad Men“) und Cameron Goodman („Rise“, „Hurt“), wissen zu überzeugen – keine sinnlosen Dialoge und kein unnötiges Overacting, nur grundsolides Schauspiel.