Antoine Fuqua ist einer der Filmemacher, die sich seit jeher immer irgendwie zwiespältig benoten lassen müssen. Dass er ein verdammt guter Handwerker ist, hat der Mann unlängst bewiesen und dass es ihm keine großen Schwierigkeiten bereitet, eine halsbrecherische Action-Sequenz wirklich stimmig in Szene zu setzen, hat er beinahe in jedem seiner Werke mehrfach bewiesen. Problematisch wird es nur, wenn sich Fuqua an die Umsetzung eines bierernsten Drehbuches macht, das darin versucht ist, eine tiefere Aussage zu treffen: „Tränen der Sonne“zum Beispiel, der die ethnische Säuberung in Nigeria zu Zeiten des Bürgerkrieges thematisiert und einen grummeligen Bruce Willis in das Krisengebiet entsendet, um Monica Bellucciund einen Haufen Flüchtlinge zu evakuieren. Eine tendenziöse Vollkatastrophe, ähnlich wie„Olympus Has Fallen – Die Welt in Gefahr“, in dem sich Gerald Butler gegen militante Nordkorea zur Wehr setzt, um den Präsidenten zu retten. Am Ende fehlte wahrlich nur noch, dass nach erfolgreicher Mission im gemeinsamen Kreis auf die Nationalflagge onaniert wird.
Die guten Seiten in Fuquas Filmographie überwiegen allerdings knapp. Zum Glück. Selbst wenn seine Ausrutscher so richtig ärgerlich in die Hose gingen und man über seinen schnarchigen Historienquark „King Arthur“ von 2004 ebenfalls besser den Mantel des Schweigens legen sollte – allein schon wegenTil Schweigers Bart -, hat der Mann mit „Training Day“ und „Gesetz der Straße – Brooklyn's Finest“ immerhin zwei verdammt gute Milieu-Thriller abgeliefert, die die zuweilen immer heftiger verwischende Trennlinie zwischen Recht und Unrecht zentralisiert und sich von tollen Schauspielern tatkräftig unterstützen lässt. Vor allem Ethan Hawke, der öfters mal wegen seines Schauspiels in das Fadenkreuz der internationalen Kritik gerät, rockt in beiden Fällen tierisch. Ebenfalls famos und unbedingt sehenswert: Sein straighter Actionfilm „Shooter“ von 2007, mit dem Fuqua endgültig den Beweis dafür abliefert hat, dass er von Action und dafür, wie man diese wirkungsvoll abwickeln muss, durchaus Ahnung hat. Und in diesem Fall dürfen sich sogar auch innige Verächter des egomanischen Mark Wahlberg an dem ganzen Spaß beteiligen!
Das Schöne an „Shooter“ nämlich ist, dass der Film zu Anfang leicht Gefahr läuft, in konspirative Polit-Untiefen zu rutschen, die Befürchtungen aber in kürzester Zeit zerschlägt, weil er nicht darauf versessen ist, irgendetwas „Sinnstiftendes“ zur politischen Sitte oberer Etage auszusagen, sondern einfach nur als astreines Männerkino bestehen möchte. Wenn die Kamera von Peter Menzies Jr. zu Anfang wie ein ferngesteuertes Projektil über die äthiopische Landschaft saust, hinweg über Seen, Felder und Berge, bis sie den Weg zurück in den Lauf des hochmodernen Scharfschützengewehrs finden kann, dann werden Erinnerungen an Computerspiele wach, in denen man sich noch als Sniper in den hintersten Winkeln positionieren und perfekt tarnen musste, um südamerikanische Diktatoren mit einem gezielten Kopfschuss eliminieren zu können. Dieses Gefühl lässt „Shooter“ über seine ganze Laufzeit nicht fallen und präsentiert sich als grimmige Projektion verklärter Jugendphantasien – Und fährt damit auch verdammt gut. Selbstredend aber kann man sich an dem dargebotenen moralischen Brachland durchweg reiben.
Und da stoßen wir auf das Dilemma, welches der Actionfilm seit Anbeginn der Zeit quasi mitschleppt: Darf man sich an zelebrierter Selbstjustiz ergötzen oder muss man einen Film wie „Shooter“ verteufeln, weil er seine visualisierte Gewalt als Lösung für all die Differenzen auf menschlicher wie politischer Ebene vertritt. Da „Shooter“ jedoch mit Logikkratern geradezu jongliert und sich tunlichst dagegen strebt, den politischen Ansatz in einen definierten Kontext zu stellen, sondern diesen einfach nur dazu verwendet, um sich ausgiebig im Krachbumm zu wälzen, sollte es theoretisch möglich sein, „Shooter“ als stupides No Brainer-Programm zu akzeptieren, dessen Action-Qualitäten allerdings weit, weit über dem Durchschnitt stehen. Fuqua lässt es sich nämlich auch nicht nehmen, seinen Protagonisten Bob Lee Swagger (Mark Wahlberg) mal so richtig derbe zur Tat schreiten zu lassen, und streut einige Gewaltspitzen aus, die man inzwischen im kontemporären Genre-Kino viel zu häufig vermissen muss. Natürlich ist Swagger ein stereotypischer Elitekämpfer, der überhaupt keinen Humor hat und denen an den Kragen will, die ihn verraten haben.
Waffenfetischsten kommen bei „Shooter“ natürlich auf ihre Kosten, wenn Swagger zu Anfang aber noch lang und breit erklärt, worauf es bei einem „perfekten Schuss“ ankommt und was man nicht so alles beachten muss (Sachen wie Luftfeuchtigkeit, Windwirbel, Höhenlage, Temperatur, Corioliskraft), um dann (programmatisch) später nach Lust und Laune, quasi aus der Hüfte gerotzt, Volltreffer mit dem Präzisionsgewehr zu landen, ohne natürlich äußere Einflüsse einzubeziehen, dann bedient sich „Shooter“ längst filmischen Mitteln, die sich glücklicherweise nicht mehr um Authentizität und Logik scheren, sondern auf den energiegeladenen und ungemein kinetischen Ausdruck erpicht sind. Dass das so blendend funktioniert, liegt aber auch an Kameramann Peter Menzies Jr., der „Shooter“ zwar keine eigenständige Bildsprache vergönnt, den Film aber in außerordentlich kraftvolle Aufnahmen packt, die das Geschehen nachhaltig unterstreichen und intensivieren. Das Drehbuch von Jonathan Lemkin zeigt sich darüber hinaus ebenfalls genreaffin, wenn es durch die Dekaden springt und dumpfe Verschwörungstheorien mit einer Scheiss-Auf-Menschlichkeit-Dafür-Wirst-Du-Leiden-Tonalität vermengt.