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Quelle: themoviedb.org

Inhalt

Die Sau bin ich, gespielt von meinem Alter Ego, dem genialen Schauspieler Armin Dallapiccola. Der Film ist ein Traum, eine Parodie, eine Farce meines Lebens. Poetische Assoziationen zu meinem Tod, zu meinem Sexleben, zu meiner Wiedergeburt. Ich erinnere mich an die 150 Filmes meines Lebens, an meine Liebhaber, denen ich Rosen in den Arsch stecke und die ich blind malen muss (...) Am Am Ende sagt uns Katy Karrenbauer die entsetzliche Wahrheit. Wir sind alle satanische Säue.







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Quelle: themoviedb.org

Kritik

Rosa von Praunheim ist einer der bedeutendsten queeren Regisseure, Vertreter des Neuen Deutschen Films und Liebhaber des dokumentarfilmischen Selbstausdrucks. Sein Schaffen umfasst mehr als 150 Kurz- und Langfilme. Darunter wichtige Zeitdokumente zum Thema AIDS, zu Lebensentwürfen jenseits heterosexueller und binärer Norm und zur queeren Geschichte. Seine bekanntesten Filme dürften Die Bettwurst und Nicht der Homosexuelle ist pervers, sondern die Situation, in der er lebt sein. Ersterer ist eine campy Satire gutbürgerlichen Romantik-Verständnisses. Der Zweite ist dokumentarisch-essayistisch angelegt und taucht tief in die Diskurse schwuler Subkultur der 70er-Jahre ein. 

In seinem Werk, das gänzlich aufzuarbeiten wohl ein halbes Leben in Anspruch nehmen würde, gibt es noch viel mehr zu entdecken. Zu erwähnen wäre hier der fantastische Musicalfilm Stadt der verlorenen Seelen, in dem er Cabaret-Darstellende ins Zentrum rückt, soziale Kämpfe thematisiert und dabei queere Gemeinschaft, Trans-Personen und Drag repräsentiert. Auch heute ist Rosa von Praunheim sehr aktiv. Erst 2022 überzeugte er mit einem Biopic zu Rex Gildo. Dieses Jahr erscheint Dreißig Jahre an der Peitsche, in dem er eine Bekannte von ihm porträtiert, die dreißig Jahre als professionelle Domina gearbeitet hat. Darüber hinaus prägt er die Bühne. Aktuell ist im Deutschen Theater mit Die Insel der Perversen ein Singspiel zu sichten, das er geschrieben hat. Nicht zuletzt ist Satanische Sau zu nennen, der nun mit dem Teddy-Award in der Kategorie Dokumentar- und Essayfilm ausgezeichnet worden ist. 

Rosa von Praunheim wird von Armin Dallapiccola gespielt, den er durch ein Sammelsurium assoziativer Szenen schickt, die über Rosas Werk, sein Sexleben, seinen Tod und seine Wiedergeburt reflektieren. Auf diesem Weg gibt es viele Stationen. Von einer entsetzten Mutter zu einem übergriffigen Fan. Von Liebhabern, denen der Protagonist Blumen in den Po steckt, bis zur Abrechnung mit Gott, der das Böse lobt und das Gute tadelt. Zwischendurch geht es auch um Putin und den Krieg. Das bewegendste Herzstück ist dann der Verlust eines Nachbarn, der tiefe Trauer hinterlässt. 

Wenn man in das Programmheft zum Singspiel Die Insel der Perversen schaut, hinterlässt Rosa von Praunheim den Zuschauenden folgende Nachricht: "Wenn Sie dieses Stück sehen, sollen Sie sich gewiss sein, dass es nach dem unnatürlichen Tode des Autors Rosa von Praunheim geschrieben wurde, es ist sozusagen ein Kunstwerk post mortem und es ist nicht das einzige. Nach seiner Beerdigung am 16. Oktober 2023, zu der übrigens niemand erschien, hat Rosa noch bedeutende Filme gedreht, nämlich 30 Jahre an der Peitsche und Die Satanische Sau". Rosa begreift auch diesen Film also als (pseudo-)post mortem-Werk, was nicht nur die Wiedergeburt als zentrales Thema des Filmes erklärt, sondern auch das Spiel aus Nähe und Distanz, mit dem Rosa sich hier begegnet.

Das macht sich daran bemerkbar, dass er hier einerseits gespielt wird, andererseits selbst in Archiv-Aufnahmen, als Interviewer und Kommentator auftritt. Vor allem zeigt es sich aber an den Perspektiven, die er auf sein Leben einnimmt. Er lässt seinen Alter Ego über sein früheres und sein jetziges Sexleben sprechen. Über Verehrung und Nicht-Verehrung. Über seine Gedanken zum Tod, zum Ende und zu (Neu-)Anfängen. Er begegnet seiner Mutter, die kein bisschen gealtert zu sein scheint. Wir sehen den echten Rosa auf alten Aufnahmen, dann die Leiche von seinem Alter Ego, dem Blumen zum Gedenken beigelegt werden. Zynisch und spöttisch rechnet er mit (christlicher) Moral ab und spannt den Bogen zum aktuellen Weltgeschehen. Mal wird die Sprache poetisch, dann wird unmittelbar von Geilheit, Schwänzen und vom Masturbieren gesprochen. Mal fühlt sich das Werk wie eine allgemeine Reflexion über Leben und Tod an. Dann wieder geht es explizit um Rosas Leben. 

Ich hatte beim Sehen den Eindruck, als hätte sich Rosa von Praunheim sein bisheriges Leben im Gesamtporträt angeschaut, ist einen Schritt zurückgetreten und sich dadurch sehr nah  gekommen. Die Zusammensetzung aus realistischen und surrealen Szenen sorgt dafür, dass Satanische Sau ein Stück weit ungreifbar bleibt. Armin Dallapiccola als Rosas Alter Ego hält den Film jedoch zusammen. Er ist nicht nur der rote Faden, der bleibt, wenn wir durch verschiedene Arten von filmischen und sprachlichen Ausdrucksweisen hindurchgeleitet werden. Er trägt auch die Bandbreite an Stimmungen, die Satanische Sau zu bieten hat.


Fazit

8.0

Traumtänzerisch wandelt "Satanische Sau" zwischen Archivaufnahmen, Interviews, Dokumentarszenen und Spielfilm-Inszenierung. Er ist witzig, poetisch, nachdenklich und versöhnlich-unversöhnlich. Kurz: Er schöpft aus dem Leben in ganzer Fülle. 

Kritik: Maximilian Knade

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