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Im tiefsten Morast von Philadelphia fristet der Amateurboxer Rocky Balboa (Sylvester Stallone) ein armseliges Dasein. Mit schlecht bezahlten Kämpfen und als Geldeintreiber hält sich Rocky gerade so über Wasser. Als ihn Boxweltmeister Apollo Creed (Carl Weathers) nach Ausfall dessen vorherigen Gegners zu einem Showkampf herausfordert und er sich gleichzeitig in die Zooladenarbeiterin Adrian (Talia Shire) verliebt, sieht er seine Chance gekommen und erbittet die Unterstützung seines grantigen Trainers Mickey (Burgess Meredith), der ihm in der Vergangenheit jedoch jede Hilfe verweigert hatte...

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Quelle: themoviedb.org

Kritik

1976: ein einfacher Mensch mit wenig Filmerfahrung schreibt ein Drehbuch über einen einfachen Menschen. Sylvester Stallone, einst ein Nobody teils in Geldnot, hausierte mit ein paar Seiten Story bei Produzenten, um seine Coming-Out-Geschichte des Boxers Rocky Balboa zu verfilmen. Mit einem Budget von gerade mal einer Million Dollar gelang Stallone das, was seine Rocky-Figur in diesem Boxerdrama erreichte - der Durchbruch aus dem Nichts.

So wird der Zuschauer Zeuge eines Mannes, der wahrlich im Morast lebt und auch damit lebt. Als Kleingauner tätig und im Zigarettendunst irgendwelcher schwitzigen Hinterhofhallen seinen Frust entladend, glaubt man selbst als objektiver Beobachter nicht daran, dass aus dem "Penner" irgendwas werden sollte. Dagegen spricht der Sportaspekt sowie die wenigen, aussagekräftigen Elemente, die diesen Archetypen eines Verlierers aus der Asche emporsteigen lässt. Es sind die Nuancen, die diesem Drama die nötige Authentizität mitgeben. Die Figur wird nicht vom getretenen Hund zum übermächtigen Emporkömmling konstruiert - er wächst. Das, was man in 114 Minuten Volllänge unterbringen konnte, wurde so treffend eingefügt, dass es eine wahre Freude ist, die "Reinkarnation" eines gebrochenen Charakters mitzuerleben.

Dabei bediente sich Stallone den einfachsten Mitteln, die auch nur einfach umzusetzen waren. Mit einem unterirdischen Budget kämpft sich das Werk ebenso wie Rocky seinen Weg aus der vorprogrammierten Bedeutungslosigkeit. Mit leichten und doch bedeutungsschweren Dialogen, fein instrumentalisierten Storyelementen und dem Sahnehäubchen eines wohl choreografierten Boxkampfes wirkt das Drama wie ein Befreiungsschlag heraus aus stinkigen, abrissreifen Kinosälen in die Herzen eines jeden Filmfans.

"Rocky" ist quasi der gelebte Amerikanische Traum in Reinkultur, trägt aber glücklicherweise nicht zu dick auf, um daraus Heroismus triefen zu lassen. Die Titelfigur braucht seine Anreize, an die er selbst nie geglaubt hat, um sich in der harten Backsteinkulisse einer Arbeiterstadt wie Philadelphia herauszuwinden. Unvergessen hierbei natürlich die Siegerpose über den Stufen des Philadelphia Museum of Art, welches mittlerweile ikonischen Wert inne hat. Und wenn der Held all seine Wut an einer Rinderhälfte ablässt, weiß man spätestens, dass es Zeit wird, ihm den persönlichen Reinigungsprozess zu gönnen - auch diese Szene wird gerne angeführt, wenn man nostalgische Gefühlswallungen beschreiben will.

Formell geht der Film in seiner Ausrichtung zwar den klassischen Weg, stellt aber so einige Motive wissentlich auf den Kopf. Das sind die Elemente, die das Kino sehenswert machen, und der Zuschauer wird die Zweigleisigkeit zwischen Leichtigkeit und tiefer Tragik gerne annehmen. Dabei nimmt sich "Rocky" sehr viel Zeit, den milieuhaften Charakter aufrecht zu erhalten. Auch wenn das Boxthema immer präsent ist, ist es nur Mittel zum Zweck, eine Allegorie zu erschaffen, die sofort ins Auge springt. Da Story, Inszenierung und sonstige Aspekte keiner Herkunft bedürfen, könnte der Film auch sonstwo auf der Welt spielen, was zwar in der Milieuzeichnung vielleicht nicht gleich ersichtlich scheint, aber doch so verständliche Züge annimmt, dass man es global anerkannte.

Dabei brauchte es nicht einmal komplexe Charakterstrukturen, um das zu erreichen. Rocky ist sicherlich kein Intelligenzbolzen, geht aber einen emotional nachvollziehbaren Weg. Mit seinen Hundeaugen passte hierbei Sylvester Stallone einfach nur perfekt zur Rolle, spielt seinen Boxer erstaunlich nuanciert und vielschichtig. Man glaubt es kaum, dass der spätere Actionheld, Muskelprotz und Onelinerexperte hier noch zuckend in Gedanken Punches landet, wenn er nervös wird oder durch seine ganze Präsenz einen anfangs niedergeschlagenen Tonus trifft. Auch in den Nebenrollen lässt sich die Lobhudelei nahtlos fortführen. Talia Shires Wandlung vom klein gehaltenen Mauerblümchen zur Schlüsselfigur in der Geschichte nimmt man ihr jederzeit ab, und auch Burt Young alias Paulie weiß durch seine klare Zeichnung und die gestisch eindeutige Performance zu überzeugen. Weniger im Fokus und damit wie ein unerreichbarer Gegenpart passte auch Carl Weathers in das Rollenkostüm des Lebemanns und Weltmeisters Apollo Creed, der noch genügend vermenschlicht wurde und somit auch keinen Superschurken darstellt.

Der Mehrwert des Films war so dermaßen ausgeprägt, dass die Marke ganze fünf Fortsetzungen nach sich zog, jedoch qualitativ immer mehr abnahm. Die persönliche Geschichte versandete immer weiter im popkulturellen Inszenierungshammer, was der ikonischen Figur und dem Gedanken dahinter jedoch keinen Abbruch tat. Wer Philadelphia besucht und das Museum zu Gesicht bekommt, wird von einem Denkmal des Boxers begrüßt, reißt fast reflexartig die Arme gen Himmel - es könnte fast beängstigend sein, dass ein Film derartigen Einfluss auf das reale Leben haben kann und sich unsterblich in die Köpfe der Filmfans verankerte. Der Lohn für die Mühe waren drei Oscarauszeichnungen und etliche Nominierungen.

Fazit

"Rocky" ist eines nicht: Plump patrioisierend. "Rocky" ist alles andere - lebensbejahend, authentisch, mitreißend und schlicht sympathisch. "Rocky" ist der Amerikanische Traum in seiner pursten Form, und zwar an den Stellen angepackt, wo er für jede Rasse, jedes Volk und jeden Glauben Gültigkeit hat. Was die Motive des Films sind, lässt sich auch für Sylvester Stallones Coming-Out im Filmbusiness ausweiten, und so erschaffte der spätere Actionstar eine unsterbliche Ikone mit zeitlosem Charakter.

Kritik: Sascha Wuttke

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