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Tagesanbruch am Meer, drei junge Surfer und die tosende See. Einige Stunden später machen sie sich auf dem Heimweg, wobei allerdings ein schwerer Unfall passiert. Simon wird in ein Krankenhaus in Le Havre eingeliefert, wo sein Leben am seidenen Faden hängt. Währenddessen wartet in Paris eine Frau sehnlich auf ein Spenderorgan, das ihr Leben verlängern könnte.
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Quelle: themoviedb.org

Kritik

Katell Quillévérés Die Lebenden reparieren beginnt wie ein Film, der so auch von Xavier Dolan (Mommy) stammen könnte. Ähnlich wie der Frankokanadier, der trotz seines vergleichsweise jungen Alters seit einer ganzen Weile in cineastischen Kreisen als Ausnahmetalent gefeiert wird, vermittelt die französische Regisseurin eindringliche Gefühle vorwiegend über audiovisuelle Montagen, in denen Bilder und Songs möglichst aufregend zu einer Einheit verschmelzen. Wie der 17-jährige Simon in den ersten Szenen des Films vor Sonnenaufgang durch die Stadt rennt und skatet, auf dem Fahrrad durch Straßen rast oder über Dächer klettert, hat ebenfalls etwas von der lebensfreudigen Körperlichkeit, in die manche Figuren aus Dolans Werken teilweise verfallen. 

Die anfänglichen Szenen aus Quillévérés Film führen hingegen weg vom Leben hin zu einem unmittelbaren Einbruch des Todes. Nachdem er sich mit zwei Freunden zum Surfen getroffen hat, gerät der Van mit den drei Jugendlichen auf der Rückfahrt in einen Unfall. Simon war der einzige, der nicht angeschnallt war, weswegen die ankommenden Ärzte aufgrund schwerer innerer Blutungen nur noch den Hirntod des Jungen diagnostizieren können. Von dieser Entwicklung aus verschiebt die Regisseurin gleichzeitig den erzählerischen Fokus der Handlung. Wirkte der Auftakt noch, als würde sich Quillévéré ausschließlich dem 17-Jährigen widmen und einzelne Momente bewusst ausdehnen, um deren Wirkung möglichst intensiv auszukosten, entfalten sich die nachfolgenden Szenen nach Simons fatalem Unfall mit auffälliger Sprunghaftigkeit. 

Basierend auf dem gleichnamigen Roman von Maylis de Kerangal entwirft die Regisseurin im Verlauf von Die Lebenden reparieren ein ganzes Ensemble an Figuren, das von den weiteren Ereignissen betroffen ist. Ebenso berührend wie schwer erträglich ist der Moment, in dem den Eltern von Simon mitgeteilt wird, dass es für ihren Sohn keine Rettung mehr geben wird. Nur noch Maschinen lassen Simons Herz künstlich weiterschlagen, ansonsten ist er bereits ein Toter, der äußerlich wirkt, als sei er noch am Leben. Ehe die Trauernden ihren plötzlichen Schmerz des Verlustes überhaupt richtig realisiert haben, warten allerdings noch weitere Informationen auf die Mutter und den Vater des Jungen. 

Marianne und ihr Ex-Mann Vincent sollen möglichst schnell darüber entscheiden, ob sie die Organe ihres verstorbenen Sohnes für eine mögliche Transplantation freigeben wollen, ohne zu wissen, wie sich der erst 17-Jährige selbst zu diesem Thema verhalten hätte. Die Entscheidung, welche von den Eltern nur kurze Zeit später getroffen wird, steht symptomanisch für jenen übereilten, oberflächlichen Ton, von dem Quillévérés Film mit Erreichen der zweiten Hälfte vollends befallen wird. Die einzelnen Figuren in Die Lebenden reparieren, die neben Simons Eltern vom Arzt und der Krankenschwester über Mitarbeiter der Transplantationszentren bis hin zu einer Frau reichen, die sich als Bedürftige eines Spenderherzens entpuppt, erfüllen zunehmend einen funktionalen Zweck und sind kaum mehr als Glieder in einer Kette von Ablaufprozessen, die den vollständigen Kreislauf einer Organtransplantation veranschaulichen sollen. 

Unter den sentimentalen Klaviertönen von Alexandre Desplats Score, der zunächst eher dezent im Hintergrund platziert ist und schließlich immer penetranter eingesetzt wird, verkommt der Streifen zu einer gefühlsseligen Mischung aus einem Drama, in dem die entscheidenden Figuren kaum mehr als flüchtig angerissene Abziehbilder bleiben, und einem überdeutlichen Plädoyer zur Organspende, für das Quillévéré erzählerische Komplexität der unkomplizierten Verständlichkeit unterordnet. Der Handlungsverlauf, welcher zunehmend mechanischer wirkt und Emotionen zwischen einzelnen Figuren nur in kurzen Szenen andeutet, steuert bereits im darauffolgenden Moment die nächste Station im Kreislauf des Organspende-Prozesses an. Als Drama, für das noch dazu talentierte Namen wie Emmanuelle Seigner (Das Lächeln) oder Anne Dorval (I Killed My Mother) verpflichtet werden konnten, wirkt Die Lebenden reparieren daher wie ein aufgeblähtes, manipulatives Werbevideo, dem immerhin gute Absichten zu entnehmen sind, während dramaturgische Feinheiten, differenzierte Zwischentöne und ehrliche Emotionen, die nicht durch die aufdringliche Inszenierung erzwungen werden, völlig auf der Strecke bleiben.

Fazit

Auch wenn Katell Quillévéré ihr Drama „Die Lebenden reparieren“ mit der richtigen Botschaft ausgestattet hat, ist der Film selbst von äußerst zwiespältiger Qualität geprägt. Nach einem gelungenen, emotional mitreißenden Auftakt entwickelt sich der sprunghaft-zerwürfelte Handlungsverlauf, in dem die Regisseurin ein ganzes Ensemble an Figuren lediglich oberflächlich anreißt, zu einem funktionalen, manipulativen Plädoyer, das wie ein überlanges, manipulatives Werbevideo wirkt und vielschichtige, differenzierte Betrachtungen zur zentralen Thematik der Organspende völlig vermissen lässt.

Kritik: Patrick Reinbott

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