Die Entrüstung kannte nach der Verkündung, Tom Cruise (Jack Reacher) würde in die Rolle des Oberst Claus von Stauffenberg schlüpfen, keine Grenzen. Der Grad der Empörung uferte schnell in ein bizarres Ausmaß und Historiker wie Feuilletonisten zerrissen sich die Mäuler im großen Stil: Ausgerechnet der durch die Medien in Deutschland nur noch als Scientologe wahrgenommene Tom Cruise soll dieses Privileg zuteil werden, ausgerechnet das ideologisch verstrahlte Sektenmitglied mit dem aufgesetzten Perlweißgrinsen! Wer behauptet, dass Operation Walküre nicht schon vor Drehbeginn in tausend Teile verrissen wurde und zu einem Film gebogen wurde, der von Anfang an zum Scheitern verdammt war, der belügt sich letztlich selber. Aber eigentlich konnte diese gebündelte Animosität, dieser kollektive Groll gegen das so prestigeträchtige Projekt nur von Vorteil für die Crew rund um Regisseur Bryan Singer(X-Men: Zukunft ist Vergangenheit) und seinen Superstar sein.
Von Vorteil deshalb, weil die Erwartungen an Operation Walküre augenscheinlich als Selbstläufer auf ein Minimum reduziert wurden und das so zwanghaft herbeigesehnte Fiasko von der Welt schnell als 'absehbar' abgetan werden würde. Spricht man Operation Walküre aber ganz vorurteilslos von diesen ostentativen Unkenrufen frei, dann treffen wir auf einen Film, der diesen feurigen Trubel im Vorfeld eigentlich überhaupt nicht verdient hat. Dafür nämlich bietet der Historien-Blockbuster (95 Millionen Dollar Budget) letztlich viel zu wenig kontroverse Eckpunkte, an denen man sich durchweg reiben hätte können. Dass es den Drehbuchautoren Christopher McQuarrie und Nathan Alexander schlussendlich nur äußerst geringfügig darum ging, Operation Walküre als mit bis in Detail von historischer Akkuratesse bestücktes Geschichtskino aufzuwirbeln, ist keine Überraschung. Hintergründige geschichtliche Fakten nämlich werden nach Belieben verdreht, editiert und entschlackt, genau wie gefällte Aussagen von einer Person dem dramaturgischen Effekt zu Willen auf eine ganz andere übertragen wird. Diese modifizierte Beschreibung der Planung und der Durchführung des Attentats auf Adolf Hitler bereitet nur Gelehrten Kopfschmerzen.
Problematisch, neben all diesen Ungereimtheiten, zeigt sich die Zeichnung der Oberst Claus von Stauffenberg selbst. Hier nämlich blickt der sich durch seine X-Men-Filme wie Superman Returns längst im Superhelden-Universum akklimatisierte Bryan Singer durch, der Stauffenberg mit einem seiner Comic-Koryphäen zu verwechseln scheint. Seine Bildsprache ist wunderbar, allgemein ist Singer ja wie gewohnt ein Meister der visuellen Narration. Mit der Hilfe des Drehbuchs, das sich letztlich frei von jeder diffizilen Auseinandersetzung mit der Materie offenbart, mutiert Stauffenberg zum Überhelden, zu einem illusorischen Zerrbild eines Menschen ohne Ecken und Kanten, einem Täter aus Überzeugung, frei von Zweifeln. Dass das Attentat vom 20. Juli 1944 nur durch die Unterstützung eines großen Kreises von Gehilfen möglich war, wird in Operation Walküre zwar angeschnitten, doch zu Gunsten der Heroisierung seiner Hauptfigur immer wieder brav aus dem Fokus gerückt. Leute wie Generalmajor Henning von Tresckow (Kenneth Branagh, Jack Ryan: Shadow Recruit), General der Infanterie Friedrich Olbricht (Bill Nighy, Alles eine Frage der Zeit) oder Generaloberst Friedrich Fromm (Tom Wilkinson, Best Exotic Marigold Hotel) werden zaghaft als Opportunisten oder Nervenbündel porträtiert.
Dass sich Tom Cruise mit seinen inzwischen allseits bekannten Manierismen zurückhält, zeugt von Respekt vor seiner Rolle, allerdings ist diese so eindimensional und flach gehalten, dass sich ausgerechnet Stauffenberg als stumpfe Litfaßsäule der Handlung entpuppt, die das Geschehen zusammenhält, es aber nicht dynamisch aufladen kann. Vom überzeugten Nazi und Aristokraten ist bei diesem Stauffenberg natürlich keine Spur, einzig der Saubermann mit Augenklappe darf unter pathetisch waberndem Orchester hohle Phrasen dreschen und zurück in die Denkmiene kippen. Ja, es sind oftmals nur leere Wortfetzen, die hier durch den Raum mäandern, weil der grundierte politische Kontext nicht existent ist. Wenn Operation Walküre aber punkten kann, dann durch seine optische Klasse, in der Bryan Singer stumpfer Nazi-Ästhetik aus dem Weg geht, die Kulissen und Kostüme aber stimmungsgerecht durch sanft auf Grautöne entsättige Fotografien passend in Szene zu setzen weiß. Operation Walküre ist ein sein Sujet fortwährend simplifizierender Suspense-Thriller ohne kraftvollen Nachdruck, er versucht sich redlich darum, die Thematik nicht zu trivialisieren, bleibt aber doch nur leeres, sich seiner komplexen Dimension zu keiner Zeit bewusstes Hollywoodkino.