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Im 19. Jahrhundert versuchen Bauern in Estland den harten Winter zu überstehen. In ihrer Not greifen sie auf dunkle Magie zurück.

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Quelle: themoviedb.org

Kritik

Ein Film aus Estland. Was sagt man dazu? „Immer her damit“ wäre ein guter Ansatz, hat November doch auf seiner Festival-Weltreise mehr als nur ein paar Fans gesammelt. Da ist es bloß konsequent, dass der Film von Rainer Sarnet nun einen bundesdeutschen Kinostart erfährt, auch wenn der Film es sicherlich nicht leicht an den hiesigen Kinokassen haben wird. Das liegt unter anderem daran, dass Informationen, die man über den Film bekommt, zumeist schwammig bleiben. Das liegt aber nicht an mangelhaften Beschreibungen, sondern daran, dass Regisseur Sarnet einen wahrlich einzigartigen und völlig selbstsicher seltsamen Film abgeliefert hat. Das Fantasy-Drama spielt im 19. Jahrhundert in einem Dorf in Estland. Bauern und deutsche Aristokraten leben übereinander hinweg. Die Bauern versuchen, mit Hilfe von Magie den Winter zu überstehen. Die Aristokraten versuchen, mit Hilfe von Jesus die Bauern an ihrem Platz zu behalten. Hokuspokus.

Rainer Sarnet (Idioot) inszeniert unheimlich präzise. Es dauert keine zehn Sekunden, bis die Welt für den Rest des Films klar definiert ist. Aus dem nebligen Weiß schält sich die Kontur einer füllen Eisschicht auf einem See. Winter has come. Ein Winter, der jedes Leben verdeckt und in ein weißes Korsett zwängt. Es sind Momente einer unbarmherzigen Natur, die alles verschlingt, erstarren lässt. Ein einsamer Wolf stapft durch den Schnee, wälzt sich und verschwindet einsam im Walde. Bilder wie bei einem Gemälde. Und dann wandert eine dreibeinige Sense mit Rinderschädel durch die Gegend und entführt fliegend eine Kuh. Einfach so, ohne Vorwarnung, fast schon mit der Stilistik des Horrorfilms hantierend. Eine dreibeinige Sense, ein magisches Wesen, das nach Arbeit verlangt, im tiefsten Winter und schließlich stirbt. Das lebendige Gerät wurde von einem Bauern gebaut und - unter Zahlung eines (zu) großen Preises - zum Leben erweckt. Mit der Macht des Teufels, der im angrenzenden tiefen Walde wohnt.

Sarnet inszeniert oftmals bizarre Szenen mit fantastischen Bildern, absurden Bildern, die jedoch in ihrer strengen Schwarzweiß-Optik durchaus eine harsche Aura haben. Das Fundament der Figuren und Geschichten liegt zutiefst in alten Horrorgeschichten begraben, so arbeitet November als Schauermär mit Archetypen aus Märchen und Gruselliteratur. Es sind finstere Situationen und unangenehme Verhältnisse, aus denen die Bauern nur mit schwarzer Magie zu gelangen glauben. Der deutsche Aristokrat (Human Centipede-Doktor Dieter Laser) denkt erfreut, dass die Bauern Jesus Christus als ihren Retter akzeptiert haben. Das wäre erfreulich, weil sie in Zuge dessen nicht zu höherem Aufstreben würden, aber endlich zivilisiert werden würden. Doch Glauben füllt die Mägen nicht. Und so summiert sich Sarnets Romanadaption zu einem Film, in dem alles möglich ist - außer Gottes Gnaden.

„Die Toten sind keine Menschen mehr. Warum sie also nicht Biester nennen?“

Fazit

Mit „November“ hat Rainer Sarnet sicherlich einen der interessantesten Filme des Kinojahres inszeniert. Im November, wenn der Frühling unnahbar weit entfernt ist und die Menschheit sich in Gier und Sehnsucht gegenseitig zerreißen will, wird kein Plot, eher ein Stück Zeitgeschichte erzählt. Eine Zeit, in der unsinnige Machtverhältnisse zu einer Kultur der Herzlosigkeit führen. Ultimativ seltsam, auch fantastisch und irgendwo - in all dem Irrsinn - auch sinnstiftend. Vor allem aber feinst bebildert und herrlich stilisiert; mit echten, schönen, praktischen Effekten. Ein breit gefächerter Budenzauber, der vor allem die Naivität der Menschheit im Moment der Gier kritisiert; sei es durch das Schaffen von Technik oder das Verhandeln mit dem Teufel in uns.

Kritik: Levin Günther

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