Inhalt
Jomar ist ein ehemaliger Ski-Profi, der zurückgezogen als Liftwärter eines Ski-Parks arbeitet. Eines Tages erfährt er, dass im Norden sein vermeintliches Kind leben soll. Also macht sich Jomar, mit fünf Litern Alkohol bewaffnet, auf seinem Schneemobil auf den Weg Richtung Polarkreis. Auf seiner Reise trifft er weitere interessante Menschen und es stellt sich schließlich die Frage: Will Jomar sein Ziel überhaupt erreichen?
Kritik
Karg wie die verschneite Landschaft sieht es im Herzen von Rune Denstads raubeinigem Helden aus. Umnebelt von Alkohol und Psychopharmaka vegetiert Jomar (Anders Baasmo Christiansen) in seiner Hütte vor sich hin. Sein einziger Lebensinhalt ist das regelmäßige Vorbeischauen in der Psychiatrie, doch selbst dort wollen ihn die Ärzte nicht mehr aufnehmen. Man kann es ihnen kaum verübeln. Der Protagonist der kaum 80-minütigen Groteske dümpelt zwischen einschläfernd und unausstehlich. Kein Wunder, dass Jomar einsam ist. So doll einsam, dass er sogar seinen alten Konkurrenten Lasse (Kyrre Hellum) ins Haus lässt. Lasse ist auch nicht gerade ein Ausbund an Sympathie, aber er hatte mal eine Freundin. Die Freundin war vorher mit Jomar zusammen, aber ist dann gewechselt. Die Auswahl an Männern im hohen Norden ist halt klein. Nun erfährt Jomar von dem einstigen Rivalen, dass er von Linnea einen kleinen Sohn hat. Um das Kind zu besuchen, fehlt ihm die Energie.
Erst nachdem ihm der Zufall im wahrsten Sinne mit einem Brand einheizt, schwingt er sich auf sein Schneemobil und fährt los. Ein Mann fährt durch die Landschaft auf einem ungewöhnlichen Vehikel zu einem Verwandten. Gab es das alles nicht schon einmal intelligenter unter dem Titel The Straight Story? Wie der Protagonist von Lynchs Road Movie begegnet Jomar unterwegs skurrilen Gestalten. Entweder sind es alte Menschen, die sich vom Leben entfremdet haben oder Kinder, die ohne Eltern aufwachsen müssen. Jeder kann sich mit solchen Problemen identifizieren, dachte der norwegische Regisseur. Sein „anti-depressives Road Movie“ ist mit dem missglückten Humor und sinnfreien Pathos so monoton wie die weiße Winterlandschaft. Als Schneeblindheit Jomar zum Anhalten zwingt, nimmt das Mädchen Lotte (Marte Aunemo) ihn bei sich auf, bis er wieder sehen kann. Tatsächlich ist es natürlich Jomars tauendes Herz, welches wieder sehen lernt. Der verschlossene Riese erkennt, wie allein er doch ist.
Auch Lottes Großmutter nimmt das Auftauchen des Fremden als Zeichen, sie solle mit der Enkelin wieder unter Menschen ziehen. Exemplarisch führt das verschrobene Road Movie mittels der Nebenfiguren vor Augen, welches Schicksal wartet, sollte Jomar nicht zu seinem Kind gelangen. Wächst sein kleiner Sohn vaterlos auf, wird er vielleicht ein panisch homophober, unterdrückt schwuler Jugendlicher. Geht es nicht mehr weiter auf der Reise, kommt just einer des Weges, der Jomar hilft. Da kann die Landschaft Norwegens noch so verlassen sein. Ist niemand zugegen, steht eine Baracke mit Ofen bereit, um den Pilgernden zu wärmen. Längst hat man es erraten, Jomars Reise ist eine spirituelle Wanderung zu sich selbst. Eine Richtung fehlt der Reise genauso wie dem Film. Egal, in welche Richtung er zieht, er wird schon ankommen. Reisetechnisch und emotional ist der Hauptcharakter bald über den Berg. So langatmig kann Lakonie sein.
Fazit
Die filmische Schlaftablette sendet eine Hoffnungsbotschaft, die so trügerisch ist, wie die Klimaerwärmung als Schönwetter zu deuten. In das Nichts, aus dem sie kamen, verschwinden die Depressionen des Protagonisten wieder. Vielleicht verlor Denstad schlicht das Interesse an den Figuren, bevor sein Film zu Ende erzählt war. Verdenken kann man es ihm nicht.
Autor: Lida Bach