Shakespeares Tragödie von Richard III. neu erzählt: Zwei hohe Häuser, die arabischen Großfamilien York und Lancaster, haben den Krieg, der seit Jahren auf Berlins Straßen tobt, in den Gerichtssaal getragen. Rashida, die jüngste Tochter des Hauses York und Anwältin, beendet den seit Jahren andauernden Bandenkonflikt mit einem blutigen Anschlag auf die Köpfe des Lancaster-Clans. Endlich Frieden! Aber als Frau ist Rashida in dieser Welt der Männer nur ein Spielball.
Kritik
Der Trend zu zeitgenössischen Shakespeare-Verfilmungen ist noch nicht vorüber. Das beweist Burhan Qurbani (Wir sind jung. Wir sind stark.) mit einer neuen Adaption des düsteren der Königsstücke des Barden. Dessen wohl schillerndsten Schurken Richard III interpretiert der Regisseur und Drehbuchautor als zeitgenössische Gangster-Saga um ein deutsch-arabisches Gewaltimperium. Worin dieses eigentlich besteht, bleibt unklar. Diese Vagheit hätte eine Stärke sein können: ein Verweis auf die Nichtigkeit blutig umkämpfter Machtpositionen und die Austauschbarkeit der sozialen Strukturen und politischen Systeme, die skrupellose Tyrannen hervorbringen.
Stattdessen ist es eine weitere Leerstelle innerhalb einer markigen Inszenierung, die mehr an hohlen Gesten interessiert ist als an Inhalten, ob psychologischer, politischer oder ideologischer Natur. So eliminieren der Regisseur und seine Co-Drehbuchautorin Enis Maci Richards physische Handicaps und den Großteil der sich darauf beziehenden Dialoge. Der Ableismus, der eine entscheidende Motivation des Protagonisten ist und das Schicksal zahlreicher Widersacher*innen als provoziert und verdient definiert, existiert nicht mehr. Dafür ist Richard jetzt Rashida (Kenda Hmeidan).
Der Gender-Switch bleibt ein prätentiöses Gimmick, das so unglaubwürdig bleibt wie der daran geknüpfte emanzipatorische Gestus. Eine Neudefinition der Hauptfigur aus weiblicher Perspektive ersetzen altväterliche Freudianische Stereotypen. Statt Rachgier und Machthunger motiviert Rashida Penis-Neid. Ohne jedes Gespür für queere Dynamik wird ihre strategische Verführung Ghanima Lancasters aka Lady Annes (Mona Zarreh Hoshyari Khah) zum für einen straighten männlichen Blick aufbereiteten Klischee. Dabei widerlegt Rashidas Aufstieg die patriarchalen Strukturen, gegen die sie sich vermeintlich auflehnt.
Dass Elisabet York (Verena Altenberger, Bach - Ein Weihnachtswunder) als in den arabischen Klan eingeheiratete Deutsche tragisches Oper und verzweifelte Gegnerin der grausamen Rashida ist, gibt dem Szenario einen unangenehm xenophoben Unterton. Diesen hätte ein Ausarbeiten der machiavellistischen Räson, die alle Charaktere des Shakespeare-Stücks leitet, verhindern können. Doch alle Hintergründe und Feinheiten erdrückt das plumpe Krimi-Theater mit synthetischen Schauwerten. Die bisweilen fast apokalyptisch anmutenden Settings liegen irgendwo zwischen PC-Game und Werbe-Ästhetik. Trotzdem sind sie noch der unterhaltsamste Aspekt des schalen Spektakels.
Fazit
4.0
Nach "Berlin Alexanderplatz" nimmt sich Burhan Qurbani mit William Shakespeares Richard III einen weit grandioseren Literaturklassiker vor. Was ein grandioses Scheitern hätte werden können ist ein klägliches. Wenn die oberflächliche Inszenierung am originellsten sein will, wirkt sie besonders derivativ. Das gilt auch für die düstere Farbpalette und geringe Ausleuchtung, die den erdrückenden Kulissen einen Gothic-Touch geben. Makellos ist allein das Schauspiel; insbesondere Kenda Hmeidan und Hiam Abbass beschwören einen Rest der dramatischen Kraft, die hier verpufft.
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