Die spannende Frage, die Mutter ins Zentrum rückt, ist die nach den Möglichkeiten der Repräsentation. Regisseurin Carolin Schmitz (Schönheit) hat für ihren Film acht Frauen im Alter zwischen 30 und 75 Jahren dazu befragt, wie es sich für sie anfühlt, Mutter zu sein. Die acht befragten Frauen sieht man im Film nicht, man hört nur ihre Stimmen als Monologe, die von Anke Engelke (Mein Sohn) schauspielerisch begleitet werden. Die Rolle von Engelke ist dabei die einer Schauspielerin, deren Alltag nicht so spektakulär ist, wie man es sich vorstellen mag: sie geht zum Zahnarzt, hängt Wäsche auf, hält sich fit, bereitet sich auf ihre Rollen vor. Die Monologe werden ihr mal so auf die Lippen geschnitten, dass sie sie vor sich hinspricht oder im Interview-Modus zur Kamera gerichtet von ihrem Leben erzählt. Mal scheinen sie auch nur in ihrem Kopf stattzufinden. Die Dynamik des Filmes bildet sich durch diesen Wechsel der Arten des Monologs, durch verschiedene Settings und den unterschiedlichen Stimmlagen der Frauen.
Die einzelnen Settings sind so eingerichtet, dass sie zwar zusammengehören können, aber doch die verschiedenen Altersspannen der befragten Frauen abbilden. So beginnt der Film beispielsweise in einem sehr altmodischen Bad und wechselt nach wenigen Minuten in ein helles, modernes Zimmer, von dem man schon eher vermutet, dass darin eine Schauspielerin wohnt. Schmitz lädt den Zuschauenden dazu ein, über das Gemeinsame und Unterschiedliche der Frauen, über ihre Unsichtbarkeit und über die Möglichkeiten ihrer personellen Repräsentation nachzudenken. Anke Engelke war dabei als Hauptdarstellerin eine gute Wahl, da man ihr ihre Wurzeln in Comedy- und Sketch-Shows noch immer anmerkt. Ihre Betonung der Gesichtszüge, die teils etwas Theatrales bis Karrikatives an sich hat, ermöglicht es in Kombination mit den Originalstimmen der Frauen, dass die Bilder den Eindruck von Durchlässigkeit erwecken, wodurch gewährleistet wird, dass man sich stets an die sich hinter Engelke versammelnden Frauen erinnert.
Es ist sehr gut, dass Mutter ihren Geschichten ein Denkmal setzt und damit auch gegen ein allzu romantisiertes Bild der Mutterschaft angeht. Gut ist auch, dass der Film die positiven Erfahrungsdimensionen nicht ausspart und dadurch keinem Zynismus verfällt. Stattdessen geht es dem Werk darum, möglichst viele – auch versteckte – Facetten des Mutter-Seins aufzudecken: von der Care-Arbeit, über das Schicksal als Alleinerziehende, bis hin zum eigenen Sexleben. Schade ist nur, dass Schmitz Werk unterbetont erscheint, keine Themen isoliert und hervorhebt.
Der Alltag der von Engelke dargestellten Schauspielerin könnte dabei bis auf wenige Ausnahmen auch jeder der Mütter im Hintergrund gehören. Man hat sich demnach nicht dafür entschieden, dass die Protagonistin eine Schauspielerin sein soll, um einen extravaganten Lebensstil mit einem eher alltäglichen zu vergleichen. Stattdessen besteht die Idee darin, den Rollencharakter des Mutter-Seins herauszustellen: "Mutter" ist in diesem Film kein Individuum, sondern eine Rolle, die man einnimmt. Schmitz versucht dorthin zu gelangen, wo die Perspektive der Romantisierung nicht hingelangt: zu zufälligen, überfordernden, teils nur auf Umwegen schönen Erfahrungen der Mutterschaft. Dabei wahrt sie durch die experimentelle Prämisse ihres Filmes die Anonymität der befragten Frauen, schafft es jedoch nicht, ihre Geschichten ausreichend voneinander abzugrenzen. Das liegt zum einen an den teils faden, ineinander übergehenden Alltagssituationen, zum anderen am Schauspiel von Anke Engelke, das den Frauenstimmen nur in Nuancen eigene mimische Konturen verleiht. Mit andauernder Lauflänge verschwindet die anfängliche Faszination für die Prämisse und wird abgelöst von einer zunehmend tristen Seherfahrung.