„You’re Welcome“ ist nicht nur der größte Hit aus Vaiana - Das Paradies hat einen Haken (2016), sondern auch die Haltung, mit der Disney im Februar 2024 eine Bombe platzen ließ. Statt die polynesische Welt in einer angekündigten Disney+-Serie erneut zu erkunden, überraschte das Studio bei einer Aktionärsversammlung mit der Ankündigung einer richtigen Fortsetzung – und diese wurde direkt für Ende des Jahres datiert. Doch hinter diesem strahlenden Anschein verbirgt sich ein wohlkalkulierter, pragmatischer Schachzug: Die ursprünglich geplante Serie wurde kurzerhand in einen Kinofilm umgewandelt, um die durch wiederholte Misserfolge angespannte Stimmung der Aktionäre zu besänftigen und den Fokus auf die gewinnbringende Weihnachtszeit zu lenken.
Einige Monate und zwei herausragende Kinoerfolge später – Deadpool & Wolverine sowie Alles steht Kopf 2 – hat sich die finanzielle Lage für Disney spürbar entspannt. Zusammen spielten diese Blockbuster weltweit rund 3 Milliarden US-Dollar ein, was dem Unternehmen eine stabile Ausgangslage verschafft. Nun wird Vaiana 2 als krönender Abschluss eines wirtschaftlich prägenden Jahres positioniert. Insbesondere die strategische Platzierung in der Weihnachtszeit scheint für Disney eine nahezu garantierte Einnahmequelle, zumal Mufasa: The Lion King als weiterer Schwergewichtstitel hinzukommt.
Doch während die wirtschaftlichen Erwartungen klar definiert sind, bleibt die künstlerische Vision des Sequels überraschend blass. Fans des Originals, die sich auf ein abenteuerliches Eintauchen in das polynesische Setting freuen, könnten enttäuscht sein. Die neuen Songs – diesmal ohne die Mitwirkung von Lin-Manuel Miranda (Hamilton) – wurden von Mark Mancina, Opetaia Foaʻi sowie Abigail Barlow und Emily Bear komponiert. Trotz technischer Perfektion mangelt es den Melodien jedoch an der emotionalen Resonanz und Eingängigkeit, die Disney zuletzt mit Stücken wie „We Don't Talk About Bruno“ aus Encanto (2021) oder den Hits der Frozen-Filme erreichte. Stattdessen wirken die Stücke wie routinierte Hymnen, die die Handlung vorantreiben, ohne wirklich in Erinnerung zu bleiben.
Erzählerisch krankt das Sequel an einem Übermaß an Charakteren und einer fehlenden narrativen Kohärenz. Während der Vorgänger von der dynamischen Beziehung zwischen Vaiana und Maui profitierte, wirkt die Einführung zahlreicher Nebenfiguren hier wie eine überflüssige Erbschaft der einst geplanten Serienstruktur. Charaktere wie der Botaniker, der Geschichtenerzähler oder die Erfinderin bleiben über weite Strecken blass und redundant, da die Handlung sie weder sinnvoll integriert noch ihren Rollen Tiefe verleiht. Dies führt dazu, dass die emotionale Bindung, die den ersten Teil so stark machte, kaum wiederhergestellt wird.
Hinzu kommt eine Atmosphäre, die trotz der visuell opulenten Darstellung überraschend farblos wirkt. Wo der erste Film noch mit Abwechslung und kreativen Schauplätzen glänzte, erscheint Vaiana 2 wie eine makellos polierte, aber letztlich uninspirierte Produktion, die kaum über die ursprüngliche Streaming-Ausrichtung hinauskommt. Die Geschichte schleift sich träge dahin, während selbst das strahlend blaue Meer und die sonnenüberflutete Kulisse nicht die erzählerische Eintönigkeit kaschieren können.
Vaiana 2 ist bei Weitem kein schrecklicher Film – Disney hat in der Vergangenheit weitaus enttäuschendere Fortsetzungen produziert. Dennoch fehlt diesem Sequel das narrative Engagement und die künstlerische Ambition, die den ersten Teil so einnehmend machten. Besonders das Ende, geprägt durch eine After-Credit-Szene, die eher an das Franchise-Denken der Marvel Studios erinnert, unterstreicht die marktorientierte Ausrichtung des Films. (Pseudo) Märchenhafte Disney-Magie bleibt dabei auf der Strecke. Aber okay, dann wird uns wohl Vaiana 3 erwarten – neben dem angekündigten Live-Action-Remake. Den Aktionären wird‘s gefallen. You’re welcome.