Globalisierung, Völkerverständigung, Toleranz, Respekt aber auch die selbstverständlichen Vorurteile sind alles Dinge, die in der Schullaufbahn eines jeden jungen Menschen behandelt werden. Sei es, mittels Literatur, Dokumentationen, Erzählungen oder Spielfilmen. „Outsourced“ wäre so ein Kandidat, der dem Verfasser dieser Zeilen ein paar Englischstunden „versüßen“ durfte. Leider gehen die (sehr rar und hauchdünn gesäten) kritischen und sozialen Ansätze in dem Film allzu schnell im sehr großzügig und fingerbreit geschmierten Kitsch unter, sodass der Spaß schnell mal dem genervten auf-die-Uhr-schauen weicht. Zieht man nun „Mein Herz tanzt“ als Vergleich heran, so fallen gleich mehrere Dinge positiv auf. Die gleichen Fehler werden hier nicht begangen, der Film funktioniert nicht wie ein eher schlecht als recht zusammengeschustertes Mühlwerk, sondern gibt seinen Figuren und Komponenten viel Platz zum Atmen.
„Dancing Arabs“, wie der Originaltitel des Films lautet, sieht man dann tatsächlich auch wortwörtlich. Etwa wenn die Hälfte des Filmes vorüber gegangen ist und Saddam Hussein beginnt, sich zu „wehren“ - dann tanzt die arabische Bevölkerung (hier eine palästinensische Familie) in ihrem Haus, anstatt im Keller Schutz zu suchen. Die Menschen tanzen und jauchzen ihre Unterstützung der Angriffe laut in die Nacht, während die Bomben in nicht allzu weiter Ferne mit einem dumpfen Grollen detonieren. Das Land ist in einer politischen Aufbruchstimmung, Wechsel soll her. Egal, was für Wechsel, Hauptsache anders als jetzt.
Diesem Motto folgt auch der Junge Eyad (Tawfeek Barhom, "The ABCs of Death 2"), dessen Vater ein Tagelöhner ist - etwas, was von Eyads Lehrer nur voller Spott gesagt wird. Eyad aber ist ein verdammt schlauer Bursche. Ihm wird zwar eingedroschen, dass er sich anzupassen habe, um nicht wie sein jämmerlicher Vater zu enden, aber er lässt sich nicht zurecht stutzen. Der Astrophysiker Neil DeGrasse Tyson hat einmal gesagt, es besorgt ihn, wenn er darüber nachdenkt, wie wenig Juden und Muslime je den Nobelpreis für Erkenntnisse auf den naturwissenschaftlichen Gebieten gewonnen haben, weil die Bildung in den zutreffenden Ländern dem Glauben untergeordnet wird und wie viele potenzielle Genies die Welt dadurch wohl verlor. Eyad geht später als Araber auf eine Elite-Schule in Jerusalem, Israel, er lebt quasi den Traum - und ist auf einmal das Opfer einer Gesellschaft. Weil die Israelis Vorurteile haben, hassen sie Eyad, weil seinem Volk (und damit selbstredend auch ihm persönlich) Hass aus Vorurteil gegenüber der israelischen Bevölkerung vorgeworfen wird. Ein saftiger Teufelskreis, in dem Unwissen Hass schürt. Ein Hass, der all die Elemente des Verbrennungsdreiecks in sich vereint und sich selbst am Leben erhält.
Eyad wird für seine Identität gehasst, aber das stellt der Regisseur israelische Regisseur Eran Riklis schon vor Beginn des Films in einen weiteren Kontext. Identität sei etwas, was der Mensch selbst erschaffen hat, um sich selbst einen Wert zuzuschreiben. Ein Gedankenkonstrukt, um das eigene Ego anzufeuern. Kurz darauf erscheint auf dem Bildschirm in Schriftform der Hinweis, dass jeder fünfte Mensch in Israel Araber ist. Jeder fünfte Bewohner wird quasi als unpassend angesehen, als dreckig, notgeil und böse. Riklis räumt über die Laufzeit von gut 100 Minuten ordentlich mit Vorurteilen auf - an allen Ecken und Enden. Nicht immer ist das frei von kleineren Unebenheiten oder einer etwas zu schematischen Coming-of-Age-Geschichte. Und nicht immer dürften sich die tieferen Wahrheiten des Films dem westlichen Publikum in all ihrem Glanz erschließen, aber gänzlich ausgegrenzt wird der Zuschauer hier nicht.
Im Gegenteil, „Mein Herz tanzt“ ist ein durchaus informativer und politisch aktiver und offener Film, der sich keine Grenzen auferlegen lässt und sich furchtlos in die unsicheren Gefilde des politisierten Kinos wagt - letztendlich mit Erfolg. Es ist einfach angenehm, Eyad dabei zuzuschauen, wie er fürchtet, lebt, liebt und lacht, wie er größer wird, sich der jugendlichen Verrücktheit hingibt und in den Weiten der adoleszenten Melancholie verweilt. Ganz ohne Pathos oder falsche Überdramatisierung kommt der Film aus, was einer Wohltat gleicht, nimmt man sich einmal die beeindruckende Lebensgeschichte vor Augen, die der Film nun einmal letztendlich erzählt. Ein derart nüchterner Film aus Hollywood? Undenkbar!