Der Ruf und das Echo mancher Filme ist manchmal größer, als die Filme selbst. Die Kriegssatire M.A.S.H von Robert Altman (Nashville) fühlt sich aus heutiger Sicht ein bisschen so an. Altman`s Film traf im Jahr 1970 einen kollektiven Nerv, der in den, langsam ausklingenden, 60er Jahren in den USA tief verwurzelt lag. Der Schrecken von Vietnam lag noch spürbar in der Luft, Zynismus und Bedauern beherrschte das Bewusstsein der Nation. M.A.S.H handelt zwar nicht vom Krieg in Vietnam, aber seine Geschichte vom lächerlichen Treiben mehrerer Chirurgen in einem Kriegslazarett während des Korea-Kriegs legte dennoch diese klaffende Wunde offen. So sehr, das die Popularität des Filmes schließlich zu einer, heute wesentlich populäreren, Fortsetzung in Serienformat führte. Altman und fast der gesamte Cast waren an jener nicht mehr beteiligt. Aus dem Standpunkt der Gegenwart vermag der Original-Film wie eine Blaupause oder ein verlängerter Pilotfilm erscheinen, doch er erweist sich immer noch als bittere Abrechnung mit der Militärinstitution.
Altman etabliert seinen Film nicht offensiv als Komödie. In den Eröffnungsminuten stimmt Johnny Mandel´s berühmter Song „Suicide is painless“ an, während Militärhubschrauber bedrohlich über dem koreanischen Urwald kreisen. Statt mit Heiterkeit beginnt Altman seinen Film mit einer tiefen Todessehnsucht, die aber im weiteren Verlauf des Filmes nie wieder so explizit hervor tritt. Als Zuschauer nehmen wir zunächst die Perspektive des anreisenden Chirurgen Cpt. „Hawkeye“ Pierce (Donald Sutherland, Wenn die Gondeln Trauer tragen) ein, dessen erste Amtshandlung nach dem Eintreffen erst einmal der Diebstahl eines Jeeps ist. Bald trifft er auf seinen, ebenso hitzköpfigen, Zeltgenossen Cpt. „Trapper John“ McIntyre (Elliott Gould, Der Tod kennt keine Wiederkehr). Beide sind mit, fast dem gesamten Rest der stationierten Ärzte sofort auf einer Wellenlänge, und das in mehreren Belangen: Genug Alkohol muss am Start sein, so gut wie jede Regel innerhalb des Lazaretts gebrochen werden und jeder Krankenschwester hinterher gegafft werden. Unter der Chaostruppe und ihrer, nie enden wollenden Partystimmung, nimmt das Lazarett fast immer mehr die Form eines Studentenwohnheimes an, bei der es auch gerne mal zum Golfplatz oder Footballfeld umfunktioniert wird.
Das bunte Treiben ist natürlich ein Dorn in den Augen der Autoritäten, verkörpert durch den strengen Major Frank Burns (Robert Duvall, Der Pate) und die über-motivierte Major Margaret O´Houlihan (Sally Kellerman, Brewster McCloud). So sehr beide sich auch Bemühen die Truppe in Zaun zu halten, letztendlich sind sie gegen deren grenzenlosen Provokationen machtlos. Burns macht sich bereits durch seine massiv nach außen getragene Religiosität zur Witzfigur und erntet nur Spott, während O´Houlihan als Frau in einer Autoritätsrolle generell nicht ernst genommen wird. Darüber hinaus aber scheinen die Ärzte rund um Hawkeye und Trapper John schon lange nicht mehr an Autorität oder an Ordnung überhaupt zu glauben. Sie haben schon genug verwundete Körper zusammen geflickt oder Totenscheine ausgestellt um zu wissen, das nur sie selbst wirklich für Ordnung sorgen können. Burns und O´Houlihan verkörpern mit ihrer strengen Hingabe zum Militärsystem den blinden Glauben an Ordnung, während nur 3 Meilen entfernt Menschen sinnlos sterben. Gnadenlos dekonstruiert Altman den amerikanischen Patriotismus zusammen mit dem Gedanken, es lasse sich noch irgendetwas gewinnen.
Hawkeye, Trapper John und des Rest ihres Gefolges haben längst begriffen, das der Krieg zu nichts mehr führen wird, als Tod und Zerstörung. Dementsprechend tragen sie ihre „Egal“-Haltung auch aggressiv nach außen. Unter der brütenden Hitze des koreanischen Urwalds sind sie nichts weiter, als kleine Buben auf dem Spielplatz, die nur ihren Launen und Hormonen folgen. An ihre Heimat scheint sie auch nichts zu binden, unkommentiert bleiben die Stimmen aus dem Radio, die vom Verbot von Marihuana berichten, welches die stationierten Ärzte auch hemmungslos konsumieren. Fast ist man als Zuschauer verleitet, sich mit den Chirurgen zu identifizieren, schließlich sind sie darauf angelegt, den rebellischen Lausbuben in uns allen anzusprechen. Doch immer wieder schlagen ihre Späße in hemmungslosen Sexismus und gefährliche Ignoranz über. Die Chirurgen kommen nicht auf ihre eigene Position klar und übernehmen sich in ihrer Selbstdarstellung. Seinen Höhepunkt findet das schließlich, als der Zahnarzt Waldowski (John Schuck, McCabe & Mrs Miller) von Potenzproblemen heimgesucht wird und daraufhin plant, sich das Leben zu nehmen. Altman entlarvt hier das Verhalten der Chirurgen genauso wie das ihrer Autoritäten. In dieser Hinsicht gibt sich M.A.S.H hemmungslos und scheut vor politischer Provokation nicht zurück, so das jeder für sich irgendwann entscheiden muss, wie angenehm das Verhalten der Figuren anzusehen ist.
Die satirische Spitzen von M.A.S.H fallen im Gewand des Filmes vehement ins Auge. Altman inszeniert seinen Film in Form einer episodenhaften Klamotte, der dann doch eine schmerzliche Hoffnungslosigkeit inne wohnt. Zu sehr wiegt das erschreckende Setting auf dem bunten Treiben der Protagonisten. Altman nimmt den Zuschauer nicht an die Hand, sondern wirft ihr viel mehr in die Hitze des Lazaretts. Ebenso verweigert er sich eines moralischen Ankers, der die Dynamiken klären und den Zuschauer in Sicherheit wiegen würde. Seine Herangehensweise ist deswegen so fruchtbar, weil er die Figuren nie bremst. Inwiefern man sich nun mit Chirurgen oder Aufseher identifizieren will oder von ihnen abgestoßen bleibt, ist jedem selbst überlassen. Der einzige Weg, wie sich Hawkeye und Trapper John am Ende rechtfertigen können ist vielleicht die Tatsache, das sie immerhin ihren Job machen. Die Aufgabe, Menschen zu retten, statt welches zu nehmen ist am Ende des Kriegstages wohl immer noch die angenehmere Position, mit der man aber trotzdem irgendwie klar kommen muss.