Inhalt
Sommer 1910, an der Küste Nordfrankreichs. Die Region ist in Aufregung, denn immer häufiger verschwinden Menschen auf mysteriöse Weise. Inspektor Machin und sein raffinierter Assistent Malfoy stellen Ermittlungen an. Dabei gerät schnell die seltsame Liebesbeziehung zwischen Ma Loute, dem ältesten Sohn einer Fischerfamilie, und Billie Van Peteghem, der jüngsten Tochter aus wohlhabendem Elternhaus, in den Fokus.
Kritik
Nachdem Bruno Dumont (Twentynine Palms) in der Vergangenheit vorwiegend Filme drehte, die dem ungeschönten Realismus zugeschrieben werden konnten und mitunter durch ihre provokante Brutalität für Diskussionsstoff sorgten, scheint der französische Regisseur vermehrt den Humor für sich entdeckt zu haben. Bereits die im Jahr 2014 veröffentlichte, vierteilige Miniserie Kindkind wurde von Kritikern und dem Publikum aufgrund ihres Sinns fürs Absurde und Skurrile sowie überzogenen Slapstick gefeiert, hinter dem Dumont weitreichende Fragen über die Unterschiede und Spannungen zwischen verschiedenen Gesellschaftsschichten verhandelte.
An dem Konzept, bei dem er komische, alberne Passagen mit hintergründiger Gesellschaftskritik verschmolz, wollte der Regisseur offenbar weiterhin festhalten, so dass sein nächster Spielfilm Die feine Gesellschaft ebenfalls durch genau diese wechselhaften Tonarten geprägt ist. Die Handlung des Streifens ist im Frankreich des Jahres 1910 angesiedelt, wo zwei extrem gegensätzliche Familien aufeinanderprallen. Auf der einen Seite ist die in ärmlichen Verhältnissen lebende Fischerfamilie Brufort. Ihre Existenz sichern sich die Bruforts scheinbar durch das Sammeln von Miesmuscheln und die Beförderung wohlhabender Touristen, die sich von den Bruforts über die Bucht transportieren lassen. Als Kontrast dazu residiert die adelige Familie van Peteghem auf einem Hügel oberhalb der Bucht, wo sich die burgeoisen Mitglieder des französischen Adels ausschweifend dem Luxus hingeben. Als mehr und mehr Touristen spurlos verschwinden, nachdem sie sich zuletzt in jene Bucht begeben haben, in der die Bruforts ihre Dienste anbieten, ermitteln zwei Inspektoren in dem Fall.
An einer konventionellen Kriminalgeschichte ist Dumont allerdings ebenso wenig interessiert wie an einem subtilen Porträt des damaligen Klassenkampfs. Der Regisseur legt sämtliche Figuren in seinem Film als schräg überzeichnete Karikaturen an, für die er typische Gewohnheiten und Eigenarten der jeweiligen Milieus auf extreme Weise ins Lächerliche verzerrt und optische Erscheinungsbilder als knallige Klischees abbildet. So artikulieren sich einzelne Mitglieder der Brufort-Familie neben ihrem ungepflegten Äußeren wie grunzende Tiere, während die van Peteghems mitunter seltsame Ticks aufweisen und in hohen Tönen regelmäßig der Hysterie verfallen. Auch an den beiden Ermittlern, die unverkennbar als Laurel-und-Hardy-Spiegelbild angelegt sind, lässt der Regisseur kein gutes Haar, wenn der dickere Inspektor wiederholt durch die Dünen der Bucht rollt, weil ihm das Laufen so schwer fällt.
Als groteskes Panorama einer eigentümlichen Welt, in der gewöhnliche Normen vollständig ausradiert werden, ruht sich Dumont jedoch zu sehr auf den Macken und Absonderlichkeiten der von ihm entworfenen Figuren aus. Nach einem gleichermaßen irrwitzigen wie irritierenden Auftakt scheint der Regisseur nicht verstanden zu haben, dass ein Witz nicht unbedingt besser wird, je länger man ihn erzählt. Der satirisch-parodistische Blick auf eine gespaltene Gesellschaft, mit der von der Vergangenheit aus ein Bogen zur Gegenwart geschlagen werden soll, verkommt viel zu schnell zur quälend in die Länge gezogenen Nummernrevue, die angesichts der Gesamtlaufzeit von zwei Stunden fast schon zur Zumutung für den Zuschauer wird.
Trotz malerischer Einstellungen, vereinzelt bissiger Zuspitzungen, bei denen Dumont innerhalb der verschiedenen Familien schließlich Kannibalismus und Inzest zum Vorschein bringt, und einem mehr als motivierten Ensemble, das sich mit sichtlicher Spielfreude in die markant überzeichneten Rollen stürzt, entwickelt sich Die feine Gesellschaft zur regelrechten Geduldsprobe. Zwischen einer willkürlich eingeschobenen Liebesgeschichte im Stil von Romeo und Julia, Slapstick-Einlagen, die schier endlos oft wiederholt werden, und einer gesellschaftskritischen Aussage, die im Verlauf des Films neben dezent surrealistischen Höhepunkten gegen Ende unentwegt um sich selbst kreist, verliert sich Dumont in selbstzweckhaft ausgestellter Skurrilität, bei der jegliche Wirkung geradezu in Rekordzeit verpufft.
Fazit
Ein Witz wird nicht unbedingt besser, je länger man ihn erzählt. Bruno Dumont scheint dieses Prinzip nicht verstanden zu haben, denn sein satirisches Gesellschaftsporträt „Die feine Gesellschaft“ scheitert trotz eines stimmungsvollen Auftakts und grotesk überzeichneten Figuren an uninspirierter Eintönigkeit, albernen Slapstick-Einlagen, die gefühlt endlos wiederholt werden und einer Aussage, die nach nicht einmal der Hälfte der Laufzeit klar ist und der fortan keine nennenswerten Facetten hinzugefügt werden.