Das junge Liebespaar Alex und Edith lebt in einer abgelegenen kubanischen Stadt, deren einst prächtige Gebäude längst Ruinen gleichen. Die Kinder träumen sich beim Spiel in eine vermeintlich bessere Welt in den USA, die Alten versetzen sich beim Lesen von Briefe in eine idealisierte Vergangenheit. Auch die zärtliche Beziehung von Alex und Edith scheint wie alles an diesem entrückten Ort dem Zerfall geweiht: Sie möchte ins Ausland, er jedoch hängt an seiner Heimat.
Kritik
Die melancholische Magie von Relikten, sei es die von Städten, Beziehungen oder Ideen, waren bereits in Tommaso Santambrogios (Taxibol) Kurzfilmen ein konstantes Motiv. Dessen topographische, ideologische und zwischenmenschliche Facetten ergründet auch der erste Langfilm des italienischen Regisseurs. Die enigmatische Elegie auf ein Kuba in unaufhaltsamer städtischer, sozialer und symbolischer Desintegration evoziert nicht zufällig in Tonalität, Thematik und Titel seinen gleichnamigen Kurzfilm, der vor vier Jahren ebenfalls auf Venedigs Filmfestspielen Premiere feierte.
Nicht nur der schwarz-weiße Schauplatz, auch die Hauptcharaktere sind die gleichen, verkörpert von den selben Darstellenden. Alexander Diego ist der junge Theater-Ausbilder Alex, der den Kindern des heruntergekommenen Handlungsorts San Antonio De Los Baños kreative Improvisation vermittelt. Edith Ibarra ist die Puppenspielerin Edith, die sich mit dem alternden Bühnenregisseur Carlo (Osvaldo Doimeadiós, Havanna Blues) auf ihre Übersiedlung nach Italien vorbereitet. Die bevorstehende Trennung überschattet beider symbiotische Beziehung, in der sich Kubas demographisches Dilemma abzeichnet.
Während die junge Generation, repräsentiert durch die befreundeten Schuljungen Frank (Frank Ernesto Lam) und Alain (Alain Alfonso González) vom Auswandern in die USA träumt, lebt die von der einsamen Straßenverkäuferin Milagros personifizierte alte Generation in der Vergangenheit. Ihre kummervolle Lektüre alter Briefe eines im Krieg verschollenen Geliebten wirkt wie ein tragischer Vorausblick auf die Zukunft des Protagonisten-Paares. In einer Gegenwart überlagert von einem geisterhaften Gestern hat auch Liebe keine Zukunft.
Fazit
Schwarz-weiße Szenen von schlafwandlerischer Schönheit beschwören in Tommaso Santambrogios schwermütigem Spielfilm-Debüt den morbiden Charme eines provinziellen Kubas. Zeit scheint hier nicht existent und dennoch in ihrer Wirkung allgegenwärtig. Die Reduktion der elliptischen Handlung sind mitunter frustrierend, jedoch essenziell für die traumartige Atmosphäre der von vager Symbolik aufgeladenen Romanze. Sie schwelgt in den widersprüchlichen Nuancen der Nostalgie: die Sehnsucht nach einem Ort, der nur in der Erinnerung existiert - und auf der Leinwand.
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