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Quelle: themoviedb.org

Inhalt

Im Auftrag der Kurfürstin Sophie von Hannover wird der große Aufklärer und Denker Gottfried Wilhelm Leibniz porträtiert. Während der Sitzungen für das Porträt entbrennt zwischen dem Philosophen und der jungen Malerin ein leidenschaftlicher Kampf um die Wahrheit in Bild und Abbild, der schließlich auch Liebe und Tod einschließt.

Kritik

Es dauert eine Weile, bis sich das Subjekt von Edgar Reitz (Gesichten vom Kübelkind) Spätwerk aus diesem herauskristallisiert. Der Name täuscht: Leibniz – Chronik eines verschollenen Bildes handelt im Kern wenig von dem Universalgenie Gottfried Wilhelm Leibniz (Edgar Selge, Aus meiner Haut) und benutzt dessen Ansehen und Ruf mehr oder weniger als Spielwiese für sein experimentelles Alterswerk, in dessen Zentrum die fiktive niederländische Malerin Aaltje van der Meer (Aenne Schwarz, Vor der Morgenröte) steht. Beauftragt, Leibniz zu porträtieren, der Titel deutet den Verbleib und auch den fiktiven Charakter der Gegebenheiten an, treffen beide über einen mehrere Monate überdauernden Künstlerprozess zusammen. 

Vor dem Hintergrund der realen Königin Charlotte (Antonia Bill, Die andere Heimat – Chronik einer Sehnsucht) im Jahre 1704 am Hofe Hannovers, deren Faszination gegenüber dem Vorreiter der Aufklärung daher stammt, dass sie sich nach einer Antwort auf die Frage nach dem Verbleib der Seele erhofft, wird besagtes Porträt beauftragt. Königin Charlotte betritt den Film aus einem schwarzen Hintergrund, von artifiziellem Licht beleuchtet, das Publikum direkt adressierend und einen Brief rezitierend. In Hinblick auf das Scheitern der Realisation eines Epos über Leibniz (an die 25 Millionen soll Reitz absurderweise als Budget angepeilt haben) wirkt der Stil des Filmes wie eine brechtsche Verballhornung: Kostüme und Sets sehen billig aus, Akzente sind offensichtlich einstudiert und Perücken als solche sofort erkennbar. Zumindest Leibniz eigenen Haare werden durch wiederholtes Abziehen als diegetische Perücke ausgewiesen. 

Auch das Spiel der Darsteller wirkt aus dem brechtschen Katalog entnommen, besonders markant an dem kurzen aber wie immer einprägsamen Auftritts Lars Eidingers (Sterben), der zunächst als artistisch talentierter aber intellektuell desinteressierter Hofmaler Delalandre an Leibniz scheitert und diesen in keinen vorgefertigten, konventionellen Rahmen pinseln kann. Nach Delalandre verdirbt zum Beispiel Lächeln die Würde. Reitz, der für Deutschland den Begriff „Heimat“ mit seiner legendären Schabbach-Chronik neu definiert hat, verfolgt einen ähnlichen Ansatz wie der davonrennende Maler: Er interpretiert Historie nun nicht mehr als dialektische Aneinanderreihung, sondern als reine Abstraktion. Geschichte ist in Leibniz nicht mehr als eine Bühne, als permanente Markierung für das Publikum, das wir einer Inszenierung beiwohnen. Reitz dekonstruiert nicht nur historische Repräsentation, sondern stellt die verbale Ebene des Filmes in den konsequenten Vordergrund. 

Aber der brechtsche Ansatz hinkt bei genauerer Betrachtung: Das Publikum adressieren Leibniz und seine werdende Malerin Aaltje später direkt, aber nur mit ihren Blicken und es finden sich Momente gnadenloser Schönheit: Altjes Spiegelbild ist kopfüber in einer Amphore zu sehen, eine Visualisierung der Retina des menschlichen Auges. In einer Szene simulieren die Schatten von Gräsern an den Wänden, erzeugt durch einen Lichtschein, eine, wie Leibniz kommentiert, Kamera Obskura. Leibniz, der Film, ist eine Reflexion, nicht nur über das Kino, sondern über deren einzelne Elemente, allen voran, das Licht selbst. Die visuelle Kunst erscheint hier in ihrer wortwörtlich in ihrer gestaltlichen Essenz, aber auch in ihrer Kalkulier- und Manipulierbarkeit.

Im Zentrum des Filmes steht dabei weniger das wahrhaftige Porträt um das Genie Leibniz, auch nicht der Versuch eines Porträts, sondern allen voran das eines Scheiterns. Das Scheitern einer Künstlerin und eines Genies sich zu der Welt zu positionieren und zu ergründen, was sie im Innersten zusammenhält. Fragen der Gegenwart holen die Szenerie ein: Leibniz präsentiert einen Computer-ähnlichen („Funktioniert mit Einsen und Nullen“) Apparat und merkt dessen Fehlbarkeit an. Eine dunkle Kammer verbleibt als Rückzugsort. Der Diskurs um Kunst und Repräsentation führt ins Nichts. Es verbleibt die Frage, ob die Vergangenheit, Geschichte und Kunst mehr als nur Bilder sein können, verknüpft mit der tragischen Erkenntnis, dass wir am Ende nichts wissen können.

Fazit

8.5

„Leibniz – Chronik eines verschollenen Bildes“ ist ein Spätwerk für Fortgeschrittene im Oeuvre von Edgar Reitz. Desinteressiert am Kostüm- wie am Diskursfilm und seine Künstlichkeit nach außen tragend gelingt dem legendären deutschen Regisseur in seinem experimentellen Spätwerk eine elementare Reflexion über Licht und die Unzugänglichkeit der Vergangenheit.

Kritik: Jakob Jurisch

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