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Quelle: themoviedb.org

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Der Ausflug einer Familie in ein luxuriöses Ferienhaus nimmt eine unheilvolle Wendung, als ein Cyberangriff ihre Geräte außer Gefecht setzt und zwei Fremde an ihrer Tür erscheinen.

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Quelle: themoviedb.org

Kritik

Alle Jahre wieder – kommt nicht nur das Christuskind, sondern traditionell steigt die Qualität der Eigenproduktionen beim Streaming-Riesen Netflix gen Jahresende deutlich an. Zumindest in ein bis zwei offensichtlichen Prestige-Projekten, die wohl als so was eine Entschuldigung interpretiert werden können, dass das Publikum den Sommer über seine Zeit mit überteuerten Müllfilmen wie z.B. Heart of Stone verschwenden durfte. Natürlich steht dahinter lediglich strategisches Kalkül, um das Abbo auch für das neue Jahr als unverzichtbar zu verkaufen, schließlich gibt es vergangene Endjahres-Highlights wie Marriage Story oder The Irishman in Deutschland immer noch ausschließlich exklusiv beim Anbieter mit dem roten N zu sehen. Und was soll man sagen: meistens ist darauf auch Verlass (Grüße gehen raus an den diesbezüglichen Komplettversager Don’t Look Up). Mit Leave the World Behind, einer Adaption des 2021 auch in Deutschland unter dem Titel Inmitten der Nacht erschienen Roman von Rumaan Alam, wird diesmal zwar kein Kandidat für die allumfassenden Jahres Top-Ten geboten, dennoch zählt der starbesetzte Film locker zum besten Netflix-Content in diesem Jahr und liefert einen angenehm eigenwilligen wie durchaus mutigen Gegenentwurf zum US-Blockbuster-Kino, in dem ein fast apokalyptischer Katastrophenfilm wie dieser in so einer Form absolute keinen Platz finden würde.

Die gestresste Business-Frau Amanda (Julia Roberts, Ticket ins Paradies) bucht spontan für sich und ihre Familie einen Kurzurlaub. Raus aus dem Stadtzentrum von New York City, in ein luxuriöses Ferienhaus am Strand von Long Island. Gemeinsam mit ihrem Gatten, dem College-Professor Clay (Ethan Hawke, The Northman), und den beiden Kindern Archie und Rose etwas den Akku aufladen und den ganzen Alltagsstress für ein paar Tage hinter sich lassen. Das Urlaubsidylle wird durch ein frühes Highlight erschüttert, als ein Öltanker ungebremst auf den Strand aufläuft, was Gott sei Dank noch glimpflich ausgeht. Doch plötzlich scheint die gesamte digitale Welt tot zu sein. Kein Internet- oder Handyempfang, auch Radio und Fernsehen sind Out of Order. Noch bevor man die Zeit hat, sich darüber ernsthaft Sorgen zu machen, stehen mitten in der Nacht G.H. (Mahershala Ali, Moonlight) und dessen Tochter Ruth (Myha’la, Dumb Money – Schnelles Geld) vor der Tür. G.H. ist der Besitzer des Hauses und bittet darum, dass sie die Nacht aufgrund der seltsamen Vorfälle dort verbringen können. Während Clay ihnen gastfreundlich gegenübersteht, ist Amanda von Anfang an misstrauisch und macht aus ihrer Skepsis gegenüber den Fremden keinen Hehl. Am nächsten Morgen sollte der Spuk vorbei sein, doch das ist erst der Anfang. Denn offensichtlich geht da draußen irgendetwas vor sich, dessen Ursache genauso rätselhaft ist wie sein Ausmaß – und erst recht nicht die noch lange nicht abschätzbaren Konsequenzen.

Regisseur und Drehbuchautor Sam Esmail (American Radical) baut sein subtiles Bedrohungsszenario geduldig auf und gönnte sich dafür eine üppige Laufzeit von über 140 Minuten, was in diesem Fall aber gar kein Kritikpunkt ist. Ganz im Gegenteil, denn die 2 ½ Stunden gestalten sich niemals langatmig und bieten so erst die Grundlage für die wahre Qualität des Films. Diese besteht darin, nicht etwa mit möglichst viel Krawall und Tamtam den blitzschnellen Kollaps einer digital brutal abhängigen Gesellschaft abzureißen, sondern das eigentliche Katastrophen-Szenario irgendwo in der Ferne stattfinden zu lassen. Deutlich spürbar, ungemein bedrohlich, aber in seiner vollen Radikalität nur ganz selten mal direkt anwesend. Die Apokalypse, sie spielt sich da draußen ab. Immer in unmittelbarer Nähe, noch ein Stückweit entfernt, aber gerade dadurch noch viel erschreckender. Da viel rätselhafter, weniger greifbar und erst recht nicht bekämpfbar. Der Film erzählt das komplette Szenario aus der Sicht einer kleinen Personengruppe, die von Unbehagen, Misstrauen und einem brodelnden Konfliktpotenzial zersetzt ist, das jederzeit androht zu eskalieren. So entstehen gleich zwei konkrete Bedrohungen: die von außen, die alle betrifft und übermächtig erscheint, und die von innen, die im Einzelfall viel akuter werden könnte.

Geschickt wird eine beinah gespenstische Grundstimmung kreiert (auch dank des exzellenten Sounddesigns), die in erster Linie daraus besteht, dass die Geschehnisse nie bis in Kleinste erklärt werden. Vermutungen und Tendenzen sind reichhaltig vorhanden und werden in den Raum geworfen, was genau zutreffend ist, bleibt weitestgehend der Interpretation überlassen. Es ist sogar schade, dass Leave the World Behind am Ende doch relativ viel sehr deutlich erscheinen lässt, aber gerade noch wage genug, um nicht jeden Spielraum auszumerzen. In dieser Hinsicht wirkt er wie das Positivbeispiel zu einem The Happening von M. Night Shyamalan, der so lange funktionierte, wie er sich nicht genötigt sah, sein unheimliches Endzeitszenario zu entzaubern und in der Folge gar der Lächerlichkeit preiszugeben. Davon ist dieser Film ganz weit entfernt, was ihn aber paradoxerweise auch als unbefriedigend darstellen könnte. Wer alles gezeigt, bis ins Detail erläutert und vor allem auch in seiner drastischen Gesamtheit aufgetischt bekommen möchte, wird am Ende vermutlich enttäuscht zurückbleiben. Aber dann ist man von vornherein einfach beim falschen Film gelandet. Leave the World Behind lebt von der Spannung und der Interaktion seiner Figuren, des omnipräsenten, aber nur manchmal ganz unmittelbaren Überlebenskampf und seiner extrem cleveren Vorgehensweise, den „finalen Akt“ des vermeidlichen Dreistufenplans von Anfang an und beinah ausschließlich in den Fokus zu rücken. Denn alles andere ist letztlich nur Kulisse.

Fazit

Atmosphärisch starke Genre-Mischung aus Endzeit-Thriller, (gefühltem) Kammerspiel und Familiendrama, die viel Wert auf Figurenzeichnung, Dialoge und Plotentwicklung legt und somit kaum krachende Schauwerte liefert. Genau das funktioniert aber weitestgehend ziemlich gut. Plötzlich sind 140 Minuten vorbei und wenn man trotzdem gerne noch mehr gesehen hätte, wurde wohl grundlegend ziemlich viel richtig gemacht. Manchmal besteht die große Kunst eben darin, den richtigen Moment zum Absprung zu finden – sonst spricht am Ende noch jemand mit einer Plastikpflanze.  

Kritik: Jacko Kunze

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