Seit fünf Jahren schon, so fühlt es sich für Ed Okin (Jeff Goldblum, Jurassic Park) jedenfalls an, hat er kein Auge mehr zubekommen. Das bedeutet, der Mann hat viel Zeit, um über sein Leben nachzudenken. Ein Leben, das in jeglicher Hinsicht Sackgassen aufweist. Nicht nur sein Job in der Luft- und Raumfahrbranche erfüllt ihn nicht mehr, auch seine Ehe ist längst gegen die Wand gefahren, was natürlich weder Ed noch seine Frau Ellen (Stacey Pickren, Barfly) zugeben würden. Jedenfalls vorerst, denn irgendwie ist die Lethargie schon zum Alltag geworden – und der Mensch, so traurig es auch sein mag, gewöhnt sich an alles. Und damit eben auch an die Dinge, die man nicht hinnehmen, sondern unausweichlich attackieren sollte. Wie zum Beispiel jene existentielle Unzufriedenheit.
Ed hat allerdings Glück im Unglück, denn nachdem ihn sein Chef (David Cronenberg, Die Fliege) früher von der Arbeit nach Hause schickt, erwischt er seine Gattin beim Seitensprung: Die Chance also, die alten Schalen endlich aufplatzen zu lassen. Aber wie? Wie agiert man, wenn man seit einer Ewigkeit nur noch reagiert hat; wenn man dem Gedanken ein Stück näher gekommen ist, nichts mehr verlieren zu können? Genau, man macht sich auf nach Las Vegas, in die Stadt, die niemals schläft, aber genügend Freudenmädchen bereit stellt, um einem diese Stunden des quälenden Wachzustandes ein wenig angenehmer zu bereiten. Bevor Ed aber wirklich den Mut fassen kann, in ein Flugzeug zu steigen, überrumpelt ihn das Leben schlagartig: Die panische Diana (Michelle Pfeiffer, Scarface) sitzt plötzlich auf sienem Beifahrersitz.
Diana hat sich, nachdem ihre Karriere als Fotomodel nicht gerade erfolgreich aufging, in der Diamantenschmuggelei versucht, was sie nun in äußerste Lebensgefahr bringt. Nur Ed kann ihr in seiner unbedarften Schlafwandler-Mentalität noch helfen. Er agiert nämlich nicht, er reagiert nur. Von diesem Punkt an übernimmt die Unergründlichkeit des Schicksals das Kommando von Kopfüber in die Nacht: Die Regie von John Landis (Blues Brothers) erscheint fast so, als würde sie die Ereignisse und Situationen, in die Ed und Diana von nun an geschickt werden, wie die Bingo-Kugeln aus einer frisch durcheinander gewürfelten Mischtrommel greifen und zusammensetzen – hier eine Horde schießwütiger Perser, dort ein Ausflug nach Hollywood und wenn wir schon einmal in Los Angeles sind, dann darf auch ein Besuch am Meer nicht fehlen.
Diese ungestüme Rhythmik, mit der John Landis seine Hommage und Parodie auf den klassischen Film noir erzählt, besitzt etwas ganz und gar Wildromantisches, geht es in Kopfüber in die Nacht doch abseits seines unermüdlichen Bewegungsdranges vor allem um die Erlösung eines Menschen, der nicht mehr weiß, was er mit seinem Leben anstellen soll. Und diese kunterbunte, von Zitaten, Cameos und Fabulierlust gezeichnete Odysee durch die Stadt der Engel ist der turbulente Rettungsanker für Ed, um endlich wieder in der Realität anzukommen. Um wieder einen Sinn zu erkennen. Aus den Stromschnellen des Zufalls, die Ed und Diana mitreißen, entsteht ein hinreißend holpriges Nachtwelt-Panoptikum der absurden Begegnungen, in dem es nicht nur Landis' fantasievolle Inszenierung ist, die Kopfüber in die Nacht zur kurzweiligen 80s-Attraktion macht.
Es ist auch Michelle Pfeiffer, die ihre rote Lederjacke mit einer Stilsicherheit trägt, wie es vor ihr nur James Dean gelang. Durch den beherzten Auftritt der Oscar-nominierten Darstellerin funktioniert auch Jeff Goldblums Trancezustand. Die Reibung zwischen diesen beiden Charakteren, die sich so fern sind und deshalb so nah kommen, ergibt letztlich genau diese intensive Berührung mit dem Leben, um die es in Kopfüber in die Nacht auch geht: Bevor wir uns damit abfinden, als Untote durch die bürgerlichen Käfige unserer Existenz zu tigern, sollten wir es uns erlauben, abzuhauen. Eine Flucht muss nicht immer mit Feigheit und Ängsten zu tun haben, im Falle von Kopfüber in die Nacht gleicht die Flucht einem turbulenten, ungeschliffenen, aber grundsympathischen Bekenntnis nach vorne. Nämlich dem Bekenntnis an die eigene Lebendigkeit.