Nicht nur in der nationalen Filmkritik war der 2006 erschienene Knallhart lange Zeit umstrittener Gegenstand hitziger Diskussionen darüber, ob Detlev Buck (Wir können auch anders) mit seinem neuen Werk letztlich nicht etwas zu deutlich dazu beitragen würde, kollektive Angstzustände vor großstädtischen Befindlichkeiten zu forcieren. Auch die Politik meldete sich zu Wort und prangerte das hiesig angefertige Bild des Berliner Bezirks Neukölln vehement an: Angeblich würde der Film Unterstützung dabei leisten, Pariser Verhältnisse nach Deutschland zu transportieren. Keine Frage, Knallhart hat einen Nerv getroffen, was ihm definitiv einräumt, ein ambivalenter Beitrag des deutschen Gegenwartskinos zu sein, der von seinem Publikum in der gemütlichen Nachmittagsvorstellung nicht einfach aufgesogen und im Anschluss schnellstmöglich wieder vergessen wird, sondern tatsächlich emotionale Reaktionen ins Rollen bringt. Bis heute, wohlgemerkt.
Von seiner atmosphärischen Dichte nämlich hat Knallhart auch nach über zehn Jahren kaum etwas eingebüßt. Detlev Buck, den man in erster Linie mit kauziger Komödien in Verbindung bringen möchte, beweist hier seine enorme Beobachtungsgabe in Sache Sozialklima. Nachdem Michael (David Kross, Der Vorleser) und seine Mutter Miriam (Jenny Elvers, Männerpension) das wohlhabende Zehlendorf verlassen haben und regelrecht in Neukölln aufschlagen, beschreibt Knallhart einen Culture-Clash, der deshalb so bedrückend (und faszinierend) erscheint, weil hier nicht nur die Größe der Hauptstadt aufgezeigt wird, sondern auch, weil die Eigendynamik einzelner Stadtgebiete auf den Punkt gebracht wird. Als sich Michael in seiner neuen Klasse vorstellt, wissen seine Mitschüler nicht einmal, wo Zehlendorf liegen soll. Sie wissen aber, was die Markenklamotten, die Michael trägt, bedeuten.
Sicherlich kann sich Knallhart über seine knapp 95-minütige Laufzeit nicht in Gänze davon befreien, Klischees aufzubereiten, denn Jugend- und Clankriminalität sind kein ethnisches Problem, sondern vielmehr ein urbanes. Detlev Buck, der in diesem Fall mal nicht am Drehbuch mitgearbeitet hat, gelingt es erstaunlicherweise dennoch, subtile Töne anzuschlagen, wenn er sich durch die Straßen von Neukölln bewegt, in denen das ganze Jahr Winter zu herrschen scheint. Allein die Figur des türkischen Schlägers Erol (Oktay Özdemir, Schwarze Schafe) erfährt immer wieder interessante Brüche und dadurch ansprechende Kontur, wenn sich Knallhart erlaubt, in wenigen Szenen hinter die pöbelnde Oberfläche dieses Menschen zu blicken. Niemand ist hier aus der reinen Lust an der Zerstörung gewalttätig, jeder bringt hier seine eigene Geschichte mit. Oftmals eine, die Berlin seinen Einwohnern vorschreibt.
Denn in dieser rauen Welt, die für die dem gutbürgerlichen Zehlendorf Verwiesenen einer sozialen Endstation gleichkommt, ist es nicht von Belang, wer du bist. Es kommt nur noch darauf an, woher du kommst. Knallhart dokumentiert unter diesem Gesichtspunkt sehr eindringlich, wie Menschen von ihrem gesellschaftlichen Umfeld geformt werden; wie sie sich von den Gesetzen ihrer Umgebung prägen und verdrehen lassen. Nachdem Michael einmal zu oft abgezockt wurde, schlägt er zu und hat sich damit als Drogenkurier für die Araber interessant gemacht: Ehrliches Gesicht, harte Rechte. Fernab der Multikulti-Oase, die Berlin sicherlich auch darstellt, zeigt Knallhart in ausgeblichenen Farben durchaus realitätsgetreu eine in sich selbst verlorene Schattengesellschaft, wo die Perspektivlosigkeit und die Frustration darüber zu Gewalt, zu Kriminalität, zu Haftstrafen oder direkt zum Tod führen. Bitter, aber nicht von der Hand zu weisen.