Ein Remake eines Filmklassikers? Hilfe, was soll das? Wer so denkt, dem lässt es sich angesichts der heutigen Hollywoodgepflogenheiten nicht verdenken, da wird schließlich alles neu durchgekurbelt, ob nötig oder nicht. Es gab mal eine Zeit, da gehörten Remakes, Relaunches, Reboots oder wie immer dieses Armutszeugnis der Kreativität sonst so blumig versucht wird unters Volk zu bringen noch nicht zur Tagesordnung. Man könnte sogar fast meinen, eine Neuverfilmung macht irgendwo Sinn. Hitchcock drehte 1956 selbst ein Remake seinen eigenen Films „Der Mann, der zuviel wusste“, da er nun einfach mehr Möglichkeiten hatte und mit seinem Original nicht zufrieden war. Das kann man kaum verurteilen. Ganz so edle Motive liegen der Neuverfilmung von „King Kong" von 1933 nicht zu Grunde, der wollte auch nur Kasse machen, allerdings darf ein Werk aus der Anfangszeit des Tonfilms nach über 40 Jahren schon mit einer neuen Version beschenkt werden. Wir reden hier schließlich nicht über so blödsinnige Ideen, wie z.B. einen Meilenstein des Horrorfilms der Marke „Hitcher, der Highway Killer“ (1986, also dort schon optimal verfilmbar) zwanzig Jahre später mit einer bräsigen Kopie („The Hitcher“, 2007) würdelos neu zu verwursten. Nur eines von vielen Beispielen, die Liste ist lang.
Der Dino unter der Produzenten, Dino De Laurentiis (aus der Vita was auszuwählen…einfach mal: „Im Jahr des Drachen“), nimmt mal ein paar Lire in die Hand und lässt den legendären Riesenaffen wieder nach seiner weißen Frau schmachten. Das konnte auch seiner Zeit dick in die Hose gehen, doch am Ende ist dieser „King Kong“ eine zeitgemäße, moderne Neuinterpretation des klassischen Stoffs, der die Grundzüge der Geschichte beibehält, sich dabei die nötigen künstlerischen Freiheiten gönnt. Diesmal sucht nicht eine Filmcrew das unberührte Eiland mit der gottesgleichen Laune der Natur heim, es sind Delegierte eines Erdölkonzerns, die sich auf der bisher (angeblich) unentdeckten Insel ein reiches Vorkommen des begehrten Schatzes versprechen.
Eine aufgrund der damaligen weltpolitischen- und wirtschaftlichen Situation aktuelle Themenanpassung (die nie von ihrer Brisanz verloren hat, in den letzten Jahren mit so manchen traurigen Höhepunkten). Das „Final Girl“ (Jessica Lange, „Wenn der Postmann zweimal klingelt“) ist auch diesmal eine Schauspielerin, kommt allerdings nur zufällig als Schiffbrüchige an Bord. Auch der eigentliche Held ist ein blinder Passagier, in Form des Paläontologen Jack Prescott (Jeff Bridges, „True Grit“, in dem von ihm über die Jahre immer wieder in regelmäßigen Abständen präsentierten Zottel-Look), dem schon lange vor dem raffgierigen Expeditionsleiter (Charles Grodin, „Midnight Run – 5 Tage bis Mitternacht“) klar ist, dass hinter dem dichten Nebel des mysteriösen Flecken Erde mehr lauert als nur das schwarze El Dorado.
Selbst Puristen und Remake-Kritikern nimmt die erste Stunde von „King Kong“ mühelos den Wind aus den Segeln, wenn Regisseur John Guillermin („Tod auf dem Nil“) einen lupenreinen, hervorragend fotografierten Abenteuerfilm abliefert, der (trotz des wahrscheinlich bekannten Ablaufs) geschickt das Fiebern auf den Höhepunkt kitzelt. Durch die schlichte Storyanpassung transportiert er das Geschehen mühelos ins Hier und Jetzt, ohne zu sehr die Handlung abändern zu müssen. Dazu präsentiert er die Kino-Debütantin Jessica Lange als speicheltreibenden Augenschmaus, was sogar eine leichte Komik beinhaltet (nicht negativ gemeint, wenn auch sicher nicht unbedingt gewollt). Mal unter uns Leichtmatrosen, wenn eine bildhübsche Frau als einziges Weibchen auf einem Schiff voller enthaltsamer Seebären in diesen Outfits aufspaziert, ab wann wird eigentlich im Fall der Fälle von „schuldmindernden Umständen“ gesprochen? Ohne Wertung, nur mal in den Raum geworfen…
Verständlich, dass es da nicht nur dem Jeff, sondern auch dem Kong der Affe laust, der übrigens den Oscar für die besten Special Effects einheimste. Beeindruckend ist das Vieh schon, aber so special ist da gar nicht viel. Es gibt die gigantische Mechanik-Hand, die Jessica Lange fast zerquetschte und für unfreiwilliges Method-Acting sorgte, sonst ist das meistens ein Typ im Kostüm (Makeup-Artist Rick Baker, „Men in Black 3“), aber selbst das sieht lange echt geil aus. Dieser Affe, diese Mimik, zum Knuddeln. Es entsteht eine echte Bindung, Empathie, Verständnis, ganz naiv und wunderschön. Er kann aber auch anders, reißt Riesenschlangen in zwei Gürtel, trotzdem bricht ihm das undankbare Weibsbild das gigantische Herz, ehrlich, ist das tragisch! „King Kong“ in Hälfte eins, top, allen Unkenrufen zum Trotz, viel besser kann man das schwer machen.
Ausgerechnet im letzten Akt, dem großen Finale, ist die Luft irgendwie raus. Gerade jetzt wirken die oscarprämierten Effekte eher wie Italo-Standard, in etwas besser. Wenn King Kong das World Trade Center (NICHT das Empire State Building, auch eine Anspielung auf die Variation der Geschichte, 2005 musste man so oder so wieder umsatteln) erklimmt, sieht das nicht mehr nach großem Kino aus. Die Straßenbahn zerlegt er zwar imposant, aber gemessen an dem Flair der ersten Hälfte ist das eigentlich nur ein Abspulen des Altbewährten. Jetzt fehlt es an dem nötigen Schuss kreativen Input, der vorher in seiner eigentlichen Banalität hervorragend funktionierte. Mit Ausnahme des neuen Ground Zero passiert hier nichts, mit dem man nicht rechnen musste und in Anbetracht der vorher gelieferten Qualität ist das schlicht zu wenig. Möglichkeiten leicht verplempert, so oder so ist „King Kong“ aber ein sauberes Remake mit Daseinsberechtigung, allein das ist bald selten.