Die elfjährige Tomo ist auf sich allein gestellt. In der Spüle stapelt sich das dreckige Geschirr und zu essen gibt es wieder einmal nur Onigiri aus dem Supermarkt, denn Tomos alleinerziehende Mutter kommt meistens spät und betrunken nach Hause. Als sie ihre Tochter eines Tages ganz verlässt, ist das Mädchen auf die Hilfe seines Onkels angewiesen, der Tomo bei sich und seiner Freundin Rinko aufnimmt. Bei ihrer ersten Begegnung ist das Erstaunen groß: Rinko ist eine Transfrau, die sich sofort fürsorglich um Tomo kümmert und ihr nicht nur liebevoll zubereitete Speisen anbietet, sondern auch ein neues Zuhause für sie schafft. Doch bald bekommt die Idylle erste Risse.
Mit Werken wie Komome Dinner und Megane brachte Naoko Ogigami dank ihrer originellen Mischung aus kuriosen Szenarien, Humor und Sentiment frischen Wind ins japanische Kino. Obwohl es die Regisseurin und Drehbuchautorin mit der Verspieltheit und Niedlichkeit in ihrem letzten Film Rentaneko dann doch übertrieb, erscheint die Katzenkomödie in Rückschau als Schritt auf dem Weg zu einer ernsteren dramaturgischen Sprache. Fünf Jahre vergingen, bis sie ihre nächste Kinoproduktion vorlegte. Der erste Ausdruck ihres künstlerischen Reifeprozesses ist die bezaubernde Tragikomödie, in der sie die verschiedenen Facetten des komplexen Sujets sozialer Zugehörigkeit untersucht.
Ebenso bemerkenswert wie der Mut, mit dem die Handlung das in Japan tabuisierte Thema der Transsexualität angeht, ist die Leichtigkeit der Geschichte. Deren Grundzüge lesen sich wie ein gewichtiges Drama, doch die wunderbaren Darsteller, allen voran Neuentdeckung Rinka Kakihara, und der schräge Witz unterwandert alle Melodramatik. Close-Knit läuft auf der Berlinale im Panorama, doch das charmante Familienkino könnte in fast jeder Sektion glänzen. Seine kindliche Heldin, die im Haushalt der überforderten Mutter von Discounter-Junkfood lebt, qualifiziert es für Generations. Zum Kulinarischen Kino passen die Mahlzeiten, mit denen Tomo Ersatzmutter Rinko (Toma Ikatu) der 12-Jährigen ihre Zuneigung zeigt. Ein solch liebevoll zubereitetes Bento schlägt der Hauptfigur zuerst unangenehm auf den Magen, sehr zum Schrecken von Rinko.
Die hinter der Reaktion eine ganz andere Ursache vermutet. Die Freundin von Onkel Maiko (Kenta Kiritani), bei dem Tomo während einer Sauftour ihrer Mutter unterschlüpft, ist auf dem Papier noch ein Mann. Nach einer Personenstandänderung könnten sie und Maiko heiraten und damit Tomo ein neues Zuhause bieten. Doch auf so simplem Weg findet die ungewöhnliche Patchworkfamilie nicht zum Happy End. Dieses Kitsch-Konstrukt von Glück gibt es in Ogigamis magisch angehauchtem Realismus nicht. Wenn die Figuren trotzdem manchmal vor Wut, Trauer und Verzweiflung platzen könnten, hilft nur eines: Stricken! Eine Sandburg aus Wollpenissen oder das knuffigste Abschiedsgeschenk, das sich zu Wünschen wohl nie jemandem eingefallen wäre.
Fazit
„Mit diesem Film beginne ich Kapitel zwei meines Lebens und meiner Arbeit als Regisseurin“, sagt Filmemacherin Naoko Ogigami über ihre einfühlsame Geschichte von Toleranz und Freundschaft, die wichtiger ist als biologische Bande. Die bittersüße Komödie macht die Vorfreude auf diese neue spannende Schaffensphase noch größer.
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