Wer mal wieder Lust auf Urlaub in den Tropen verspürt, aber absolut kein Bedürfnis nach Hitze, Mosquitos sowie Jetlag hat und eigentlich doch viel lieber auf dem heimischen Sofa sitzen bleiben möchte, ist bei Jivaro goldrichtig. Der aus dem Jahr 1954 stammende Abenteuerfilm mit Romantik-Einschlag entführt uns nämlich in die exotische Welt des brasilianischen Dschungels. Obwohl Jivaro seinerzeit in 3D gedreht wurde (jawohl, das gab es damals schon), flimmerte er anders als z. B. Creature from the Black Lagoon oder House of Wax lediglich im üblichen 2D über die Kinoleinwände. Auslöser dafür war unter anderem das schwindende Interesse, das dem dreidimensionalen Format seitens des Publikums entgegengebracht wurde. Inszeniert wurde der in farbenfrohem Technicolor gedrehte Film von Edward Ludwig, der sich zuvor unter anderem für Werke wie Die Geliebte des Korsaren oder Flucht vor dem Feuer verantwortlich zeigte.
Zu Beginn lernen wir unsere Hauptfigur, den von Fernando Lamas (Der Schmalspurschnüffler) verkörperten Rio Galdez kennen. Er ist Handelspostenbesitzer, Bootskapitän sowie eiserner Verfechter des Briefgeheimnisses, der am liebsten mit offenem Hemd oder gleich komplett oberkörperfrei herumläuft. Nebenbei werden wir mit dem tropischen Schauplatz vertraut gemacht, lernen das verschlafene Dörfchen Pedrone kennen und bekommen einige Nebenfiguren wie z. B. Rios Angestellten Sylvester oder die Trunkenbolde aus dem Handelsposten vorgestellt. Während wir uns über einen Cameo von Lon Chaney Jr. (u. a. bekannt aus The Wolf Man) freuen dürfen, trifft Rio in einem benachbarten Dorf auf die von Rhonda Fleming (Goldenes Gift) gespielte Amerikanerin Alice Parker. Alice ist auf dem Weg zu ihrem Ehemann, den sie aus beruflichen Gründen seit zwei langen Jahren nicht mehr gesehen hat.
Da es sich bei ihrem Mann um einen Stammgast aus Rios Handelsposten handelt, reisen die beiden gemeinsam gen Pedrone, wobei sie einander näher kennenlernen. Im Laufe des Films muss Alice jedoch erfahren, dass ihr Mann kürzlich in das Herrschaftsgebiet der titelgebenden Jivaro (einem indigenen Stamm von Kopfjägern) aufgebrochen ist, um dort einen Goldschatz zu finden. Aus diesem Grund macht sich die Amerikanerin mit einer Handvoll Begleitern auf die gefährliche Suche nach ihm. Was wie der Auftakt des Films wirkt, ist in Wahrheit bereits ein sehr großer Teil des kompletten Handlungsgeschehens. Dies liegt daran, dass der Aufbruch ins Gebiet der Jivaro, also quasi das echte Abenteuer, erst nach über einer Stunde stattfindet. Spannende Momente oder gar Action spielen bis dahin keine nennenswerte Rolle. Damit ähnelt Jivaro dem auch aus dem Jahr 1954 stammenden Abenteuerfilm The Naked Jungle.
Bei diesem wurde der Fokus über sehr weite Strecken hinweg ebenfalls auf die Figuren bzw. die Charakterzeichnungen sowie deren Beziehungsgestaltung gelegt, während die „Action“ weitestgehend auf die letzten 20 Minuten ausgelagert wurde. Derartiges mag für den einen oder die andere bei einem Abenteuerfilm vielleicht abschreckend klingen, ist aber (sowohl bei Jivaro als auch bei The Naked Jungle) weit weniger problematisch, als man vielleicht glaubt. Denn obgleich das Erzähltempo des dialoglastigen Jivaro gemächlich und unaufgeregt ausfällt, fühlt sich das Geschehen zu keinem Zeitpunkt zäh oder öde an. Wer allerdings in erster Linie nach so etwas wie nennen wir es einfach mal „Abenteueraction im Dschungelgewand“ sucht, ist bei Ludwigs Film tatsächlich an der falschen Adresse. Da empfiehlt sich dann doch eher der Griff zu Werken wie Jungle Cruise, The Lost City oder Jumanji: Welcome to the Jungle. Aber zurück zu Jivaro.
Dessen Unterhaltungswert rührt in erster Linie aus zwei Faktoren. Zum einen aus der herrlich entspannten Atmosphäre, die wiederum aus der unaufgeregten, regelrecht geerdeten Inszenierung in Verbindung mit dem grandiosen Szenenbild resultiert. Und zum anderen gelingt es Ludwig, unser Interesse an den beiden sympathischen (aber zugegebenermaßen reichlich klischeebehafteten) Hauptfiguren und an dem, was sich da ganz allmählich zwischen ihnen anbahnt, zu wecken. Außerdem ist die Chemie zwischen den beiden DarstellerInnen wirklich gut, sodass es schlichtweg Spaß macht, bei ihrer Interaktion zuzuschauen. Den Nebenfiguren wird hingegen nur sehr wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Hier erwarten uns bloß grobe Charakterzüge, bei denen nur zu gerne (wie bei den Hauptfiguren) Klischees bedient werden. Gerade die Einheimischen werden dabei leider, wie bei Filmen aus dieser Zeit nicht unüblich, reichlich simpel, um nicht zu sagen primitiv dargestellt.
Aber kommen wir abschließend noch einmal auf das zuvor eingeworfene Szenenbild zu sprechen, da dieses definitiv Aufmerksamkeit verdient. Denn obwohl das Allermeiste im Filmstudio gedreht wurde, sehen die Schauplätze schlichtweg fantastisch aus. Wir schippern mit einem Boot gemütlich über breite Flüsse. Die dichte Vegetation präsentieren sich in saftigem Grün. Das winzige, am Wasser gelegene Dörfchen Pedrone wirkt wild-romantisch. Und im späteren Verlauf, als es tief in das Gebiet der Kopfjäger geht, gesellen sich noch eine verwitterte Hängebrücke sowie Impressionen einer Tempelruine hinzu. Es mag zwar eindeutig zu erkennen sein, dass wir es hier mit „künstlichen“ Kulissen zu tun haben, störend ist dies allerdings überhaupt nicht. Allein schon, weil man förmlich spürt, mit welcher Hingabe die Umgebungen gestaltet wurden, um so ein stimmungsvolles Gesamtbild entstehen zu lassen. Etwas, das den Verantwortlichen letztlich hervorragend gelungen ist.