Nicht erst unlängst gilt der in Deutschland nahezu vergessene, in den Vereinigten Staaten aber wie ein Rockstar gefeierte Werner Herzog (Königin der Wüste) als eine wahre Kapazität auf dem Bereich des Dokumentarfilms. Während seiner Expeditionen rund um den Globus (Herzog ist einer der wenigen Künstler, die bereits auf jedem Kontinent gedreht haben), gewährte der gebürtige Münchner seiner Publikumsschaft tiefe Einblicke in verschiedene Kulturen, vegetationsreiche oder -arme Gebiete und Weltbilder, die nunmehr zur Ideologie geronnen sind. Das Besondere an seinen dokumentarischen Werken, ist, dass sich Werner Herzog niemals unter dem reinen fachwissenschaftlichen Anspruch des Sujets einengen lässt, sondern seinen vielfältigen Themen, von Begegnungen am Ende oder Welt und dem berühmten Grizzly ManTimothy Treadwell, der seiner pelzigen Leidenschaft schließlich zum Opfer gefallen ist, immer die Freiheit zur philosophischen Anwandlung lässt.
Diese mannigfache Qualität, die Werner Herzogs Dokumentationen umtreibt, macht sich nun auch wieder in seinem neusten Streich, In den Tiefen des Infernos, ganz deutlich bemerkbar. Das inhaltliche Feld, auf dem Herzog hier operiert, mag für den exzentrischen Querdenker dabei erst einmal kein Neues darstellen, hat er doch bereits im Jahre 1976 in La Soufrière – Warten auf eine unausweichliche Katastrophe einige Beobachtungen über den gleichnamigen Vulkan auf Basse-Terre angestellt, um bereits einen hautnahen Eindruck davon zu gewinnen, welche Urgewalt in jenen geologischen Strukturen lauert. Mit In den Tiefen des Infernos allerdings huldigt Herzog indes nicht nur der berauschenden Macht des Vulkanismus, er zollt auch den Menschen Respekt, die ihre Leben dafür gewidmet haben, sich mit den grollenden Monstrositäten zu beschäftigen; sie zu analysieren und ihr inneres Regelwerk zu verstehen.
Für die Arbeit an In den Tiefen des Infernos hat es Werner Herzog, unter anderem, nach Äthiopien, Island, Nordkorea und Indonesien verschlagen. Hier sucht er, zusammen mit dem Vulkanologen Clive Oppenheimer, sowohl den Kontakt zu Naturwissenschaftlern, die ihre empirische Sichtweise auf die vulkanische Tätigkeit vor Ort kundtun, während – und hier findet der Film seinen ungleich interessanteren Ansatz – die indigenen Völker die Tore zu einem philosophischen und ebenso poetischen Verständnis der Vulkane an sich eröffnen. Für die Mitglieder jener urtümlichen Stämme, deren Kulturen und Rituale viele Jahrhunderte in die Vergangenheit zurückranken, besitzen die feuerspeienden Giganten die Bedeutung von Gottheiten, während im glühenden Lavastrom die metaphysischen Überbleibsel der Menschen ein letztes Mal aufbegehren: Die Vulkanlandschaften werden zum Tanzboden der Seelen, und der destruktive Eindruck mundet in einer gar beruhigenden Ungebundenheit.
Dass uns die Vulkane selbst, die letztlich für unsere Atmosphäre verantwortlich sind und die Menschheits- wie Erdgeschichte somit maßgeblich beeinflusst haben, immer wieder an die Vergänglichkeit der Welt, der Wissenschaft und unserer eigenen Existenz gemahnen, fasziniert vor allem Werner Herzog merklich: Wie hypnotisiert blickt er in die Tiefen der feurig-schäumenden Krater; verliert sich zusehends und scheint dabei ein Bild von sich zu erkennen, dass ihm die Chance gewährt, näher zu sich und seiner persönlichen Lebensrealität zu finden – Der Vulkan als transzendente Erfahrung. Und ausgehend von diesem Gedanken, dass im pyroklastischen Strahl Leben und Tod in einem ganz und gar reziproken Verhältnis verweilen, erschafft Herzog mit In den Tiefen des Infernos erneut ein großes, ja, zuweilen gar lyrisches Werk über das Wesen der Natur, den Menschen und darüber, dass sich beide Parteien immer im Klaren über ihre ewigwährende Verbindung sein sollten.