Vollkommener Stillstand in New York. Keine volltönenden Menschenmassen, keine aufheulenden Polizeisirenen, kein betriebsamer Konsumtaumel, nur der röhrende Motor eines einzelnen Ford Mustang, der durch die verlassenen Straßen der Metropole fegt, ist zu vernehmen. Vollkommen allein zu sein, ausgerechnet in der Stadt, die niemals schläft, das muss eine so surreale Gegebenheit sein, dass man sich nicht entscheiden kann, ob es sich um einen Traum oder einen Alptraum handelt. Robert Neville (Will Smith, Das Streben nach Glück) ist der Fahrer des schnittigen Sportwagens und lebt den diesen Traum zum Preis eines Alptraums: Die gentechnische Manipulation eines Masern-Virus sollte eigentlich Krebs heilen, tötete letztlich aber 5,4 Milliarden Menschen. Die wenigen Überlebenden sind zerstreut auf dem Globus verteilt – und müssen weiterhin um ihr Leben kämpfen.
Den Teil der Bevölkerung, der keine Immunität gegen das Virus aufwies und nicht an dessen Folgen verendet ist, macht nun in der Dunkelheit Jagd auf Menschenfleisch. Diese Kreaturen, eine Mischung aus Vampiren und Zombies, verstecken sich tagsüber in den leerstehenden Stahlträgerruinen, um des nachts unter ohrenbetäubendem Geheul durch die Straßenschluchten des Big Apple zu wüten. I Am Legend aber lässt sich zum Glück Zeit, bevor die Gegenwart dieser brüllenden und grässlich animierten Bedrohung immer stärker in den Fokus gerückt wird. Es sind die ersten 50 Minuten der Regiearbeit von Francis Lawrence (Die Tribute von Panem – Catching Fire), in denen der Film seine gesamte Qualität zum Ausdruck bringt: Als Endzeit-Bestandsaufnahme eines Mannes, der zum (Über-)Leben verdammt wurde. Er ist kein und gleichzeitig doch Opfer der Pandemie geworden.
Was bleibt Robert Neville also noch übrig? Genau, weitermachen, die Möglichkeiten sind unbegrenzt. Das Gaspedal des Mustangs überstrapazieren, zusammen mit der Schäferhundin Sam auf Rotwildjagd gehen, Maiskolben im Central Park ernten, DVDs aus der Videothek ausleihen, Gespräche mit Schaufensterpuppen führen, Ausschau nach Konservendosen halten und Botschaften über das Radio versenden. Vielleicht wird er ja erhört. Wenn es dann dunkel wird, muss sich Robert verbarrikadieren und beten, dass das Tageslicht so schnell wie möglich zurückkehrt. Fast schon entschleunigt, aber immer wieder mit famosen Spannungsmomenten versehen, versteht sich I Am Legend erst einmal als Charakter-Studie und beobachtet diesen von der Welt zurückgelassenen Mann dabei, wie er sich an Hoffnungen bindet, um nicht dem Wahnsinn anheim zu fallen. Sein Hund ist der entscheidende Rettungsanker, um nicht gänzlich zu verzweifeln.
Diese Geschichte, die Francis Lawrence hier erzählt, ist keine neue: Sie basiert auf dem Erstlingsromans Ich bin Legende von Richard Matheson und wurde mit The Last Man on Earth und Der Omega-Mann bereits zweimal mit prominenter Besetzung verfilmt. I Am Legend hätte das Zeug gehabt, zur beste Adaption des literarischen Klassikers avancieren zu können, wenn er sich doch nur mehr auf die meditative Kraft verlassen hätte, die in den Bildern der gespenstischen Betonlandschaft ruht. Stattdessen vermasselt es sich der Film damit, das Einsamkeitsdrama gegen einen handelsüblichen Survival-Actioner auszutauschen. Irgendwann nämlich mischen sich Anna (Alice Braga, Elysium) und ihr Sohn in das Geschehen ein. I Am Legend baut ab diesem Moment nicht mehr nur auf Stimmungen, sondern arbeitet überaus stupide einem Happy End entgegen.
Es hätte so eindrucksvoll werden können, wenn I Am Legend über seine gesamte Laufzeit an die Stille geglaubt und nur gelegentlich einige adrenalingetriebene Sequenzen in den apokalyptischen Alltag von Robert Neville integriert hätte. Am Ende aber gewinnt die christliche Symbolik Oberhand, es muss um Erlösung gehen – und diese Erlösung muss durch eine göttliche Fügung gerechtfertigt sein. Das ist nicht nur überaus rückständig, sondern auch frustrierend, weil in I Am Legend ein überaus gelungener Blockbuster steckt, der so viel mehr hätte bewegen können, als Allgemeinplätze zu bedienen und miese Spezialeffekte auszustellen. Ein Aspekt aber bleibt bis zum Abspann absolut erstklassig: Will Smith. Selten, vermutlich nur in Ali, hat er eine größere emotionale Bandbreite in seinem Spiel derart gekonnt abgedeckt. An ihm erkennt man, dass Hoffnung und Hybris oftmals deckungsgleiche Begrifflichkeiten sind.