Viele Szenen in Elijah Bynums Regie-Debüt Hot Summer Nights wirken wie schimmernd überhöhte Erinnerungen an eine Vergangenheit, die schon eine ganze Weile zurückliegt. Dieses Gefühl ist eine bedeutende Komponente des Films, dessen Handlung auf den eigenen Erinnerungen des Regisseurs aus seiner College-Zeit basiert. Hier kannte Bynum selbst zwei Jungs, die charakterlich komplett gegensätzlich und trotzdem befreundet waren. Gemeinsam verkauften die beiden zunächst Gras an die verschiedenen Wohnheime des Colleges, bis sie sich eine Art Drogenimperium aufbauten und irgendwann über Nacht einfach verschwanden. Von diesem Hauch des Mysteriösen sowie der Mythenbildung, die während der Adoleszenz oftmals mitschwingt, wird Hot Summer Nights deutlich geprägt. Hierbei schwankt die Geschichte des Films zwischen unkonkreter Coming-of-Age-Fantasie und konkreten Crime-Zuspitzungen hin und her, um sich im späteren Verlauf immer stärker innerhalb dieser Genre-Zuordnungen zu verkeilen.
In diese Unentschlossenheit fügt sich auch Protagonist Daniel zunächst ideal ein, als er Anfang der 1990er-Jahre nach dem Tod seines Vaters von seiner überforderten Mutter über den Sommer nach Cape Cod geschickt wird, wo der Teenager bei seiner Tante leben soll. Die Off-Stimme eines anderen, jüngeren Jugendlichen erklärt zu Beginn des Films wiederum, dass es in Cape Cod eigentlich nur zwei Sorten von Einwohnern gibt. Die sogenannten Townies, die dort aufgewachsen sind, und die sogenannten Summer Birds, die in der Regel nur für den Sommer bleiben und zu den Wohlhabenden zählen, für die Geld keine Rolle spielt. Als unscheinbarer Ferientourist aus der Mittelschicht zählt Daniel weder zu den einen noch zu den anderen. Anschluss findet der schüchterne Teenager jedoch durch den attraktiven Hunter Strawberry, mit dem er in einer Tankstelle zusammenarbeitet. Schnell bemerkt Daniel, dass sein Arbeitskollege neben gewöhnlichen Waren auch immer wieder kleine Tüten mit Gras an Kunden verkauft.
Durch sein Interesse, ebenfalls bei Hunters Geschäft mitzumischen, entwickelt sich eine Freundschaft zwischen den beiden jungen Männern, die wenig überraschend einige Komplikationen mit sich bringt. Die größte davon hört auf den Namen McKayla. In Cape Cod ist das schöne Mädchen der unerfüllte Traum sämtlicher Jungs, wobei sie vom Regisseur passend hierzu als fast schon unwirkliche Sagengestalt in Szene gesetzt wird. Sogar in den Suizid hat das blonde Mädchen ihre verflossenen Liebhaber bereits getrieben, wie Bynum in einer Szene zeigt. In einer der heißen Sommernächte des Films, als Daniel im Autokino sitzt, steigt McKayla jedoch plötzlich zu ihm in den Wagen. Es ist der Beginn eines vorsichtigen Flirts, der sich nach und nach zur leidenschaftlichen Romanze entwickelt. Eine Romanze, die durch den Umstand belastet wird, dass es sich bei McKayla Strawberry um die Schwester von Hunter handelt.
Nichtsdestotrotz rücken die Konflikte, die sich über die verschiedenen Beziehungen der Figuren zwangsläufig ergeben, über gut zwei Drittel der Handlung erst einmal in den Hintergrund. Stattdessen inszeniert Bynum Hot Summer Nights längere Zeit als schwelgerisch-schwüles Sommermärchen, in dem die nostalgischen Reize eines unvergesslichen Sommers in jungen Jahren wie in Greg Mottolas Adventureland ebenso mitschwingen wie beispielsweise der unentwegte Drang aus Edgar Wrights Baby Driver, die Figuren sowie ihre starken Gefühle zueinander über die Verbindung von Songs auf der Tonspur sowie rastlosen Bewegungen einzufangen. Dabei wagt sich der Regisseur durch den permanenten Einsatz von markanten Songs aus der Handlungsepoche des Streifens bisweilen in nervenstrapazierende Gefilde vor, während Hot Summer Nights trotz einiger überaus sinnlich-aufregender Montagen (die Lollipop-Szene zwischen Daniel und McKayla beispielsweise) droht, zum reinen Vakuum voller audiovisuell reizvoller Stimmungsbilder zu verkommen.
Diese Bedenken hatte der Regisseur vermutlich auch selbst, weshalb Bynum den kriminellen Aspekt seiner Geschichte schließlich vermehrt in den Vordergrund rückt. Der Rückgriff auf Neo(n)-Noir-Motive wie aus Nicolas Winding Refns Drive oder ungeplante Crime-Verstrickungen wie in Paul Thomas Andersons Boogie Nights erweist sich in Hot Summer Nights jedoch zunehmend wie ein Fremdkörper. Die altbackenen Gangster-Mechanismen aus der banalen Realität des Films stehen dem verträumten Ansatz des Regisseurs auffällig im Weg, wobei sich das zentrale Hauptdarsteller-Trio Timothée Chalamet (Lady Bird), Maika Monroe (It Follows) und Alex Roe (Die 5. Welle) aus ihren überstilisierten Hüllen freizuspielen versucht, bevor Bynums Film im Finale während eines schweren Sturms, der durch Cape Cod wütet, endgültig in ernüchternden Klischees versinkt. Wie ein wohliger Traum, aus dem das unsanfte Erwachen und die anschließende Benommenheit folgen.