Wenn es um das New Hollywood Kino geht, springen einem Namen wie Martin Scorsese, Sam Peckinpah, Robert Altman oder Francis Ford Coppola in den Sinn. Sträflich unterschlagen wird leider viel zu oft Hal Ashby, der während des Drehs gerne auch mal bekifft seine Arbeit am Set verrichtete. Es mag sein, dass seine Kollegen die filmhistorisch größeren und bekannteren Werke ablieferten (was nicht bedeuten soll, dass seine Filme komplett unter dem Radar liefen), aber er drehte dafür Geschichten, die trotz einer Leichtigkeit mehr zu erzählen hatten. Es ging Ashby auch darum anzuecken, das alte System aufzubrechen und Neues zu evozieren. Doch bei ihm wurde der Status Quo verschmitzt lächelnd hinterfragt sowie ausgehebelt und dennoch wirken seine Regiearbeiten dieser Zeit stets rebellisch, forsch und der Zukunft zugewandt. So auch Harold and Maude.
Ashbys zweiter Kinofilm erzählt von einem unglücklichen jungen Mann, Harold (Bud Cort, M.A.S.H.), aus elitären Hause, der sich zum Tod hingezogen fühlt und bei einer Beerdigung die 79-jährige Maude (Ruth Gordon, Rosemaries Baby) kennenlernt. Die Freundschaft und später Liebe, die daraus entsteht, wirkt auch Dekaden nach der Premiere des Films immer noch zärtlich, vitalisierend, emotional. Viele andere Produktionen haben seit dem versucht ähnliche Beats zu erreichen, doch die Ehrlichkeit sowie Nonchalance, die Harold and Maude durchzieht, lässt sich eben nicht einfach duplizieren. Gewiss, ein großes Stück dieses Kuchens ist unumstößlich an den damaligen Zeitgeist gekoppelt und es stimmt schon irgendwie traurig, dass ein Film von 1971 selbst 2022 immer noch moderner, bzw. ungestriger daherkommt, als so manch andere Dramödie.
Harold and Maude könnte als Blaupause für so manche Tragikomödie mit ungleichen Paaren herhalten. Vielleicht liegt s ja wirklich daran, dass der Film zu einer Zeit entstand, in der der Umbruch allgegenwärtig war (zumindest in Hollywood). Dem Film liegt eine kraftvolle Überzeugung innen, dass sich etwas verändern wird – zum Guten. Dieses Gefühl, diese Hoffnung liegt wie eine Patina über der Geschichte, den Figuren, der Inszenierung. Wie viele andere Werke dieser hoch spannenden Traumfabrik-Ära steht auch Harold and Maude für eine Utopie, von der heutzutage wahrscheinlich wirklich nur noch die Filme übrig sind.
Das Schöne: Diese kann man sich immer wieder ansehen. Harold and Maude wird von Mal zu Mal immer besser. Trotz seiner Intimität und Reduzierung auf wenige Figuren wirkt die Geschichte heutzutage noch so viel mehr größer, als damals. Es mag sein, dass Harold and Maude Anfang der 1970er Jahre ein (kleiner) Skandal war. Heutzutage wirkt die Ausgangslage gewiss etwas ungewöhnlich, dürfte aber sicherlich für keine allzu großen Beanstandungen führen. Und dennoch, würde der Film jetzt, so wie er ist, realisiert und veröffentlicht werden, er wäre immer noch frischer, kecker, liebenswerter und berührender als so manch anderer Versuch, dem Publikum die Tränen aus den Augen zu ziehen und dabei eine Botschaft penetrant zu vermitteln.