Ein Filmemacher, dessen Name besonders eng mit William Shakespeare verknüpft ist, ist der Brite Kenneth Branagh, zuletzt für den Film „Thor“ verantwortlich. Von 1989 bis 2000 wirkte er in insgesamt fünf Filmumsetzungen von Shakespeare-Stücken mit („Henry V.“, „Viel Lärm um Nichts“, „Othello“, „Hamlet“, „Verlorene Liebesmüh“) und führte davon bei allen außer „Othello“ Regie, wobei ihm „Henry V.“ und „Hamlet“ drei von insgesamt vier Oscarnominierungen einbrachten. „Hamlet“ zählt hierbei zweifellos zu den bekanntesten Dramen des berühmten Dichters und ist mit über 50-mal das am häufigsten verfilmte Werk. Ist die Version von Kenneth Branagh also nur eine von vielen?
Etwas ist faul im Staate Dänemark: König Hamlet ist tot, an seiner statt, besteigt sein Bruder Claudius den Thron und heiratet Hamlets Frau Gertrude. Der einzige, der die Freude über die rasch gefundene Nachfolge und die Hochzeit nicht teilt ist Prinz Hamlet, der Sohn von Gertrude und dem toten König, der seinem Vater weiterhin nachtrauert – zu Recht, wie sich bald herausstellt, denn ihm erscheint der Geist seines toten Vaters und eröffnet ihm, dass Claudius ihn umgebracht hat und dass seine Seele niemals Frieden finden wird, solange der Mord nicht gerächt wurde – eine Aufgabe, die Hamlet nun erfüllen muss. Um Claudius zu überführen gibt Hamlet zunächst vor, verrückt zu sein, aber als er versehentlich anstatt seines Onkels den Oberkämmerer Polonius ersticht nimmt die Tragödie ihren Lauf. Das Stück ist dabei nicht nur eines der bekanntesten von Shakespeares Stücken, sondern auch eines der komplexesten. Denn behandelt werden Themen wie Rache, Verrat, Inzest und Wahnsinn – vorgetäuschtem sowie echtem.
Branagh, der auch die Hauptrolle spielt, versetzt das Stück in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts, und, um es frei heraus zu sagen, das Set- und Kostümdesign ist schlichtweg atemberaubend. Im Gegensatz zu z.B Julie Taymors „Titus“ (1999), das verschiedene Stile miteinander vermischt, ihnen einen surrealen Touch anhaftet und von der Inszenierung eher an ein modernes Theaterstück erinnert, mutet das Design sehr realistisch an, ist in sich geschlossen und verleiht dem Film eine einzigartig dichte Atmosphäre, die wunderbar zur altmodischen Sprache des Stückes passt. Dieses steht wiederum im Gegensatz zur Michael-Almereyda-Version von 2000, mit Ethan Hawke und Bill Murray, die die Geschichte in einem modernen Szenario erzählte, das nicht recht zur altmodischen Sprache passen wollte. Der Glanzpunkt, der hier an Branaghs Regie gehen dürfte, ist allerdings, dass man trotz Allem immer das Gefühl hat, einem Theaterstück zuzusehen. Eine weitere grandiose Leistung ist die Besetzung. Neben Branagh sind z.B. Derek Jacobi als Claudius, Julie Christie als Gertrude und – in einer ihrer ersten großen Rollen – Kate Winslet als Ophelia zu sehen. Auch die Nebenrollen sind mit Größen wie Charlton Heston, Gerard Dépardieu und Sir Richard Attenborough hochkarätig besetzt, auch wenn viele dieser Auftritte nur wenige Minuten dauern. Ein besonderes Lob muss hierbei übrigens Kate Winslet zuteil werden, die als Ophelia eine unglaubliche Darstellung hinlegt, die richtig an Fahrt aufnimmt, sobald Ophelia über den Tod ihres Vaters Polonius den Verstand verliert. Der Star des Films ist aber Kenneth Branagh selbst, der nicht zuletzt durch seine Rolle als Henry V. im gleichnamigen Film bewiesen hat, dass er zu den besten Shakespeare-Schauspielern gehört. Auch als Hamlet läuft er zur Hochform auf, spielt den Charakter wie Beethoven ein Klavier, trifft sowohl die lauten als auch die leisen Töne, insbesondere in den berühmten Monologen. Untermalt wird dabei alles von Patrick Doyles brillantem Soundtrack, der ihm eine Oscar-Nominierung einbrachte.
All das mag sich so anhören, als würde Hamlet nahezu perfekt sein, was auch nicht ganz unberechtigt ist, allerdings muss man das in Relation sehen. Denn eine weitere Stärke des Films ist gleichzeitig auch seine Schwäche; bei der Umsetzung des Originaltextes wurde dieser zu 99 Prozent beibehalten. Das dürfte den Film zwar zur werkgetreuesten Leinwandumsetzung des Stückes machen, verleiht ihm aber auch eine nahezu biblische Laufzeit von vier Stunden, wobei im zweiten Drittel sogar eine Pause eingeschoben wird. Die altmodische Sprechweise macht es dem durchschnittlichen Kinozuschauer mitunter auch sehr schwer, dem Geschehen zu folgen, was für die deutsche Version gilt, und ganz besonders für die englische. Wer Shakespeare nichts abgewinnen kann, dürfte keinen Gefallen an diesem Film finden. Freunde des Stoffes können und sollten sich den Film aber bedenkenlos ansehen, denn ob das Stück besser umgesetzt werden kann darf bezweifelt werden.