Als Souvenirverkäufer in der Nähe der türkischen Ägäis versucht Hakkı über die Runden zu kommen. Er möchte mit den Einnahmen lediglich seine Familie ernähren, im Bewusstsein, dass er keine große Karriere anstreben kann. Bei einem Abendessen auf seinem eigenen Grundstück macht sein Bruder ihn auf ein dringendes Problem aufmerksam: Die mächtigen Verwurzelungen eines alten Baums bedrohen die Gemäuer des Hauses. So widmet sich Hakkı diesem Problem mit Laubsäge und weiteren Utensilien, nur um beim Buddeln und Durchtrennen der Wurzel auf ein gut erhaltenes Artefakt zu stoßen. Mit dessen Verkauf erwirbt sich der Familienvater einen neuen Wagen, doch eines Tages erfährt er vom tatsächlichen Wert des ausgegrabenen Gegenstands. Und Hakki beschäftigt nun vor allem eine Frage: Befinden sich unter seinem Haus noch weitere historische Schätze?
Gesehen auf dem Oldenburg Filmfestival 2024
Kritik
Für sein Spielfilmdebüt ließ sich Regisseur Hikmet Kerem Özcan von einer lokalen Geschichte inspirieren: Ein Mann, der sein Glück ein zweites Mal herausfordert und nach Schätzen sucht – in der Hoffnung, den großen Reibach zu machen und damit seine Familie bis an sein Lebensende finanziell zu unterstützen. In Hakkı – das „ı“ wird wie ein abklingendes „e“ ausgesprochen – geht es natürlich ums Entdecken, ums Mitfiebern mit dem gleichnamigen Protagonisten. Aber Özcan wirft auch einen Blick auf die Familie des gleichnamigen Vaters. Sie muss dabei zusehen, wie er vom Schatz besessen das Haus auf den Kopf stellt. Die Geschichte erinnert in ihren Grundzügen an „Take Shelter - Ein Sturm zieht auf“von Jeff Nichols. Darin fängt der von Alpträumen geplagte Curtis an, einen Tornadobunker für seine Familie zu bauen – und dabei riskiert er nicht weniger als Job und aufgebaute Freundschaften.
Ähnliches passiert in der weiteren Handlung von Hakkı – es kommt zu Zerwürfnissen mit Freund und Familie. Die warm betonten Bilder untermalen dabei den verblassenden Traum einer Karriere passend und fügen sich ebenfalls später beim wiederauflebenden Ehrgeiz ein. Schade nur, dass einige Szenen mit der Familie einen Fernsehfilm-Charakter besitzen. Jedoch ist es interessant zu sehen, wie Özcan die Moderne in die traditionelle Rollenverteilung einfließen lässt. Zum einen versucht Hakkı einen Tanz mit seiner Tochter für einen TikTok-Clip aufzuführen und zum anderen wäre da noch sein Sohn. Dieser studiert in einer größeren türkischen Stadt und benötigt hin und wieder eine kleine Geldspritze. So möchte der Familienvater es allen recht machen und es nochmal allen beweisen.
Özcan wird nicht müde, die Verhältnisse zwischen Stadt und Land aufzuzeigen. Da der eiskalt kalkulierende Gutachter mit feinem Anzug und hochwertigen Inspektionsgerät, dort die ländliche Familie, die mit den verkauften Souvenirs noch über die Runden kommt. Glück trennt beide Seiten, Hochmut wie Herablassung zwischen den Zeilen hält die ärmere Familie unten. Es ist ein verzweifeltes Aufbäumen gegen die obere Klasse, womit die Bedeutung des Namen Hakkı – welcher für Gerechtigkeit steht – gut zur Geltung kommt. Dafür nimmt sich der Regisseur die Zeit, die Reaktionen und Meinungen einzufangen.
Im Gegensatz zu Jeff Nichols, der in „Take Shelter“die mentale Grabenkämpfe von Curtis über die Familie und emotionsgeladener Musik bewegend verarbeitet, gräbt sich Hikmet Kerem Özcan mittels Symbolik immer tiefer in die Psyche seines Protagonisten ein. Was dieses Symbol zu bedeuten hat, wird aber kaum aus den Bildern ersichtlich und der anwesende Regisseur selbst kann nach der Deutschlandpremiere beim Oldenburg Filmfestival 2024 ebenfalls keine hilfreiche Antwort auf den Einsatz geben. Jedenfalls weiß Özcan den Ton Richtung Finale deutlich zu verschärfen und zu überraschen. Viel Dreck, nur kleine Ernährungspausen, mit Blasen übersäte Hände sowie die fortgeschrittenen Arbeiten im eigens erschaffenen Mini-Tagebau prägen die düsteren Bilder. Aus allen trieft die erbitterte Zielstrebigkeit, die nicht zuletzt eine Tragik mit sich bringt.
Fazit
Ein einfühlsames türkisches Familiendrama, das in seinen besten Momenten an Jeff Nichols' „Take Shelter“ erinnert und die traditionsbehaftete Motivation seines Protagonisten glaubhaft herüberbringt. Wirklichen stören tun dabei die Fernsehfilm-Momente und ein nur schwer zu greifendes Symbol, sobald der Film sich in die Psyche des Protagonisten eingräbt.
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