Eigentlich setzt man Peter Farrelly mit Blödelkomödien wie Verrückt nach Mary oder Dumm und Dümmer in Verbindung, die er stets mit seinem Bruder Bobby inszeniert. Im Alleingang gelang ihm nun mit dem Comedy-Drama Green Book, das auf wahren Begebenheiten beruht, die große Überraschung. Einen ernstgemeinten filmischen Beitrag, der Kritik an Politik und Gesellschaft ausübt, indem er smart rassistische, nebenbei aber auch homophobe, Themen anspricht, die die USA nicht nur in den 60er Jahren belasteten, sondern auch heute noch aktuell sind, verpackt in eine warmherzige Geschichte einer ungewöhnlichen Freundschaft, hätte man in der Qualität von ihm wohl so nicht erwartet. Mit drei Golden Globes, darunter für den Besten Film in der Comedy-Sparte, darf sich Green Book bereits schmücken, es bleibt spannend, was auf seiner Siegestour noch hinzukommt.
Green Book erzählt von einem 2-monatigen Road Trip in die Südstaaten der USA, wo Rassismus in den 60er Jahren noch überdeutlich spürbar war. Man sollte meinen, dass man als Farbiger eine Reise dorthin meiden würde, Dr. Don Shirley (Mahershala Ali, Moonlight) legte es aber geradezu darauf an, seine Konzert-Tournee genau dort auszutragen, um ein Zeichen für mehr Akzeptanz zu setzen. Mit dem Italo-Amerikaner Tony Lip (Viggo Mortensen, Der Herr der Ringe) als seinen Fahrer entsteht so ein überaus ungleiches Paar, bei dem mehrere urkomische Situationen geradezu vorprogrammiert sind. Denn im Gegensatz zum gebildeten und stets vornehmen Shirley ist Lip ein Typ von der Straße, der auf gute Manieren keinen Wert legt und jedem die Meinung sagt oder gar aufs Maul haut, der ihm blöd kommt. Solch gegensätzliche Charaktere bergen eine Menge Konfliktpotenzial, was in Green Book aber stets auf humorvolle Weise verarbeitet wird und auf diese Weise stark an ähnlich konstruierte Filme wie Ziemlich beste Freunde erinnern lässt.
Doch trotz seines lockeren Tons ist Green Book keinesfalls eine reine Komödie, sondern weiß mit seinem tragischen Hintergrund und diversen unangenehmen Situationen ebenso zu bewegen oder zu verstören. Farrelly zeigt ein gutes Gespür dafür, wann Humor angebracht ist, wann er aber auch auf die Bremse treten muss, sodass Drama und Komödie im wunderbaren Einklang stehen. Auch seinen beiden Hauptcharakteren, die jeweils starke Performances abliefern, gibt er reichlich Gelegenheit, sich in die Herzen der Zuschauer zu spielen. Denn hinter beiden Männern verbirgt sich viel mehr, als es zunächst den Anschein macht. Hinter dem so selbstsicher wirkenden Shirley steckt nämlich ein Mensch voller Trauer und Einsamkeit, der harte Draufgänger Lip ist wiederum im Kern ein eigentlich herzensguter Mensch. Mit solch klischeebehafteten Eingriffen mag Green Book zwar keinesfalls überraschend konstruiert sein, die sympathische Art und Weise, wie es aber umgesetzt wurde, obsiegt in dem Fall.
Der Titel des Films entstammt übrigens dem beschämenden Reiseführer "The Negro Travelers' Green Book", der von 1936 bis 1966 publiziert wurde. Er half Farbigen auf Reisen durch die USA dabei, Restaurants, Geschäfte oder Unterkünfte zu finden, die gewillt waren sie als Kunden aufzunehmen oder zu bedienen. Auch im Film findet er seinen Platz und führt das Protagonistenduo von einem Zwischenstopp zum nächsten. Wie unangenehm es werden kann, wenn man von den Empfehlungen abwich, bekommen die zwei dann auch schnell zu spüren. All das mag viele Jahre zurückliegen, von einem gesunden gesellschaftlichen Zustand sind wir aber noch immer weit entfernt.