Inhalt
Kurz vor seinem Tod übergibt ein altehrwürdiger Yakuza-Boss sein Reich an einen jungen Protegé. Der sieht sich danach unzähligen Intrigen ausgesetzt und muss unerbittlich um sein Leben und seinen Status als Yakuza-Erbe kämpfen. So weit, so nachvollziehbar. Aber schon im ersten sensationell blutigen Martial-Arts-Battle wird klar, dass in einem Miike außerhalb dieser Prämisse alles passieren kann. Denn was bisher niemand wusste – das Oberhaupt des Syndikats war ein Vampir und hat neben seinem Reich auch seine Kräfte und schicksalhaften Eigenschaften an den Zögling Kageyama weitergegeben. Natürlich im allerletzten Atemzug…
Kritik
Takashi Miike. Bei diesem Namen darf nun jeder bitte selbst entscheiden, ob sie oder er weiterlesen will. Es ist ja davon auszugehen, dass jeder Freund des asiatischen Kinos irgendwann oder irgendwo in der eigenen Fanlaufbahn schonmal auf einen Streifen des Japaners gestoßen ist und sei es nur unterbewusst. Bei knapp (oder schon über) hundert Filmen, ist das auch kein Wunder, der Mann scheint einer cinematographischen Maschine zu gleichen, die ohne Rücksicht auf qualitative Verluste ein neues Produkt nach dem Anderen fabriziert. Da wird es selbstverständlich schwer, sich die wirklich guten Filme innerhalb dieses bunten Pools herauszupicken und sich auf einen neues Produkt von Miike zu freuen, kommt doch höchstwahrscheinlich nur weiterer Blödsinn auf die Leinwand. Dass Miike das Filmemachen liegt und dass er durchaus ein ausgesprochen gutes Auge für geniale Momente in sich trägt, hat er durch Filme wie "13 Assassins" und "Lesson of the Evil" zwar bewiesen, es bleibt aber jedes Mal wieder die Frage: Hat der Regisseur sein Potenzial hier ausgenutzt oder sollte man dieses neuste Fabrikat einfach links liegen lassen? Eine Frage, die sich natürlich auch vor seinem neusten Film mit dem (nicht gerade subtilen) Titel “Yakuza Apocalypse: The Great War of the Underworld” stellt.
Bevor die Kritik versucht eine Antwort auf diese schwere Frage zu geben, wird sich hier mit der Ausgangslage beschäftigt. Und die schien ja schonmal vielversprechend: Miike in Verbindung mit der Yakuza, mit Vampiren, mit Yakuzavampiren und dem “Modern Monster” sowie der verrückte Trailer versprachen jede Menge Miike-Trash-Wahnsinn, wie es in dieser Konsequenz nur der Japaner auf die Leinwand bannen kann. Herausgekommen ist ein in seinen Grundzügen wirklich total abgedrehtes “What the Fuck”-Fest, mit einer Menge starker und absurder Ideen sowie einer grotesken Story, die sich konsequent durch das Fehlen eines echten roten Fadens auszeichnet. Der Wahnsinn steht Miike einfach, was auch dazu führt, dass “Yakuza Apocalypse” immer dann am Stärksten ist, wenn er sich seinem Aberwitz ergibt und Figuren oder Situationen auf die Leinwand wirft, die einem Manga oder dem Traum eines Anstaltsinsassen entsprungen zu sein scheinen. Vor allem die Selbstverständlichkeit mit der hier Typen in Froschkostümen durch die Gegend fliegen, Kinder in feuchter Erde gezüchtet werden oder graues Gehirn aus den Ohren schießt, trägt zum Spaß des Films bei, weil der Zuschauer das Gefühl bekommt, sich hier einfach angenehm in den Wahnsinn fallen lassen zu können. Einer Erklärung bedarf dies dann natürlich nicht.
Problematisch wird es aber immer dann, wenn der Film diesen Weg in seinen 125 Minuten verlässt. Und das passiert erstaunlich oft. Da wird eine Liebesgeschichte vorangetrieben, die im Rahmen des Films überhaupt nicht funktionieren mag und ohne die der Film vermutlich besser ausgekommen wäre, da wird sich an Charakterexposition versucht, die sich gegen Ende aber als absolut obsolet herausstellt, weil sie die Figuren nirgends hinführt. Diese Szenen reißen aus der Immersion, weil sie das Gefühl entwickeln, dass hier vielleicht wirklich etwas erzählt werden sollte, während Miike sich gegen Ende natürlich dafür entscheidet eher auf Blödsinn zu setzen (was vollkommen in Ordnung ist). So formt sich “Yakuza Apocalypse” zu einem Film ohne echten Ton bzw. als Film, der sich einfach nicht zwischen Wahnsinn und Exposition sowie Humor und Ernsthaftigkeit entscheiden kann. Beides geht in Miikes neustem Werk einfach nicht zusammen, was zu erstaunlich langen Durststrecken innerhalb der zwei Stunden führt.
Inszenatorisch kann man Miike dabei wenig vorwerfen, die Action macht Spaß und ist rasant in Szene gesetzt (wenn sich hier und da auch zu oft auf Wackelkamera verlassen wird). Mit Typen wie Hayato Ichihara (“God’s Puzzle”) und Yayan Ruhian (“The Raid”) hat sich Miike dann auch zwei höchst talentierte Kämpfer an Bord geholt, die zwar nicht voll in ihren Möglichkeiten genutzt werden (teils wird dies sogar auf höchst kreative Weise auf den Kopf gestellt), die aber insgesamt alle in ihren Rollen aufgehen und viel Spaß am Spiel mitbringen. Auch in Sachen Blut und Gore hält sich der Regisseur überraschend zurück, hier spritzt das Blut zwar oft, aber eher in comichafter, als wirklich widerlicher Manier. Jeder, der sich hier also ein erneutes Blutbad im “Ichi the Killer”-Stil erwartet, wird enttäuscht aus dem Kino wanken.
Trotz all dieser Vorzüge, schwebt immer der angesprochene, große Kritikpunkt über diesem Film: “Yakuza Apocalypse” steht einfach viel zu oft zwischen reinem Wahnsinn und beinahe ernster Theatralik und schafft es nicht beides zufriedenstellend zu vereinen. Miike hätte die sprunghafte Charakterdarstellung und das Fehlen eines echten roten Fadens hier einach mit noch mehr Einfallsreichtum und Aberwitz aufwiegen müssen, so bleibt am Ende ein Film, der durchaus oft Spaß macht und mit offenem Mund zurücklässt, aber mindestens genau so oft auch leicht angenervt auf die Uhr blicken lässt. Und die eigentliche Apokalypse kommt dann letztendlich auch viel zu kurz.
Fazit
Wirklich abraten kann man von Miikes neustem Streich “Yakuza Apocalypse” nicht, eine echte Empfehlung soll hier aber auch nicht ausgesprochen werden. Es sei gesagt, dass der Film immer dann am meisten Spaß macht, wenn sich komplett auf den eigenen Wahnsinn und die inszenatorische Anarchie verlassen wird, während gerade die Exposition, die Liebesgeschichte als auch diverse Charaktermomente nur unnötig viel Zeit von der Uhr nehmen. Mit zwei Stunden also durchaus zu lang und mit einigen Längen gespickt, dafür in Zügen aber auch einfach großartig grotesk. Am Ende muss sich jeder selbst entscheiden, ob er Miikes neustem Werk eine Chance geben soll, mit gewissen Einschränkungen kann man hier durchaus seinen Spaß haben.
Autor: Thomas Söcker