Berühmt und zum Meister seines Fachs ausgerufen wurde Genre-Wunderkind Mario Bava (Die Stunde, wenn Dracula kommt) durch seine Gialli und Horrorfilme. Seine mit nicht mal 20 Jahren viel zu kurze Regiekarriere bis zu seinem Tod 1980 umfasste natürlich noch andere Werke, wobei alle als Genrearbeiten zu bezeichnen waren, darunter Western, Science-Fiction- oder Sandalenfilme. Ausgerechnet bei seiner größte, zumindest am höchsten budgetierte Produktion (rund 200.000.000 Lire, damals umgerechnet auch nur knapp 400.000 $, um mal die Verhältnisse aufzuzeigen) handelte es sich nicht um seine Königsdisziplin. Die von Dino De Laurentiis produzierte Comicverfilmung Gefahr: Diabolik! wird unter Bava’s Regentschaft zum knallbunten Gimmick-Superschurken-Heist-Movie. Keckes, schräges Anti-Helden-Kino, bei dem Bava mal materiell ungewohnt aus den Vollen schöpfen durfte (trotzdem sogar nicht das gesamte Budget verbrauchte, aus heutiger Sicht unfassbar!) um am Ende dennoch nicht alles auffahren durfte, was ihm vorschwebte. Er wollte es wohl wesentlich wilder und (noch) unkonventioneller gestalten, De Laurentiis selbstverständlich damit Profit machen, als Auftragsregisseur musste der Meister sich da gefrustet fügen. Schade, denn auch in der gezügelten Variante (was besonders im letzten Drittel auffällt) ist das hier eine ziemlich fesche Sause geworden.
„Diabolik wird mit den 10 Millionen Dollar nicht das tun, was von uns für logisch gehalten wird. Er wird etwas tun, worauf sicher kein normaler Mensch kommt.“
Richtig. Er tut es AUF den 10 Millionen Dollar und ob wenigstens er auch drauf kommt, das spart man uns dann lieber doch aus, ist ja kein Porno. Sieht aber manchmal wie einer aus, also ein ganz edler. Mehr wie ein schmuckes Themen-Bordell für Besserverdienende mit Vorliebe zu Magic Mushrooms. Wahnsinn, was Mario Bava hier wieder an optischen Reizen auftischt, selbst in so einem eher auf Massenkompatibilität getrimmten Gauner-Vehikel, obwohl diese Einstufung schon sehr gewagt ist. Denn ganz klar will Gefahr: Diabolik! kein konventioneller Film sein. Passend poppt hier schon wieder der eigentlich nicht sonderlich begnadete John Phillip Law in der Hauptrolle des Diabolik auf, der zu diesem Zeitpunkt ein Kurzzeit-Kult-Phänomen wurde. Innerhalb von zwei Jahren ritt er an der Seite von Lee Van Cleef durch den zünftigen Italo-Rache-Western Von Mann zu Mann a.k.a. Die Rechnung wird mit Blei bezahlt und flog als blinder Schutzengel Pygar neben BarbarellaJane Fonda durch die unendlichen Weiten der Liebe im All. Nun treibt er als maskierter Mega-Gauner den Staat und besonders Inspektor Ginko (Michel Piccoli, Topas) in den Wahnsinn. Selbst, wenn er „nur“ ein besonderes Geburtstagsgeschenk für seine heiße Flamme Eva (Marisa Mell, Nackt über Leichen) stibitzen will.
Was dabei herauskommt ist über weite Strecken eine aberwitzige, herrlich kreative, enthemmt-psychedelische, freche und junge B-Variante zu James Bond oder noch deutlicher Fantomas, die trotz ihrer vergleichbaren Frische im angestaubten Nachkriegskino noch irgendwo zu eben diesem dazugehörten. Auch weil sich dieser Film sehr schellmisch und erstaunlich reflektiert über das Genre lustig macht. Immer wieder dessen Schmu und Logik-Krater selbst verwendet, aber süffisant-trocken und fast versteckt am Rande darüber spottet. Im Kleinen grandios ist eine Szene, als Diabolik gerne seinem Gegenüber (und somit auch dem Zuschauer) erklären würde, wieso sie in diese Situation geraten sind und dieser das abwürgt, weil aus einem (gerade explodierten) Flugzeug fallen und das akute Sterben ihn gerade sichtlich mehr beschäftigen. Muss man selbst sehen, um es in seiner Cleverness zu verstehen. Der Film weiß ganz genau, wann er groben Unfug praktiziert (also eigentlich die ganze Zeit), will das trotzdem nicht als alberne Posse verhökern, ist aber klug genug sich seines Status durchgehend bewusst zu sein. Und mal Butter bei die Fische: Selbst jeder heutige Bond-Film ist nicht viel realistischer oder weniger absurd als das hier. Die tun nur oft so, als wäre das nicht der Fall.
Gen Ende wird sichtlich erkennbar, wo Bava’s kreative Grenzen lagen. Das Skript verlangt schon gewisse Konventionen, das redundante An-der-Nase-herumführen (eigentlich ja nicht) extrem dusseliger Gesetzeshüter wird erprobt runtergerattert, manche sehr schrägen Ansätze und besonders die optisch-akustische Präsentation (Ennio Morricone fummelt sich einen duften Score zusammen, der urplötzlich auch mal einen orientalisch angehauchten Flair bekommt) dürfen nicht zur vollen Entfaltung kommen. In der ersten Hälfte ist Gefahr: Diabolik! oft nah am legendären Flower-Power-Knüller Barbarella, und zwar nicht wegen John Phillip Law, der übrigens hier seine wohl beste Leistung bringt. Sein limitiertes Spiel passt zu dieser lebendig gewordenen Plastik-Action-Figur eigentlich prima. Er kann markant unter einer Maske die Augenbrauen hochziehen, was wirklich nicht so einfach ist. Seine Quasi-BAT-Höhle ist eher eine bumsfidele Lustgrotte und es ist schwer zu vermuten, dass Bava bei voller Kontrolle womöglich die Richtung noch direkter gestreichelt hätte. Unabhängig davon ist der Film aber einfach geil. Der platzt bald vor Verve, ist vogelwild und smart zugleich, flott, tollkühn…einfach unfassbar liebenswert.