Wie viele junge Männer seiner Generation ist auch Murat Kurnaz (Sascha Alexander Gersak) ohne Perspektive. Der aggressive 19jährige arbeitet als Türsteher in einer Disco, doch als sein Freund, scheinbar wahllos, vor jener Disco erschossen wird, beschließt Murat sein Leben von Grund auf zu ändern. So findet er zur Religion, besucht fortan die Koranschule und lebt das fromme Leben eines Moslems, sehr zum Verdruss seiner Eltern, die fürchten das er in eine radikale Schiene abdriftet, schließlich wimmelte es in den Nachrichten nur so von Schlagzeilen über so genannte „Glaubenskrieger“.
Dennoch beschließt Murat, kurz vor seiner arrangierten Ehe, in den nahen Osten zu Reisen, um dort mehr über den Koran zu lernen. Dort wird er jedoch von amerikanischen Soldaten verhaftet und so findet sich Murat bald mit einem Jutesack über seine Kopf wieder, während er von den Soldaten mehrfach misshandelt wird, ohne das diese ihm je eine einzige Frage stellen. Dies soll sich jedoch rasch ändern, als Gail Holford (Ben Miles), seines Zeichens Profi im Verhör von Gefangenen, sich dem jungen Murat annimmt. Mal mit dem Zuckerbrot und mal mit der Peitsche versucht Holford stets Murat dazu zu bringen ein Geständnis zu unterzeichnen, schließlich habe er Beweise dafür das Murat Kontakt zu einem gewissen Akhmal (Timur Isik) hatte, der ein gesuchter Terrorist ist. Tatsächlich war es Akhmal, der Murat in die Koranschule einlud und der dessen Trip in den nahen Osten unterstützte, doch Murat verweigert störrisch jede Aussage, wohl wissend das Gail Holford ein Spiel mit ihm spielt und das er selbst Unschuldig ist.
„Denn wenn ich dies unterschreibe, dann war als das was ihr mir hier angetan habt, die Schläge und die Folter, dann war als das rechtens“
Der aufstrebende Nachwuchsregisseur Stefan Schaller („Jedem das Seine“, “Kabul ist kein Krieg“) bringt mit seiner Diplomarbeit ein durchaus heikles Thema auf die Leinwand, denn während die Traumfabrik mit Filmen wie „Zero Dark Thirty“ und Co. ein sehr einseitiges Bild auf die Geschehnisse rund um 9/11 wirft, waren es vor allem die internationalen Medien, die vermehrt auf die Menschenunwürdigen Bedingungen in den amerikanischen Gefangenenlager aufmerksam machten. So auch der Fall Murat Kurnaz, der im Jahre 2006, kurz nach seiner Freilassung, ein bewegendes Interview bei Reinhold Beckmann gab, und der daraufhin sämtliche Titelseiten in Anspruch nahm. Titelseiten der selben Zeitschriften, die im Jahre 2001 noch über ihn als den „Bremer Taliban“ berichteten. Was der Film auf beachtliche Weise schafft ist gerade dieser moralische Zwiespalt, denn auf der einen Seite ist Kurnaz natürlich unschuldig, auf der anderen Seite stellt ihn der Film jedoch auch als eine Person da, der man es durchaus zutrauen würde einer von jenen radikalen Muslimen zu sein, über die man in den Medien nun so viel gehört hat. Es wäre leicht gewesen Kurnaz als den sanften Riesen zu inszenieren, als Jemanden der keine Fliege was zu leide tun könnte, doch stattdessen entschied sich Schaller für die Wahrheit, und so zeigt er eben auch wie Murat einem Imbissbuden Gast den Kiefer bricht, wie er mit Drogen hantiert und wie er seine Rastlosigkeit mit der Zeit immer mehr in Aggression umwandelt. Erst sein Weg zum Glaube hin machte aus ihn einen besseren Menschen und so ist es leider traurige Ironie, dass gerade dieser Lebenswandel ihm so viel Leid bescheren würde.
Sascha Alexander Gersak ( „Torre Tanzt“, “Tatort“) geht für seine Rolle als Murat Kurnaz an seine körperliche Grenzen, so ist er nach einem mehrmonatigem Hungerstreik kaum wieder zu erkennen. Auch schauspielerisch gibt es wenig zu beanstanden, zwar fehlt seiner Performance, wie dem Rest des Filmes, ein gewisser letzter Schliff, dennoch zieht er den Zuschauer gut in die Rolle und deren Erlebnisse hinein. Auch Ben Miles („V for Vendetta“, „Ninja Assassin“) liefert eine gute Show, denn gerade durch sein diabolisches Spiel mit dem Gefangenen Kurnaz verleiht dem Film eine gute Dynamik.
Obwohl er nur über ein geringes Budget verfügte, hat Stefan Schaller das Bestmögliche aus dem Film herausgeholt, denn die sterilen Schauplätze und hölzernen Nebendarsteller stören kaum, immerhin gibt es zum Ausgleich so viele Dinge die er richtig macht. Angefangen bei seiner cleveren Erzählstruktur, bis hin zu der simplen Tatsache das Schaller darauf verzichtet alle 5 Minuten eine grausame Folterszene der nächsten folgen zu lassen. Der Zuschauer bekommt stattdessen genügend Zeit sich auf dem Charakter und dessen Schicksal einzulassen, sodass die Gewalt, wenn sie dann kommt, umso härter trifft.